Schlüsselakteur im Transformationsprozess
Verpackungsmaschinenbau als „Enabler“ der Circular Economy
Auf der Packaging Machinery Conference 2025 in München zeigte Matthias Giebel, Partner bei Berndt+Partner Consultants, wie Maschinenbauer aktiv zur Transformation der Branche beitragen können – und dabei eine neue, strategischere Rolle einnehmen.
Mit dem Green Deal hatte sich die Europäische Union das Ziel gesetzt, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Die Verpackungswirtschaft spielt darin eine Schlüsselrolle. Im Zentrum steht dabei die Circular Economy, die laut Giebel von der EU explizit als „Geschäftsmodell“ verstanden wird – und nicht nur als Umweltmaßnahme.
Mit dem Clean Industrial Deal, dem weiterentwickelten Industrieprogramm der EU, wird diese Strategie nun konkretisiert:
- Über 100 Mrd. Euro an Fördergeldern sollen für saubere industrielle Fertigung bereitgestellt werden.
- Der Markt für Remanufacturing in Europa wird bis 2030 auf 100 Mrd. Euro geschätzt.
- Die Initiative soll 500.000 neue Arbeitsplätze schaffen.
PPWR: Ein europäisches Projekt mit globaler Strahlkraft
Die PPWR (Packaging and Packaging Waste Regulation) ersetzt die seit 1994 bestehende Verpackungsrichtlinie. Sie enthält umfassende Vorgaben zur Vermeidung, Gestaltung und Wiederverwendung von Verpackungen. Und: Ihre Auswirkungen sind global.
„Die PPWR wird gerade in vielen Teilen der Welt kopiert“, sagte Giebel. In Indien etwa gilt ab 2024 für bestimmte Kunststoffkategorien eine Rezyklateinsatzquote von 30 % – mehr als die EU bis 2030 fordert. Auch Kalifornien und Kanada setzen auf vergleichbare Ansätze.
Was die PPWR konkret bedeutet
Giebel gliederte die Herausforderungen für Unternehmen in drei zentrale Themenbereiche:
- Reduktion und Designanforderungen
- Verbot von überflüssigen Umverpackungen wie z. B. Kunststoff-Multipacks
- Leerraumbegrenzung: z. B. maximal 30 % Kopfraum in flexiblen Verpackungen
- Beispiele wie Bahlsen (Umstellung von Shrinkfolien auf Faltschachteln) zeigen, dass bereits erste Anpassungen im Markt stattfinden
- Recyclingfähigkeit
- Aluminiumverbunde, beispielsweise in Standbeuteln, gelten als nicht recyclingfähig
- Monomaterialien wie BoPP/PE-Kombinationen sind dagegen bevorzugt
- Wer künftig nicht mindestens 80 % eines Polyolefins in der Gesamtstruktur verwendet, wird mit schlechteren Recyclinggraden rechnen müssen
- Rezyklatpflicht
- Für Kunststoffverpackungen mit Lebensmittelkontakt gilt ab 2030 ein Mindestrezyklatanteil von 10 % (außer bei PET)
- Problem: Im Bereich PE und PP beträgt die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage den Faktor 5
- Bedarf 2021: 1,6 Mio. t
- Bedarf 2030: über 6 Mio. t
Was heißt das für Verpackungsmaschinenbauer?
Matthias Giebel macht deutlich: Ohne maschinentechnische Umsetzung bleibt jede Verpackungsstrategie nur ein Plan. „Die Rezyklierbarkeit oder Klimafreundlichkeit einer Verpackung erfordert meist den Umstieg von Multilayern auf Monomaterialien – was wiederum höhere Materialkosten und umfassende Anpassungen bestehender Maschinen nach sich zieht.“
Ein Beispiel aus der Praxis zeigt die Dimension dieser Umstellungen:
Ein Molkereiunternehmen, das auf recyclingfähige Materialien umstellte, musste zunächst einen Leistungsrückgang um 50 % auf seinen Linien hinnehmen. Erst nach mehreren Monaten Tests wurde ein akzeptables Niveau von 80 % Leistung erreicht.
Partner im Transformationsprozess
Da viele Markenartikler mit steigender Komplexität und Fachkräftemangel kämpfen, entstehen neue Anforderungen an ihre Maschinenlieferanten. Giebel sieht darin eine große Chance für den Maschinenbau:
„Die Verpackungsentwickler stehen unter Druck – weniger Personal, mehr Aufgaben. Wer als Maschinenbauer dabei hilft, diese neuen Materialien zum Laufen zu bringen, wird zum Schlüsselakteur.“
Berndt+Partner hat gemeinsam mit dem Maschinenbauer Schubert deshalb das Packaging Competence Center gegründet. Es bietet:
- Beratung zur PPWR-Konformität
- Designentwicklung nach den „Golden Design Rules“
- Materialauswahl auf Basis einer unabhängigen Datenbank
- Anpassung der Verpackungstechnik und Produktionsparameter
Das Konzept: Kunden erhalten von der regulatorischen Prüfung bis zur Inbetriebnahme einer neuen Linie alles aus einer Hand – modular, partnerschaftlich und anwendungsnah.
Globale Standards verstärken den Trend
Zusätzlichen Druck machen internationale Plattformen wie das Consumer Goods Forum, dem über 400 Unternehmen angehören. Deren „Golden Design Rules“ verlangen unter anderem:
- max. 30 % Kopfraum bei flexiblen Verpackungen
- Ausschluss problematischer Materialien
- Verpflichtende Rezyklierfähigkeit nach internationalen Standards
Diese freiwilligen Standards dürften nach Einschätzung von Giebel bald auch in EU-Delegated Acts übernommen werden – als de facto Pflichtrahmen.
Fazit: Neue Rollen, neue Geschäftsmodelle
Der Vortrag von Matthias Giebel lässt keinen Zweifel: Die Verpackungswirtschaft steht vor tiefgreifenden Umbrüchen. Maschinenbauer, die jetzt reagieren, können sich neu positionieren – nicht nur als Technologieanbieter, sondern als Partner für Compliance und Nachhaltigkeit.
Wer in der Lage ist, Design for Recycling und Maschinenintegration gemeinsam zu denken, wird künftig gefragt sein – und kann sich neue Geschäftsmodelle erschließen.
„Innovation entsteht nicht mehr nur im Labor – sie entsteht an der Schnittstelle zwischen Regulierung und Umsetzung. Und der Maschinenbau steht genau an dieser Schnittstelle.“