
Für Inna Klumpp ist die ganzheitliche Prozessbetrachtung der größte Hebel, um im Serienprozess Energie zu sparen. (Bild: Redaktion)
Frau Klumpp, vor rund zwei Jahren hat Arburg den „Action Plan: Energy“ ins Leben gerufen. Was war der Hauptantrieb für Arburg, diesen zu initiieren?
Inna Klumpp: Der Startpunkt des „Action Plan: Energy“ lag zu der Zeit, als die Energiekosten exorbitant stiegen. Die Strompreise kletterten zeitweise auf 40 Cent pro Kilowattstunde, so dass wir die Kunststoffverarbeiter aktiv beim Energiesparen unterstützen wollten.
Wie wird die Beratungsleistung zur Energieeinsparung vom Markt angenommen?
Klumpp: Die Beratungsleistung zur Energieeinsparung wird von den Kunden sehr gut angenommen. Die Herausforderung besteht jedoch darin, die Dienstleistung überhaupt zu vermitteln, da sie im Gegensatz zu physischen Produkten wie Maschinen nicht direkt sichtbar oder greifbar ist. Die Interessenten müssen erst im Gespräch davon überzeugt werden, welchen Mehrwert eine solche Beratung bietet. Die größte Hürde liegt also darin, das Bewusstsein für die Existenz und den Nutzen einer Energieeffizienzberatung zu schaffen.
Haben sich die Unternehmen, die Sie besuchen, bereits zuvor mit dem Thema Energieeinsparung/-effizienz intensiv auseinandergesetzt?
Klumpp: Ja, die meisten Unternehmen haben sich bereits mit dem Thema Energieeinsparung und -effizienz auseinandergesetzt, da es heutzutage eine wichtige Rolle spielt. Wenn nicht die hohen Strompreise der Hauptgrund sind, dann ist es das Thema Nachhaltigkeit, das langfristig alle Unternehmen betrifft. Allerdings ist das Thema für viele Unternehmen noch relativ neu, weshalb sie oft externe Unterstützung in Anspruch nehmen. Gleichzeitig bringen einige Kunststoffverarbeiter fundiertes Wissen aus anderen Bereichen mit, wie beispielsweise Gebäudetechnik oder Wärmerückgewinnung. Wir sind dann der Ansprechpartner für eine fundierte Beratung für die Spritzgießmaschinen aus unserem Haus.

Können Sie erläutern, wie die umfassende Energieberatung abläuft und welche konkreten Maßnahmen daraus resultieren?
Klumpp: Die umfassende Energieberatung beginnt mit einem halbstündigen Kick-off-Gespräch per Videokonferenz, in dem das Beratungskonzept vorgestellt wird, so dass das Unternehmen genau weiß, was es erwartet. Wenn der Kunststoffverarbeiter zustimmt, erfolgt ein Vor-Ort-Besuch im Betrieb.
Dort wird eine zuvor ausgewählte Maschine einer detaillierten Analyse unterzogen. Der erste Schritt ist eine Energiemessung zum Erfassen des Ist-Zustands. Anschließend wird eine Prozessoptimierung durchgeführt, bei der verschiedene Parameter wie Zuhaltekraft, Dosierverhalten und Roboterbewegungen angepasst werden. Nach jeder Veränderung wird erneut gemessen, um die tatsächliche Energieeinsparung zu dokumentieren. Zudem erfolgt eine Zykluszeitoptimierung, um dadurch den spezifischen Energiebedarf zu senken.
Während der Energiemessungen, die jeweils 15 Minuten dauern, nutzen wir die Zeit, um im gesamten Betrieb nach weiteren Einsparpotenzialen zu suchen – insbesondere im Bereich der Druckluft-Leckagen, da diese sehr kostenintensiv sind.
Im abschließenden Feedbackgespräch wird die Dokumentation übergeben, die genau beschreibt, welche Maßnahmen durchgeführt wurden. Die analysierte Maschine soll dem Verarbeiter als Vorbild für die Optimierung weiterer Maschinen im Betrieb dienen.
