Der Begriff Nachhaltigkeit ist heute in aller Munde. Im Zusammenhang mit Verpackungen denken die meisten Menschen allerdings sofort an Verpackungsmüll und übersehen dabei, dass ohne Verpackungen Nachhaltigkeit gar nicht zu erreichen ist. Dazu eine kurze Vorbetrachtung. Die Herstellung von Produkten erfordert einen immensen Einsatz knapper und teurer Ressourcen. Egal, ob es sich dabei um Non-Food-Artikel, Nahrungsmittel, Getränke, Kosmetika oder Pharmaka handelt. Hinzu kommen noch viele Be- und Verarbeitungsschritte entlang der gesamten Wertschöpfungskette, wodurch sich der Wert der Produkte signifikant erhöht. Die so im Wert gesteigerten Produkte gilt es, unbeschädigt und unverdorben vom Hersteller zum Verbraucher zu bringen. Und eben das ist ohne Verpackungen überhaupt nicht zu realisieren. Die Verpackung ist damit eine der wichtigsten Voraussetzungen für Nachhaltigkeit. Sie schützt ihre Inhalte vor mechanischer Beschädigung sowie vor Staub, Feuchtigkeit oder zersetzenden mikrobiellen Keimen aus der Umwelt und dergleichen. Verpackungen haben aber auch noch viel weitreichendere Funktionen, doch davon später mehr. Und welche Rolle spielt dabei Industrie 4.0?
Die technische Basis von Industrie 4.0 bilden Sensoren, Rechner, Datenspeicher, Software und eine engmaschige globale Vernetzung aller Systeme über das Internet. Milliarden von weltweit in Maschinen und Anlagen integrierte Sensoren erfassen im Rahmen des Condition Monitorings (Maschinenüberwachung) kontinuierlich Zustandsdaten, wie Maschinenschwingungen, Temperatur, Stromaufnahme, Drehmoment, Druck und dergleichen. Diese Messwerte senden sie in Echtzeit über Netzwerke zu übergeordneten Leitsystemen, wie MES (Manufacturing Execution System) oder ERP (Enterprise Resource Planning), wo Hochleistungsrechner diese Daten auswerten. Die daraus gewonnenen Informationen ermöglichen eine bessere, effizientere und vor allem nachhaltigere Produktion. Wichtige Faktoren sind dabei vor allem Condition Monitoring und Remote Control, Predictive Maintenance, Lager- und Logistikmanagement und dergleichen mehr. Generell gilt es, sämtliche Stufen innerhalb von Wertschöpfungsketten zu optimieren hinsichtlich Produktivität, Qualität, Energie- und Ressourceneffizienz, Flexibilität, Wirtschaftlichkeit und nicht zuletzt Nachhaltigkeit. Wobei Nachhaltigkeit selbst gar kein direktes Ziel ist, da sie sich nur indirekt aus Verbesserungen in den vorgenannten Bereichen ergibt. Dazu ein paar Beispiele.
Kommunikation Mensch-Maschine
In der Prozess- und Verpackungsindustrie nimmt die vernetzte Fabrik allmählich Gestalt an. Dabei spielt die Kommunikation zwischen Mensch und Maschinen sowie der Maschinen untereinander eine zentrale Rolle. Dr. Stefan König, Vorsitzender des Bereichsvorstands der in Waiblingen ansässigen Bosch Packaging Technology, sieht deshalb in sogenannten Mensch-Maschine-Schnittstellen (englisch: Human Machine Interface, HMI) den Schlüssel zu einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Prozessführung. Das zeige sich besonders bei ungeplanten Maschinen- und Anlagenstillständen. Schnelle Ursachenklärung, Problembehebung und Wiederanfahren der Anlage sind hier das A und O. Vor allem, wenn es um das Verarbeiten und Verpacken leicht verderblicher Produkte geht. Genau da setzt das Unternehmen mit seinem neuen HMI 4.0 an. Im Falle eines Stillstands erhalten die Bediener sofort eine Benachrichtigung einschließlich Beschreibung der Ursachen sowie ausführliche Anleitungen zur Fehlerbehebung. Dank der intelligenten Bedienerführung gelangen sie mit wenigen Schritten zu den für sie relevanten Informationen, sei es für die Belange der Produktion, Reinigung, Wartung, Produkt- oder Formatwechsel.
Mit Remotetechnik alles im Griff
Condition Monitoring (Zustandsüberwachung) und Remote Control (Fernsteuerung) sind nicht neu. Im Rahmen von Industrie 4.0 ermöglichen sie jedoch ein weitaus sichereres, effektiveres und energieeffizienteres Betreiben von Maschinen und Anlagen. Zusammen sorgen sie für einen Paradigmenwechsel in der Instandhaltung. Das Stichwort hierzu lautet Predictive Maintenance (vorausschauende Instandhaltung).
