Alexander Reitz, Teamleiter bei Prezero Sustainable Packaging

Was ist zukunftsfähig im Verpackungsmarkt? Alexander Reitz ist Teamleiter bei Prezero Sustainable Packaging. (Bild: Prezero)

Das Sustainable Packaging Optimization Tool (SPOT) von Prezero berücksichtigt für die Bewertung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen neben Material und Verpackungsgestaltung auch die Entsorgungsstrukturen aller EU-Länder. Es führt den jeweiligen CO2-Fußabdruck sowie die damit relevanten Kosten wie Kunststoffsteuern, Lizenzentgelte und Littering-Fonds länderspezifisch auf und lässt damit einen Vergleich auf EU-Ebene zu. Mithilfe des Tools können die diversen Verpackungsvarianten detailliert verglichen werden, um darauf Handlungsempfehlungen abzuleiten. Ziel ist die Optimierung des eigenen Portfolios einschließlich eines effizienten Datenmanagements. Um die 300 Nutzer zählt das Tool aktuell, das weiterentwickelt werden und künftig externe Berater überflüssig machen soll.

neue verpackung: Herr Reitz, seit einigen Wochen stehen die Inhalte der neuen PPWR (Packaging and Packaging Waste Regulation) fest. Wie gut sind die Hersteller bereits vorbereitet?

Alexander Reitz: Das ist von Unternehmen zu Unternehmen recht unterschiedlich. Es gibt bereits große Firmen wie beispielsweise Procter & Gamble, die sich zeitig darauf eingestellt und entsprechende Strukturen entwickelt haben. Aber in der Breite, vor allem bei mittelständischen Unternehmen, ist das Vorbereitungsniveau schlecht. Wir sehen das an den vielen nicht-recyclingfähigen Verpackungen, die noch verkauft werden oder an der Rezyklat-Einsatzquote, die noch weit unter der von der PPWR-vorgegebenen Quote liegt. Es geht dabei nicht nur um technische Fragen, sondern auch um organisatorische Veränderungen, die notwendig werden. Als Unternehmen muss man messen, steuern und berichten können. Wenn die PPWR für Unternehmen nicht zum Bürokratiemonster werden soll, müssen sie die komplexen Datenmengen effizient digitalisieren. Es reicht allerdings nicht, Excel-Tabellen von A nach B zu verschicken. Hier braucht es ein ordentliches Tool.

neue verpackung: Warum? Ist es Desinteresse? Fehlt es an Ressourcen?

Alexander Reitz: Der Hauptgrund: Im Verpackungsbereich gibt es viele neue Anforderungen. Die spezifischen Inhalte wurden aber erst spät definiert. Unternehmen konnten sich deshalb nur eingeschränkt vorbereiten. Früher wurde das Produkt eingekauft und die Verpackung kam dazu. Heute wird das Thema Verpackung auf eine komplett neue Ebene gestellt und ist gerade mit Blick auf Nachhaltigkeit ein entscheidungsrelevanter Faktor.

neue verpackung: Prezero bietet mit SPOT ein kostenloses digitales Tool an, mit dem Verpackungen optimiert werden können. Was war die Intention dafür?

Alexander Reitz: Die Anforderungen an Verpackungen sind stark im Wandel: Gesetzliche Vorgaben werden immer komplexer, strenger und sind mit steigenden Zusatzabgaben auf bestimmte Verpackungsmaterialien und -arten verbunden. Nicht alle Unternehmen sind aktuell auf diese Anforderungen vorbereitet. Mit unserem Tool wollen wir Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette befähigen, die wichtigsten Daten im Kontext von Nachhaltigkeit, Verpackungen sowie Kosten zu erheben, zu nutzen und zu reporten.

 

Packaging Cockpit
Bei Bedarf gibt es zusätzliche Beratungsleistungen zum kostenlosen Tool. (Bild: Prezero)

neue verpackung: Was heißt das genau?

Alexander Reitz: Als Unternehmen muss ich wissen, welche Informationen ich von meinen Geschäftspartnern einholen muss. Welche Daten muss ich tracken? Welche KPIs muss ich daraus ableiten, um sie gegebenenfalls anderen Akteure weitergeben zu können? Darüber hinaus wollten wir ein Tool anbieten, das Unternehmen bei der gesamtheitlichen Optimierung von Verpackungsnachhaltigkeit unterstützt. Deshalb fokussieren wir uns mit SPOT nicht nur auf die Recyclingfähigkeit von Verpackungen, das tun schon genügend andere Tools, sondern auch auf die Ökobilanz.

neue verpackung: Für die Bewertung der Recyclingfähigkeit berücksichtigen Sie neben Material und Verpackungsgestaltung auch die Entsorgungsstrukturen aller EU-Länder.

