Umfrage zum Koalitionsvertrag bei Verbänden

Tendenz Hoffnung

Symbolbild Koalitionsvertrag
Nach 45 Tagen ausgehandelt: der Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot.

Schneller als von vielen Menschen erwartet, haben die Koalitionäre Union sowie SPD den vertraglichen Rahmen für ihre Regierungsarbeit präsentiert. Doch nicht alle Unternehmen und Branchen sind begeistert. Wir haben in der Verpackungswelt nachbefragt.

Seit wenigen Tagen steht er, der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Auf 147 Seiten finden sich etliche Themen, die für die Verpackungsindustrie von Relevanz, teils sehr großer Relevanz sind. Zu nennen ist hier die Stärkung des Recyclings unter anderem durch die Reformierung des 21 Verpackungsgesetz und eine praktikable Umsetzung der EU-Verpackungsverordnung. Oder der neue Regulierungsansatz bei der Überarbeitung der EU- Chemikalienverordnung Reach. So gut wie alle betrifft ein leidiges Dauerthema: Bürokratie. Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen nun verkürzt werden. Zudem wird es einen Investitions-Booster in Form einer degressiven Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen von 30 % in den Jahren 2025, 2026 und 2027 geben. Viele Unternehmen dürften zudem von der Einführung des Industriestrompreises profitieren.

Nicht alle geplanten Maßnahmen wurden bislang von den Wirtschaftsverbänden begrüßt. Vieles sei zu vage formuliert, lautet ein immer wieder angeführter Kritikpunkt. Wir haben bei Verbänden und Organisationen in der Verpackungsbranche nachgefragt. Und erste Stimmen eingeholt.

Natalie Brandenburg
Dr. Natalie Brandenburg, Geschäftsführerin des Deutschen Verpackungsinstituts e. V. (dvi)Wie bewerten Sie den Koalitionsvertrag mit Blick auf Ihren Verband?Das Deutsche Verpackungsinstitut vertritt material- und branchenübergreifend die gesamte Wertschöpfungskette der Verpackungswirtschaft. Sicherlich positiv sind für unsere Mitgliedsunternehmen Aspekte wie beispielsweise der Bürokratieabbau, insbesondere auch das Vorhaben, die PPWR praktikabel umzusetzen, der „Investitions-Booster“ in Form einer degressiven Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen oder die Entlastungen durch das Strompreispaket. Wesentlich ist jedoch, dass die Themen zeitnah, praxisorientiert und im Austausch mit der Wirtschaft umgesetzt werden.Was fehlt Ihnen?Dass Verpackung nicht nur umweltpolitisch, sondern auch gesamtwirtschaftlich gedacht wird. Die Verpackungswirtschaft ist als sechstgrößte Branche bedeutend für den Wirtschaftsstandort Deutschland und spielt auch international eine führende Rolle. Verpackungen treiben Wachstum, Handel und Wohlstand. Sie schützen unsere Güter, bewahren Lebensmittel und sind ein kritischer Teil der Infrastruktur zur Versorgung der Menschen und Unternehmen unseres Landes. Dabei zeigt unsere Branche beispielhaft, wie ökonomische und ökologische Interessen Hand in Hand gehen können.Was hat Sie positiv überrascht?Dass die Parteien innerhalb relativ kurzer Zeit zueinandergefunden haben.Vorausgesetzt, der Koalitionsvertrag wird entsprechend umgesetzt: Kann er der kränkelnden Wirtschaft die nötigen Wachstumsimpulse geben?Planungssicherheit ist heute mehr denn je ein wichtiger Faktor und Strukturreformen sind dringend notwendig. Die Verpackungswirtschaft ist leistungsstark und innovationsfreudig. Es ist immer gut, wenn wir uns auf unsere Stärken konzentrieren können: Innovationen schaffen, Bedürfnisse verstehen und Lösungen finden.
Dr. Christine Bunte
Dr. Christine Bunte, Hauptgeschäftsführerin von Plastics Europe DeutschlandWie bewerten Sie den Koalitionsvertrag mit Blick auf Ihren Verband?Plastics Europe Deutschland, der Verband der Kunststofferzeuger, bewertet den Koalitionsvertrag grundsätzlich positiv. Viele wichtige Forderungen der Industrie wurden aufgegriffen. Der Vertrag ist ein Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Deutschland und in Zeiten historischer Herausforderungen ein guter Startpunkt für die Zusammenarbeit mit der neuen Bundesregierung. Das klare Bekenntnis zu vereinfachten Genehmigungsverfahren und einer 1:1-Umsetzung europäischer Gesetze ist ein großer Fortschritt für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Denn für eine zukunftsfähige Industriepolitik ist es elementar, dass bürokratischer Aufwand effizient und zielgerichtet erfolgt und Genehmigungsverfahren zügig bearbeitet werden. Auch für eine wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft, etwa durch verbindliche Marktanreize für Rezyklate, senden die Parteien wichtige Signale. So wird chemisches Recycling unterstützt, eine Revision von 21 des Verpackungsgesetzes angestrebt und die EU-Verpackungsverordnung soll praktikabel umgesetzt werden. Auf Basis der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) ist ein Eckpunktepapier mit diesen und weiteren Sofortmaßnahmen geplant. Gerne werden wir uns als Verband bei der Erarbeitung dieses Papiers von Anfang an konstruktiv mit unserer Expertise einbringen.Was fehlt Ihnen?Im Bereich der Forschungsförderung sieht Plastics Europe Deutschland noch Verbesserungsbedarf. Der Transfer von Forschung zur Anwendung ist auch in der Chemie von höchster Relevanz für die Wettbewerbsfähigkeit. So gilt es, neue Recyclingtechnologien schneller zur Marktreife zu bringen und zügig zu skalieren. Entsprechende Förderprogramme, etwa für Pilotanlagen und Demonstrationsprojekte, sieht der Koalitionsbetrag jedoch nicht vor, obwohl die Chemie als Schlüsselindustrie für Wohlstand und Wertschöpfung in unserem Land anerkannt wird. Doch wie der Forschungstransfer konkret in die Anwendung kommen und Arbeitsplätze gesichert werden sollen, dazu finden sich keine konkreten Aussagen. Um unseren Industriestandort zu sichern, braucht es Planungssicherheit sowie umfassende und entschlossene Reformen. Die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen sind ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Daher zählt einmal mehr: jetzt kommt es auf die Umsetzung an!Was hat Sie positiv überrascht?Positiv überrascht hat uns die Schnelligkeit, mit der die Koalitionäre sich geeinigt haben. Es ist ein gutes Zeichen, dass die neue Regierung schnell ins Handeln kommen möchte, um zügig konkrete Ergebnisse vorweisen zu können. Positiv überrascht haben uns die sehr umfassenden und überzeugenden Passagen zum Thema Bürokratieabbau und schnellere Genehmigungen.Vorausgesetzt, der Koalitionsvertrag wird entsprechend umgesetzt: Kann er der kränkelnden Wirtschaft die nötigen Wachstumsimpulse geben?Mit den hier angesprochenen Punkten würde die Koalition auf jeden Fall wichtige Wachstumsimpulse senden. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von weiteren Grundlagen, um wieder Wachstum zu ermöglichen: Bezahlbarer Strom, eine risikobasierte Chemiekalienpolitik ohne neue Verbotswellen oder auch eine Bildungspolitik mit stärkerem MINT-Fokus. Und ganz wichtig ist: Deutschland muss sich auf europäischer Ebene viel stärker und sehr viel entschiedener für wettbewerbsfähige Regulierungen einsetzen und mit einer starken Stimme sprechen.