In der Vergangenheit betrieb man meist reaktive Wartung, also den Austausch von Komponenten, nachdem diese zerstört waren oder nicht mehr einwandfrei funktionierten. Damit verbunden waren in der Regel ungeplante und lang andauernde Produktionsunterbrechungen, oft verbunden mit der Produktion von Ausschuss. Heute ist die vorbeugende Wartung Standard, die solche Probleme verhindert, da hier der Austausch von Bauteilen nach festen, auf Erfahrungswerten beruhenden Wartungsintervallen erfolgt, auch wenn diese noch nicht defekt sind. Damit ist man zwar auf der sicheren Seite, vergeudet jedoch wertvolle Ressourcen aufgrund der nicht optimal genutzten Lebens- beziehungsweise Nutzungsdauer der Bauteile. Anders sieht es bei Predictive Maintenance aus. Dank der Fortschritte in der Werkstoffforschung, leistungsfähiger Simulationsprogramme und dergleichen mehr lassen sich heute wesentlich präzisere Aussagen über die zu erwartende Restlebensdauer von Bauteilen unter bestimmten Belastungen vorhersagen. Und genau darauf baut Predictive Maintenance auf. Der Austausch von Bauteilen erfolgt erst kurz vor dem zu erwartenden Schadenseintritt. Das wiederum führt zu erheblichen Einsparungen an Investment und gleichzeitig auch zu höherer Nachhaltigkeit.
Auf die Anzahl Gutprodukte kommt es an
Ein wesentliches Nachhaltigkeitskriterium ist für Christian Traumann, Geschäftsführer und CFO der Multivac Sepp Haggenmüller GmbH & Co. KG, die schonende sowie unterbrechungsfreie Behandlung und Verarbeitung des Packguts innerhalb der gesamten Verpackungslinie. Das gilt besonders bei empfindlichen Produkten, wie Lebensmittel. Unabhängig vom Produkt gilt es aber, Ausschuss, und damit die Verschwendung von Ressourcen, zu vermeiden. Das wiederum erfordert eine perfekte Zusammenarbeit aller zur Verpackungslinie gehörenden Module. Also von Zuführ- und Schneideeinheiten über Wiegesysteme bis hin zu Versiegelungs- und Vereinzelungseinrichtungen.
Hier kommt die Multivac Line Control (MLC) als übergeordnete Steuerungseinheit ins Spiel. Sie koordiniert und steuert sämtliche Komponenten von Verpackungslinien und ermöglicht es, alle Parameter und Einzelschritte zu überwachen, zu protokollieren und auszuwerten. Das wiederum führt zu schnellen, präzisen, jederzeit reproduzierbaren und transparenten Prozessen. Angebunden an die kundenseitigen MES- oder ERP-Systeme erlauben die so gewonnenen Daten dem Management, den Materialeinsatz und die Materialbeschaffung zu optimieren und Wartungsmaßnahmen so zu planen, dass keine nennenswerten Produktionsunterbrechungen entstehen. Weiter übernimmt die MLC auch die Steuerung vorgelagerter Prozesse. So gibt sie beispielsweise je nach Auftrag die dazu erforderlichen Pack- und Hilfsstoffe vor und kontrolliert deren korrekte Bereitstellung. Gleichzeitig stellt sie die Anlage und alle Einzelmodule auf den nächsten Arbeitsschritt ein und weist den Mitarbeiter auf seine Aufgaben ein. Und da die MLC aufgrund der Vernetzung auch alle Daten von noch nicht vollständig aufgebrauchten Folienrollen im Packstofflager kennt, kann sie in Sekundenbruchteilen die Rolle auswählen, die für den jeweiligen Auftrag ausreicht. Das wiederum führt zu einer optimierten Lagerhaltung und hilft zu einem nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen.
Etiketten haben es in sich
Die in Balingen beheimatete Bizerba SE & Co. KG zählt international zu den Markt- und Technologieführern in Sachen Wäge-, Schneide- und Auszeichnungstechnologie (Etikettiertechnik). So klein und unscheinbar Etiketten auch sein mögen, sie üben mannigfaltige Funktionen aus, ohne die eine Produktion, Verpackung und Logistik im Sinne von Industrie 4.0 gar nicht zu realisieren wäre.
Indikator-Etiketten beispielsweise enthalten Zeit-Temperatur-Indikatoren (englisch: Time Temperature Indicator, kurz TTI), die dem Handel und Verbrauchern durch Farbänderungen anzeigen, ob die Kühlkette unterbrochen wurde. Damit stellen TTIs einen wesentlichen Beitrag zu mehr Lebensmittelsicherheit und Nachhaltigkeit dar.
Etiketten mit Bar-, Datamatrix- oder QR-Code informieren Handel und Verbraucher über die Art des Lebensmittels, dessen Ursprungsland oder Herkunftsort, die individuelle Serien- und Chargennummer sowie über Zutaten und Nährwertdeklarationen. Zum Einlesen der Informationen sind Scanner oder Digitalkameras sowie eine freie Sichtverbindung zwischen Etikett und Scanner erforderlich. Bei Etiketten mit RFID-Chips (Radio Frequency Identification) bestehen diese Einschränkungen nicht. Sie lassen sich an beliebiger Stelle von Verpackungen oder Warenträgern anbringen und vereinfachen so das gesamte Handling – sei es bei der Produktion und Verpackung oder bei Inventuren sowie dem Auffinden zurückgestellter palettierter Waren im Lager. RFIDs tragen als zentrale Bausteine von Industrie 4.0 auf elegante Weise zu mehr Sicherheit, Flexibilität und Nachhaltigkeit bei. Die interpack 2017 widmete dem Thema Industrie 4.0 in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) eine eigene Sonderschau.