
Oni-Gründer Wolfgang Oehm steht vor der mit dem VDI-Förderpreis ausgezeichneten Studie eines Hochleistungs-Eisspeichers. (Bild: Redaktion)
In vielen Industriebereichen lässt der Begriff „Spitzenleistung“ so manchem Betriebsleiter oder Firmenchef die Haare zu Berge stehen. Beispielsweise im Bereich der Energieversorgung, wenn es um Stromspitzen oder Leistungsspitzen in der Gasversorgung geht. Mit einem Energiemanagementsystem kann man schon einen Großteil der Probleme erledigen. Was kann man jedoch tun, wenn man wegen einem Chargenbetrieb nicht permanent, aber immer wiederkehrend mit großen Lastspitzen zu kämpfen hat? In solchen Fällen hätte man gerne so etwas wie einen Spitzensportler an seiner Seite, der auf Knopfdruck seine Höchstleistung abrufen kann und Probleme erst gar nicht aufkommen lässt. Eine Lösung für die Praxis ist eine Art Batteriespeicher. Wie in vielen anderen Lebensbereichen ist es jedoch auch hier wichtig, wie effizient und leistungsstark ein solches System ist, wenn es darauf ankommt.
Wie beeinflussen Lastspitzen die Energiekosten?
Im Bereich der Energieversorgung überprüft der jeweilige Versorger den zeitlichen Verlauf des Energieverbrauches über Leistungszähler kontinuierlich und nimmt den in einem Zeitintervall, zum Beispiel 15 Minuten, erreichten Spitzenwert als Grundlage für die Berechnung des Leistungspreises. Solange sich die Verbrauchswerte beziehungsweise die Lastabnahmen im verabredeten Korridor bewegen, können beide Seiten, Versorger und Abnehmer, entspannt bleiben.
In vielen Betrieben ergeben sich allerdings immer wieder einmal Betriebssituationen, die zu teils massiven Überschreitungen der vereinbarten Leistungsgrenzen führen. Beispielsweise in Betrieben, die nach einem Wochenende am Montagmorgen all ihre Maschinen anfahren müssen. Im Bereich der Kunststoffverarbeitung werden dabei Spitzenwerte abgerufen, die um das Doppelte und Dreifache höher liegen als die vereinbarte Leistungsgrenze. Im Bereich der Gasversorgung ergeben sich solche überproportional hohen Spitzen bei Schmelz-, Härte oder Schichtbetrieben. Die Überschreitung der vereinbarten Maximalleistung wird von Energieversorgern mit horrenden Preisaufschlägen regelrecht bestraft. Für den Betreiber resultieren im Ernstfall daraus in einem Jahr Mehrkosten von mehreren 10.000 Euro. Die Begründung für diese Verfahrensweise ist allerdings bei sachlicher Betrachtung nachvollziehbar. Auch der Energieversorger schließt Lieferverträge mit Vorlieferanten ab, um eine sichere Energieversorgung all seiner Kunden sicherstellen zu können. Überschreitet er, bedingt durch nicht kalkuliert hohe Verbräuche seiner Kunden, seine vereinbarten Abnahmegrenzen, wird er ebenfalls kostenmäßig bestraft und gibt diese außerordentlichen Belastungen schlicht und ergreifend an den Verursacher weiter. In der Folge wird dem Endkunden eine saftige Nachberechnung präsentiert, durch die so manches Betriebsergebnis versalzen wird. Aus diesem Grund tut man sehr viel dafür, dass diese Spitzen erst gar nicht entstehen, und installiert dafür Fachleute und Software, um die Energieströme zu vergleichmäßigen. Mit anderen Worten: Man installiert beispielsweise ein kluges Energiemanagement.