Welche Rolle spielen digitale Produkte und Services in Ihrem Aktionsplan?
Klumpp: Außerhalb der Beratung profitieren Firmen von unseren digitalen Services, insbesondere innerhalb des Kundenportals, wo beispielsweise Maschinen-Upgrades vorgeschlagen werden, die zur Energieeinsparung beitragen. Diese Angebote – etwa für die Vollisolierung des Spritzgießzylinders oder der Austausch veralteter Motoren – werden gut angenommen. Wenn Kunden bereits über ein ALS-Leitrechnersystem oder Maschinen mit AES-Energiesparsystem für drehzahlgeregelte Motoren verfügen, können diese Daten in die Analyse mit einbezogen werden.
Ein weiterer Fortschritt ist die serienmäßige, kostenfreie Energieanzeige an den Maschinen, die erst kürzlich eingeführt wurde. Diese Neuerung stellt einen wichtigen Schritt in Richtung Zukunft dar, damit die Verarbeiter die Energieeffizienz kontinuierlich verbessern können.

Welche spezifischen Upgrades und Retrofits bieten Sie für bestehende Spritzgießmaschinen an, um deren Energieeffizienz zu steigern?
Klumpp: Für bestehende Spritzgießmaschinen gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Energieeffizienz durch Upgrades und Retrofits zu verbessern. Eine der einfachsten Maßnahmen ist die Zylindervollisolierung, die vergleichsweise kostengünstig ist. Sie reduziert Wärmeverluste beim Aufheizen sowie im Betrieb und trägt somit direkt zur Energieeinsparung bei. Ob eine Vollisolierung sinnvoll ist, hängt vom verarbeiteten Polymer ab und muss geprüft werden. Für ältere Maschinen, die vor 2011 gebaut wurden und noch mit IE1-Motoren ausgestattet sind, bietet sich ein Motortausch auf moderne IE3-Standards an. Durch dieses Upgrade mit energie-effizienten luft- und wassergekühlten Motoren der Wirkungsgradklasse IE3 lassen sich bis zu 10 % Energie sparen, was je nach Maschine einen Return of Invest (ROI) von nur 1,5 bis 2 Jahren bedeutet. Eine weitere Möglichkeit ist die Nachrüstung des Energiesparsystems (AES), das wirtschaftliches Arbeiten durch drehzahlgeregelte Motoren ermöglicht.
Können Kunststoffverarbeiter für das Umsetzen der Energiesparmaßnahmen oder eines Retrofits Fördermittel in Anspruch nehmen?
Klumpp: Aktuell sind die Maßnahmen leider nicht förderfähig. Bis wann sich eine solche Investition rechnet, kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Amortisation hängt von der Maschine sowie den Energiekosten und dem jeweiligen Prozess ab.

Gibt es bereits konkrete Kundenprojekte, in denen durch den „Action Plan: Energy“ signifikante Einsparungen erzielt wurden?
Klumpp: Wir haben seit dem Bestehen des Programms Energieberatungen an verschiedenen Allroundern, auf denen unterschiedlichste Produkte hergestellt werden, durchgeführt. Dabei haben wir die energetischen Prozesse und die Zykluszeiten optimiert sowie das Potenzial gemessen, das die Reduktion des spezifischen Energiebedarfs bietet. Daraus haben sich Einsparungen von durchschnittlich 2,3 und 7,7 beziehungsweise 6,8 Prozent ergeben. Erstaunt bin ich immer wieder aufs Neue über das Einsparpotenzial von Druckluft, denn diese ist ein sehr teures Medium. Deshalb ist es wichtig, regelmäßig zu überprüfen, ob Leckagen vorhanden sind.
Sie bieten für Neumaschinen an, bei deren Abnahme den Energieverbrauch zu ermitteln. Hierfür gibt es drei Pakete – „Basic“, „Extended“, „Complete“. Welche Werte umfassen die Pakete und wie kann der Kunststoffverarbeiter diese Werte nutzen?