Alexander Reitz: Korrekt. Was als recyclingfähig gilt, wird von Land zu Land unterschiedlich bewertet. Uns bei Prezero war es daher wichtig, eine internationale Vergleichbarkeit zu schaffen, vor allem für Unternehmen, die in mehreren Ländern aufgestellt sind und für den jeweiligen Markt die optimale Verpackung brauchen. Zwar wird die PPWR zu mehr Standardisierungen führen, aber inwiefern es zu einem EU-einheitlichen Recyclingfähigkeitsstandard kommt, ist noch offen.

neue verpackung: Mit welchen Daten arbeiten Sie?

Alexander Reitz: Entwickelt wurde das Tool von der österreichischen Firma Packaging Cockpit, die aus dem Beratungsunternehmen Circular Analytics entstanden ist. Sie sorgt dafür, dass die Berechnungsgrundlagen immer auf dem neuesten Stand bleiben. Das eigentliche Framework ist die Circularity Design Guideline, die unter anderem für die World Packaging Organisation (WPO) entworfen wurde. Für die WPO wurde auch ein Waste Stream Mapping für 30 Länder erarbeitet, welche zusammen mit weiteren Forschungen von Packaging Cockpit eine wichtige Grundlage für SPOT darstellt.

neue verpackung: Werden Kosten wie Kunststoffsteuern, EPR und Lizenzentgelte im Tool berücksichtigt?

Alexander Reitz: Natürlich. Gebühren für die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) in Ländern mit staatlichem Monopolsystem zu erfassen, ist relativ einfach. Aber in Ländern mit mehreren Dualen Systemen wie Polen oder Deutschland ist es deutlich schwerer, einen Marktpreis zu berechnen. Da arbeitet Packaging Cockpit mit Expertenschätzungen, die jährlich aktualisiert werden. Auch Eco-Modulation, also wenn Entgelte mit der Recyclingfähigkeit verknüpft werden, ist ein wichtiges Thema. Viele Länder planen dies einzuführen. Mit der PPWR wird es verpflichtend. Aber es gibt aktuell noch keine einheitliche Vorgehensweise. Unser Ziel ist, alle relevanten Daten dafür flächendeckend im Tool zu haben. Auch dass der Einweg-Kunststofffonds und alle Kunststoffsteuern abgebildet werden. Das ist enorm wichtig. Die Verpackungsgesetzgebung ist unfassbar komplex. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie das ein kleines mittelständisches Unternehmen mit vielleicht zwei Mitarbeitenden in der Verpackungsabteilung leisten kann.

neue verpackung: Und der Datenschutz ist garantiert?

Alexander Reitz: Die Daten werden auf Servern gespeichert, die in Österreich stehen und von einem österreichischen Host betrieben werden. Packaging Cockpit garantiert die Sicherheit. Die Daten gehören allein dem Anwender. Wir haben da keinerlei Einsicht oder gar Zugriff.

neue verpackung: Wo sehen Sie noch Optimierungsbedarf bei Ihrem Tool?

Alexander Reitz: Das große Thema ist Ökobilanzierung. Aktuell wird der Carbon Footprint in SPOT mithilfe von Industrie-Standarddaten berechnet. Wir nutzen dafür beispielsweise die anerkannte Datenbank Ecoinvent 3.8. Unser Ziel ist es aber, über unser Tool auch auf den Kunden zugeschnittene Ökobilanzen berechnen zu können. Dann wird zum Beispiel berücksichtigt, wenn ein Unternehmen einen Teil der Energie von seiner Photovoltaik-Anlage bezieht oder wenn neue Maschinen einen geringeren CO2-Fußabdruck haben. Wenn wir dazu in der Lage sind, sparen sich Nutzer jede Menge Zeit und Beratungskosten. Darüber hinaus arbeiten wir an der IT-Integration. Sehr viele Unternehmen pflegen Daten via SAP oder in ähnlichen Systemen. Diese Bestandsdaten müssen wir für eine SPOT-Berechnung integrieren können.

neue verpackung; Auf welcher Basis arbeitet Prezero mit Packaging Cockpit zusammen?

Alexander Reitz: Prezero und Packaging Cockpit sind Knowhow- und Kooperationspartner. Prezero ist kein Investor und hält keine Anteile. Wir unterstützen hier vor allem bei der strategischen Weiterentwicklung sowie bei der Vermarktung und dem Vertrieb. Ziel für uns ist es, kostendeckend zu arbeiten. Dafür gibt es einen klaren Business Case: Prezero wird am Umsatz durch Upselling-Module beteiligt. Dazu zählen beispielsweise das Erstellen von Recyclingfähigkeits-Zertifikaten. Diese werden im Rahmen der Green Claim Directive immer wichtiger. Auf Grundlage der SPOT-Ergebnisse bieten wir Unternehmen auch Workshops zur Verbesserung der Nachhaltigkeit ihrer Verpackungen an. Das erste Feedback dazu ist bereits sehr positiv.

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