Konsumenten sehen sich heutzutage einer regelrecht erschlagenden Vielfalt und damit Auswahl ausgesetzt. Wohl jeder, der schon einmal in einem größeren Supermarkt einkaufen war, weiß, was es bedeutet, die „Qual der Wahl" zu haben. Weshalb es für Markenartikler regelrecht überlebenswichtig wird, sich positiv von der Konkurrenz abzuheben. Die Frage, wie das gelingen kann, beantwortete Florian Constabel, Creative Area Manager Nordic, Wipak Walsrode, auf dem Packaging Summit mit dem Missing Link, dem Bindeglied zwischen dem klassischen Point of Sale am Ladenregal auf der einen und digitalen Medien beziehungsweise Services auf der anderen Seite. Und dieses Bindeglied ist – natürlich – die Verpackung. Denn schon lange schützt sie nicht nur das Produkt, sondern kommuniziert und entscheidet damit über Kauf und Nicht-Kauf.
Duschgel zum Selbstgestalten
Diese Ansprache kann mittels digitaler Technologien dabei immer individueller geschehen und dem Kunden damit den Eindruck vermitteln: Das ist für mich. „Auf diese Weise entsteht ein Bezug zum Produkt. Was dazu führt, dass ich beim nächsten Mal eher wieder zu dieser Marke greife", erklärt Constabel. Als Beispiel seien hier die Flaschen von Coca-Cola genannt, bei denen der eigentliche Produktname durch verschiedene Personennamen ersetzt wurde. Neben dieser scheinbaren, ermöglichen andere Unternehmen den Kunden aber auch mittlerweile eine richtige Individualisierung: Im Onlineshop der dm-Drogeriekette ist es beispielsweise möglich, sich via Drag & Drop das Etikett seiner Duschgel-Flasche zusammenzustellen und schicken zu lassen.
Andere Markenartikler beziehen ihre Kunden nicht nur in das Verpackungsdesign mit ein, sondern kreieren auf Basis von Onlineumfragen auch Variationen des eigentlichen Produktes. So entstand aus einem Wettbewerb, ausgerufen von Ritter Sport und Facebook, die kurzzeitig erhältliche Geschmackssorte „Einhorn" – einzelne Tafeln davon werden mittlerweile zu einem Vielfachen des ursprünglichen Einkaufspreises auf Ebay versteigert.
Individualisierung und Nachhaltigkeit vereint
Solche Klein- und Kleinstauflagen lassen sich inzwischen zwar technisch realisieren, befinden sich aber im Konflikt mit einem weiteren Konsumentenwunsch: Produkte, und das schließt ihre Verpackung mit ein, sollen möglichst nachhaltig sein. Variantenvielfalt innerhalb einzelner Produktlinien führt mit der bisherigen Technik allerdings nicht nur zu hohen (Lager-)Kosten, sondern aufgrund ihrer Anlaufzeiten auch zu viel Abfall. Im Bereich der Verbundfolie müsste man sogar sagen: zu hochtechnisiertem Abfall. Um also die beiden Trends, dem Streben nach Individualisierung und der Forderung nach Nachhaltigkeit, in Einklang zu bringen, entwickelte Wipak eine neue Drucktechnologie.
Das Konzept: digitaler Inkjet-Druck für individualisierte Verpackungen. Was für den Betreiber bedeutet, dass keine Kosten für Zylinder oder Druckplatten entstehen. Gleichzeitig erzeugt das Unternehmen so keine Restmengen, auch Mindestbestellmengen sind theoretisch ein Relikt der Vergangenheit. „Gleich der erste Meter ist ein guter Meter", kommentiert Constabel. Zusätzlich setzt Wipak auf den Einsatz von FSC-zertifiziertem Papier, wodurch sich die Umweltbilanz noch weiter verbessert. Am letzten Schritt, dem Einsatz kompostierbarer Folien, arbeitet das Unternehmen derzeit ebenfalls. „Allerdings gibt es hier aktuell noch starke Einschränkungen in der Verarbeitung", schließt Constabel.
Das „geheime" Media-Budget
Früher war vielleicht nicht alles besser, aber vieles einfacher. Die Verpackung beispielsweise hatte eine (vergleichsweise) simple Aufgabe: den Schutz des Inhalts. Im Tante-Emma-Laden um die Ecke wurde die Ware in aller Regel verpackt angeliefert und dann portioniert – und unverpackt – an den Kunden abgegeben. „Heute, in Zeiten, in denen Supermärkte teilweise viele 10.000 verschiedene Artikel anbieten, tobt eine regelrechte Schlacht am kalten Regal. Hier fällt der Verpackung eine entscheidende Rolle zu. Denn sie ist es, die die Identifikation der Ware ermöglicht", kommentiert Roland Rex vom Branchenverband Pro Carton. Das Produkt muss sich also über die Verpackung präsentieren und den Konsumenten vom Kauf überzeugen. Wodurch Rex auch direkt zur Kernaussage seines Vortrags auf dem Packaging Summit gelangt: Verpackungen stellen mittlerweile ein „geheimes" Media-Budget dar – das viele Unternehmen schlicht nicht nutzen.
Kleiner Ausflug in die Theorie: Eine Verpackung ist nicht nur physikalisch betrachtet ein Objekt mit drei Dimensionen, sondern auch aus Perspektive des Marketings. Die drei Dimensionen lauten:
- Die Verpackung soll Werte schaffen und den Abverkauf stärken.
- Sie soll Produkt, Konsument und Umwelt schützen.
- Sie soll Kommunikation ermöglichen.