Auch kurzfristige Leistungsspitzen handhaben
Was macht man aber, wenn in der Produktion, beispielsweise durch einen Chargenbetrieb, nur ein- oder mehrmals am Tag über relativ kurze Zeit eine Leistungsspitze von Nöten ist, die nicht durch ein Lastmanagement abzufedern ist? Beispielsweise im Bereich der Kühlenergieversorgung. Grundsätzlich bliebe nichts anderes übrig, als eine für die hohe Kühlleistung erforderliche Systemtechnik zu installieren. Je nach gefordertem Temperaturniveau reicht das Spektrum vom Kühlturm oder Freikühler bis zur Kältemaschine. Bei einem geforderten Temperaturniveau von 10, 15 oder 20 °C, das auch im Sommer zuverlässig zu Spitzenzeiten zur Verfügung stehen soll, bliebe im ersten Ansatz nur die Installation von Kältemaschinentechnik. Dummerweise hat man dann gleich zwei Problematiken am Start. Zum einen braucht man dafür installierte Maschinenleistung, die nur durch hohe Investitionen zu bewerkstelligen ist. Damit kann man in Zeiten hoher Bedarfe zwar die Leistung bereitstellen, in der übrigen Zeit steht die Maschinentechnik aber mehr oder weniger nur nutzlos herum. Die zweite Problematik, die auch bei Einhaltung des Normalbetriebs anstehenden hohen Bereitstellungskosten, bleibt trotzdem erhalten.
Eine Lösung für solch eine Problematik ist die Installation eines so genannten Eisspeichers. Im Grunde genommen ist der Eisspeicher nichts anderes als eine Kühlenergiebatterie, die ihre Leistung bei Bedarf abgibt und in einer Zeit, in der nur eine geringe Kühlleistung erforderlich ist, durch eine Kältemaschine wieder aufgeladen wird. Das hört sich im ersten Ansatz recht simpel an, ist jedoch unter Berücksichtigung von Effizienz und Leistungsfähigkeit im Spitzenlastfall nicht ganz so einfach umzusetzen. Die Effizienz eines Eisspeichers entscheidet wesentlich über die Sinnhaftigkeit eines Einsatzes. Der konstruktive Aufbau muss so optimal ausgeführt werden, dass in kürzester Zeit hohe Kühlleistungen abgerufen und in relativ kurzer Zeit wieder abgespeichert werden können.
Wie funktioniert der Eisspeicher?
Für den Batterieeffekt eines Eisspeichers macht man sich schlicht und ergreifend die physikalische Eigenschaft von Wasser oder eines Wasser-Glykol-Gemisches zunutze. Kühlt man ein Wasser bis in den Grenzbereich von 0 °C ab und will es zu Eis werden lassen, muss man, ohne dass eine weitere, messbare Abkühlung stattfindet, Kühlenergie zuführen bis das Wasser komplett erstarrt ist. Die dafür erforderliche Energiemenge nennt man auch Erstarrungswärme. Exakt die gleiche Energiemenge ist dann erforderlich, wenn man den Prozess rückwärtslaufen lässt. Auch hier wird, unter Berücksichtigung homogener Bedingungen, erst dann eine Temperaturänderung messbar, wenn das Eis komplett aufgeschmolzen ist.
Das Funktionsprinzip eines Eisspeichers beruht also darauf, die Energiemenge, die für den Phasenwechsel von flüssig in fest (Eis), auch als Erstarrungswärme bezeichnet, notwendig ist, in umgekehrter Reihenfolge bei Bedarf in kurzer Zeit wieder zur Verfügung zu stellen. Die Energiemenge, die für diesen Phasenwechsel gebraucht wird, ist erheblich. Beispielsweise ist dafür bei Einsatz von Wasser eine Energiemenge erforderlich, die eine Temperaturänderung von 0 °C auf 80 °C bewirkt. Bei einem im Hausgebrauch verwendeten Kühlakku kommt es nicht auf die schnelle Verfügbarkeit der Gesamtleistung an, sondern vielmehr auf den möglichst langanhaltenden Kühleffekt mit geringer Leistung. Aus diesem Grund lässt man die Flüssigkeit in einem Kühlakku über einen längeren Zeitraum hinweg erstarren und kann gut damit leben, dass das vereiste Medium langsam wieder auftaut und dabei die Wärme der zu kühlenden Masse aufnimmt.
Wie bleibt ein Eisspeicher flexibel und effizient nutzbar?