Klumpp: Wenn ein Unternehmen eine Maschine bei uns kauft, dann kann es eine Energiemessung für den Allrounder inklusive Werkzeug erhalten. Paket „Basic“ umfasst die Verbrauchswerte der Spritzgießmaschine, „Extended“ schließt die Peripherie mit ein und bei „Complete“ kommen noch die Verbrauchmessung von Wasser und Druckluft hinzu. Die ermittelten Werte können beispielsweise für ISO-Zertifizierungen verwendet werden oder auch zum Abgleich, wenn die Maschine in der Serienproduktion betrieben wurde und der Verarbeiter die Werte selbst überprüft. Unabhängig von den Paketen, bekommt der Verarbeiter an der Steuerung den aktuellen Energieverbrauch angezeigt.
Das ALS bietet unter anderem die Möglichkeit, aus dem betriebenen Maschinenpark die für den Auftrag geeignetste Maschine hinsichtlich Zykluszeit oder Energiebedarf auszuwählen. Auf den Technologie-Tagen 2025 wurden weitere digitale Features in Bezug auf die Energieeffizienz vorgestellt. Welche Möglichkeiten bieten diese?
Klumpp: Wir zeigten auf den Technologie-Tagen das ALS-Zusatzmodul Energy Visualization für die auftragsbezogene Zuordnung und Visualisierung von Energiedaten. Besonders Betriebe, die nach ISO 50001 zertifiziert sind, müssen hohe Anforderungen bei ihrem Energiemanagement einhalten. Ein wichtiger Bestandteil sind detaillierte und fortlaufende Energiemessungen, um genau zu ermitteln, wo im Fertigungsprozess wie viel Energie eingesetzt beziehungsweise verbraucht wird. Die erfassten Werte können vom Leitrechnersystem in auftrags- und artikelbezogenen Reports ausgewertet werden. Die Daten werden durch eine externe Hardware oder einen Energiezähler erfasst, der als Maschinenoption erhältlich ist.
Wie unterstützen Ihre Schulungsangebote die Kunststoffverarbeiter dabei, energieeffizienter zu produzieren, und welche Inhalte werden dabei vermittelt?
Klumpp: Wir bieten inhouse oder vor Ort das Informationsseminar „Energieeffizienz“, bei dem das Thema ganzheitlich beleuchtet wird. Hierbei werden Werkzeug, Werkstoff, Maschine und der Prozess intensiv betrachtet. Der Tag ist in Theorie und Praxis zweigeteilt. Beim Praxisteil wird an der Spritzgießmaschine eine Energiemessung durchgeführt. Anschließend werden Parameter verändert und erneut gemessen, um die Unterschiede im Verbrauch darzustellen.
Welche ist für Sie persönlich die wichtigste Maßnahme, um Energie zu sparen?
Klumpp: Die wichtigste Maßnahme ist für mich eine ganzheitliche Prozessbetrachtung – von der Maschinenauswahl bis hin zum Energiemanagement während der Produktion. Bereits bei der Anschaffung einer Maschine sollte darauf geachtet werden, welche Technologie gewählt wird, da dies einen erheblichen Einfluss auf den Energieverbrauch hat. Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Werkzeugauslegung, da sie die Effizienz des Produktionsprozesses maßgeblich beeinflusst. Ebenso spielt die Wahl des Kunststoffmaterials eine Rolle, da verschiedene Kunststoffe unterschiedliche Energieanforderungen mit sich bringen. Darüber hinaus darf das Spitzenlastmanagement nicht vernachlässigt werden. Werden beispielsweise mehrere Maschinen gleichzeitig hochgefahren, kann dies den Strompreis erheblich negativ beeinflussen, da sich dieser an den Verbrauchsspitzen orientiert. Selbst wenn vollelektrische Maschinen genutzt werden, führt ein unkontrolliertes Hochfahren zu vermeidbaren Mehrkosten.
Das Interview führte Simone Fischer, verantwortliche Redakteurin beim Fachmagazin PLASTVERARBEITER