Der letzte Punkt beziehungsweise die dritte Dimension ist heutzutage der wichtigste Aspekt, den es bei der Entwicklung moderner Verpackungen zu beachten gilt. Dabei geht es laut Rex nicht einfach darum, Informationen zu entwickeln, sondern Kommunikation zwischen Anbieter und Kunde herzustellen. „Kommunikation ist DIE Zukunftsdimension der Verpackung", unterstreicht Rex. Leider schafft es die Verpackung aktuell nicht, die aus Markensicht richtige Botschaft zu transportieren, in der Wahrnehmung vieler Konsumenten ist Verpackung gleichzusetzen mit Verpackungsmüll. Dabei haben Verpackungen eine sinnvolle Funktion; unabhängig vom Packmittel. Diese Funktion gibt der Verpackung auch einen Wert. Die Frage aber, wie hoch dieser Wert ist, konnte bisher niemand beantworten. Anlass genug für Pro Carton, dem zusammen mit einer Reihe von Partnern auf den Grund zu gehen – es war die Geburt der Touchpoint-Studie.
Media-Äquivalenzwert: fünf Millionen Euro
Verglichen wurden 23 Vertriebskanäle im Hinblick auf zehn verschiedene Kriterien. Das wichtigste Kriterium aus Sicht von Markenartiklern war dabei natürlich der Wiederholungskauf. Am Ende stand die Erkenntnis: Verpackungen sind wahre Vertriebswunder, denn sie wirken gleich an zwei Stellen. Erstmalig am Point of Sale, also im Geschäft. Und dann zuhause.
Je nachdem, welches Produkt in der Verpackung steckt, unterscheidet sich dabei die Gewichtung: Pralinen beispielsweise haben ihre meisten Kontakte im Geschäft. Cerealien-Verpackungen hingegen punkten an der Heimatfront: fünf Kontakte im Geschäft, 80 zuhause. Bei einer (fiktiven) Beispielrechnung kommt eine Cornflakes-Schachtel bei zehn Millionen Einheiten so auf einen Media-Äquivalenzwert von knapp fünf Millionen Euro. „Markenartiklern sollten Verpackungen also viel wert sein. Sind sie aber nicht", zieht Rex Bilanz.
Mobile First – für Verpackungen
Auch für Claudia Rivinius, Marketing Director STI Group, sind Verpackung und Marke untrennbar miteinander verbunden. Und das gilt nicht nur am kalten Regal, sondern auch in Onlineshops – dem Zero Moment of Trouth – ist es wichtig, die Verpackung zu zeigen. Denn auch hier spielt der Wiedererkennungswert eine große Rolle. „Am Fallbeispiel Spinat wird das schnell klar, schließlich sieht das verkaufte Produkt immer gleich aus; unabhängig vom Hersteller", erklärt Rivinius.
Es möge wie ein Oxymoron klingen, aber aus dem oben beschriebenen Beispiel folgend, sollten Hersteller Verpackungen künftig nach einem Online- beziehungsweise Mobile-first-Prinzip gestaltet sein. Das heißt: Packungen müssen wie eine Website designed werden, also einen Fokus auf die absolut fundamentalen Informationen haben. Die Packung muss am Point of Sale, egal ob dieser nun in der Online- oder Offline-Welt liegt, unabhängig von unterstützenden Informationsgebern, alle für den Käufer wichtigen Fakten kommunizieren.
Zuhause angekommen, können beispielsweise über das Smartphone abrufbare Online-Extras das Unboxing-Erlebnis noch einmal aufwerten – und dann natürlich animieren, dass der Käufer dieses Erlebnis auch auf seinen eigenen Social-Media-Kanälen verbreitet.
Manchmal ist weniger mehr (Absatz)
Oder um ein ganz konkretes Beispiel zu nennen: Procter & Gambel setzte für die weboptimierte Gestaltung seiner Teeschachtel-Verpackung der Marke Tips auf das Clean-label-Prinzip. Und profitierte damit geleichzeitig in der virtuellen als auch der physischen Welt. Denn das aufgeräumte Design war aufgrund seiner guten Lesbarkeit nicht nur für mobile Endgeräte mit kleinen Bildschirmen optimiert, sondern hob sich auch im Ladenregal von Teebeutel-Verpackungen anderer Markenartikler ab – also der klassische First Moment of Truth. Manch ein Markenartikler fährt hier auch eine zweigleisige Strategie und lässt eine Verpackung für den klassischen Point of Sale entwickeln – und eine für den Auftritt im Onlineshop.
Aber auch für den Second Moment of Truth daheim rüsten die Hersteller ihre Verpackung für das digitale Zeitalter auf, sodass diese dann in den heimischen vier Wänden des Konsumenten wieder in die Online-Welt zurückspiegeln können. Beispielsweise wenn die Reisverpackung den Käufer via QR-Code die Supply-Chain einsehen lässt, oder Allergikern Auskunft über kritische Inhaltsstoffe gibt.
Zur Veranstaltung
Der Packaging Summit
Am 14. März 2018 veranstalteten die Zeitschriften „neue verpackung" und „werben & verkaufen", den ersten Packaging Summit im Hochhaus des Süddeutschen Verlages. Unter den Referenten fanden sich Vertreter gewichtiger Markenartikler, wie dm und Mymüsli, aber auch Lösungsanbieter, wie Wipak Walsrode, die STI Group sowie Eilken Brand Building & Packaging Experts, kamen zu Wort. Themen und Referenten waren gut gewählt, und so konnte der Packaging Summit gleich zur Premiere mehr als 80 Teilnehmer verzeichnen, die die Möglichkeit zur Diskussion mit den Referenten und auch untereinander in den Pausen rege nutzten. Die Rückmeldungen von Referenten und Teilnehmern waren so positiv, dass heute bereits eines feststeht: Anfang April 2019 findet der Packaging Summit erneut statt. Mehr unter www.packagingsummit.de.