Im industriellen Prozess kommt es jedoch darauf an, kurzfristig anstehende Spitzenlasten in der Kühlenergieversorgung abrufen zu können. Das wäre über einen Eisspeicher, dessen Speichermedium völlig erstarrt wäre, nicht möglich. Es braucht ein Medium, das einerseits die Nutzung der Erstarrungswärme möglich macht, andererseits aber fließfähig bleibt, um eine kontinuierliche Wärmeübertragung sicherzustellen. Es braucht daher eine abgewandelte Form der reinen Eis-Phase, ein Wasser-Eis-Gemisch, ähnlich einem Sorbet. Eiskristalle und flüssiges Wasser bilden eine dickflüssige aber noch fließfähige Pulpe.
Dieses Gemisch muss dickflüssig und in Bewegung bleiben, um für einen Wärmeaustausch an Übertragungsflächen eine gute Ausgangssituation zu haben. Letztendlich geht es darum, an einer statischen Austauscherfläche eine möglichst hohe Wärmeübertragungsleistung zu erzielen. Aus der vorangegangenen Beschreibung lässt sich jetzt relativ einfach verdeutlichen, wie der Eisspeicher aufgebaut ist. Seine wesentlichen Komponenten sind die Speicherhülle, der Wärmeaustauscher und ein Energiemanagementsystem. Die Speicherhülle nimmt das Wasser, beziehungsweise das Wasser-Eis-Gemisch auf. Darin eingesetzt wird eine Wärmeaustauscherfläche aus Rohrmaterial, welches im Rohr das Medium führt, das als Energielieferant für den Kühlprozess in der Fertigung dient und gleichzeitig dazu dient, die Kühlenergie anzuliefern, die für die Wiederaufladung des Eisspeichers notwendig ist. Das Energiemanagementsystem sorgt für die geordnete Entladung beziehungsweise Beladung des Eisspeichers.
Welche Erkenntnisse lieferte die Studie?
Auf der Fakuma 2024 ausgestellt wurde erstmals von der Firma Oni-Wärmetrafo eine mit dem VDI-Förderpreis ausgezeichnete Studie eines Hochleistungs-Eisspeichers, die von einem sich im dualen Studium befindenden Mitarbeiter entwickelt und gebaut wurde. In dieser Studie wurden verschiedene Bereiche des Eisspeicher-Systems beleuchtet und einer Bewertung unterzogen. Das Spektrum reichte von einem optimierten konstruktiven Aufbau zur Effizienzverbesserung bis zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung solcher Systeme im industriellen Einsatz. Neben der konstruktiven Gestaltung der Wärmeaustauscherfläche, deren Anordnung und der Werkstoffwahl ist der durchschnittliche Wärmeübergangskoeffizient im äußeren Bereich der Wärmeübertragungsfläche ein Faktor von entscheidender Bedeutung für die Leistungsfähigkeit des Eisspeichers und damit auch für die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes. Dieser Wert beeinflusst unmittelbar die Entladezeit bei definierter Leistung und in der Folge auch die Ladezeit des Speichers.
Der Eisspeicher soll letztendlich in einem definierten Zeitfenster eine bestimmte Kühlleistung zur Verfügung stellen. Um den Speicher möglichst klein auslegen zu können, muss der konstruktive Aufbau von Behälter und Heizfläche, sowie deren Anordnung strömungstechnisch optimiert werden. Darüber hinaus muss durch unterstützende Maßnahmen dafür gesorgt werden, dass der Wärmeübergangskoeffizient an der Wärmetauscherfläche auf der Eis-Wasser-Seite einen höchstmöglichen Wert erzielt. Die Studie hat sehr anschaulich verdeutlichen können, wie stark der Einfluss gezielter Maßnahmen auf den Wirkungsgrad des Eisspeichers in den verschiedenen Betriebszuständen ist. So konnte durch das Einblasen von Luft in das Eiswasser, in unmittelbarer Umgebung der Wärmetauscherfläche, eine signifikante Verbesserung des Entladungswirkungsgrades erzielt werden.