So gesehen keine einfache Aufgabe, die namhafte Laminatdrucker an die Produktentwicklung der Gallus Ferd. Rüesch AG stellten. Einen Teil der Lösungen für die komplexe Aufgabenstellung konnte der Druckmaschinenhersteller aus den Ergebnissen eines anderen Entwicklungsprojektes übernehmen. Denn auf Faltschachteln, bei denen Vollflächen über die Farbkanten hinausgehen, treten vergleichbare Anforderungen an die Flexibilität von UV-Inkjet-Farben wie bei Tubenlaminaten auf. Die Herausforderung liegt darin, zu verhindern, dass der UV-Inkjet-Farbfilm bei mechanischer Beanspruchung bricht. Lange Zeit ließ sich der Bruch des spröden Farbfilms nur dadurch vermeiden, dass Vollflächen, die über die Verarbeitungskanten hinausgehen, notgedrungen im Verpackungsdesign vermieden wurden.
Entwicklung einer flexiblen UV-Inkjet-Farbe
Aus diesem Grund startete Gallus Anfang 2019 zusammen mit einem Markenhersteller das Projekt „Flexible UV-Inkjet-Ink“ für den Faltschachteldruck. Das aufwendige Entwicklungsprojekt beanspruchte mit allen Entwicklungsschritten einschließlich der Eignungsprüfungen und der sechsmonatigen Qualifizierung der Farbe einen Zeitraum von drei Jahren. Für die Produktqualifizierung druckte der Markenartikler über 900 km Kartonbahn auf einer Gallus Labelfire 340 und stellte daraus circa 8 Mio. Zuschnitte her.
Die Anforderungskriterien im Druck bestanden in der vollständigen Durchhärtung des Farbfilms bei einer Druckgeschwindigkeit von 70 m/min und einem kratzfesten, flexiblen Farbfilm. Vollflächig bedruckte Zuschnitte mussten sich beim Packer-Test mit 1.000 Verpackungen pro Minute ohne Farbbruch verarbeiten lassen. Zudem musste die UV-Inkjet-Druckfarbe das Sensorik-Testprogramm im Tabakbereich bestehen und alle Anforderungen im Regulatory Compliance & Toxical Assessment erfüllen. Das beinhaltete die Zusammensetzung der UV-Inkjet-Farbe nach Swiss Ordinance Anforderungen, den Reach Konformitätstest für Chemikalien, die Anforderungen der ROHS-Richtlinie 2011/65EU sowie die EUPIA-Ausschlussliste für definierte Rohstoffe als auch den Nachweis der Freiheit von Stoffen mit karzinogener, mutagener oder reproduktionstoxischer Wirkung. Das im Projekt entwickelte UV-Inkjet-Farbsystem mit dem Produktnamen „UVF01“ bestand die Tests und ist seit Beginn dieses Jahres für die kommerzielle Produktion in den Faltschachtelproduktion des Markenartiklers freigegeben. Damit waren die Voraussetzungen gegeben, die Ergebnisse flexibler UV-Inkjet-Farben aus dem Faltschachteldruck in den Lösungsansatz für Tubenlaminate zu übertragen.
Modifikationen des Druckmaschinensystems
Für den Einsatz des UVF01-Farbsystems waren Modifikationen an der Gallus Labelfire 340 erforderlich. Sie betrafen die Trocknungstechnologie sowie die Bahnführung. Letztere musste auf möglichst kurze Bahnwege für das kostenintensive Substrat ausgelegt werden.
Bei der Strahlungs-Trocknung schlug Gallus neue Wege ein. In der Ausführung der Gallus Labelfire für das flexible UV-Tintensystem ersetzen UV-LED Härtungssysteme die bislang eingesetzten Quecksilberdampflampen. Der Vorteil der UV-LED-Technologie besteht darin, dass die Energie durch die hohe Intensität der UV-A-Strahlen besser in die Farbschichten eindringt und zu einer gleichmäßigeren Aushärtung führt. Durch hohe Intensität der UV-LEDs kann auf den Einsatz von Boostern zur Trocknungsverstärkung verzichtet werden. So lässt sich das temperaturempfindliche Tubenlaminat ohne Hitzeeinwirkungen verarbeiten. Für die schnelle und vollständige Aushärtung des Farbfilms kommt zudem Inertgas zum Einsatz. Die Vernetzung des Farbfilms in den Inertkammern erfolgt unter Ausschluss von Sauerstoff, der durch Stickstoff in den abgedichteten Kammern ersetzt wird. Der Sauerstoffgehalt in den Inert-Kammern wird permanent von Sensoren erfasst und liegt unter 500 ppm. Die erzielte Steigerung bei der Härtungsleistung als auch die Reaktivität der Photoinitiatoren bewirken eine vollständige Durchhärtung des Farbfilms bei einer Druckgeschwindigkeit von 70 m/min. Zudem wird eine gute Haftung der Farbe auf dem Substrat ohne den Einsatz von Primern erreicht.
Das Maschinen-Layout der modular aufgebauten Gallus Labelfire „Tube-Edition“ folgte der Prämisse, den Bahnweg in der Maschine so kurz wie möglich zu halten. Darum kommt anstatt des Doppel-Aufwicklers nur ein einfacher Aufwickler zum Einsatz.
Bei der Auswahl der Flexodruck-Druckwerke griff man auf die Gallus-ECS-Baureihe zurück. Der Vorteil dieser Druckwerke liegt vor allem darin, dass sie einen ultrakurzen Bahnlauf von nur 1,1 m von Druckspalt zu Druckspalt besitzen, wodurch der Makulatur-Anfall während dem Einrichten und der Produktion deutlich reduziert wird. Bei den hohen Materialkosten der Tubenlaminate ist dies ein wesentlicher Faktor, der zu einer hohen Rentabilität im Druckprozess beiträgt. So wurde erreicht, dass der Bahnweg zwischen Ab- und Aufwicklung bei der Tube-Edition nur circa 25 m beträgt, bei einer vergleichbaren Maschine für den Tubenlaminat-Druck sind dies circa 80 m. Zudem ermöglichen die servoangetriebenen Gallus-ECS-Druckwerke eine maximale Substrat-Flexibilität beim Einsatz unterschiedlicher Stärken von Laminaten. Das Maschinenlayout der Gallus Labelfire Tube-Edition zeigt die zentral angeordnete UV-Inkjet-Digitaldruckeinheit DEU mit einem vorgelagerten und einem nachgelagerten Flexodruckwerk. Die Anordnung vereint hohe Druckqualität im Digitaldruck mit den Kostenvorteilen des Flexodrucks auch bei Motiven mit hoher Farbdeckung. Das vorgelagerte Druckwerk dient dabei zum Auftrag von Schmuckfarben, Kaltfolie oder einem Primer (falls doch erforderlich), das nachgelagerte zum vollflächigen Auftrag des Schutzlackes. Auf Anwenderwunsch kann das digitale Produktionssystem auch um eine weitere Kaltfolieneinheit ergänzt werden.
Vergleich digital und konventionell gedruckter Tuben
Nachdem das Maschinenkonzept und die Farbserie zur Verfügung standen, bestand der nächste Projektschritt in einem praxisbezogenen Vergleich digital und konventionell bedruckter Tuben. Er ermöglichte eine Aussage darüber, ob oder inwieweit Unterschiede zwischen den Ausführungen anhand definierter Qualitätskriterien erkennbar sind. Dazu brachte die Firma Permapack ihre Druck-Expertise im Laminatdruck in das Projekt ein und erstellte die konventionell gedruckten Tubenmuster. Sie wurden auf einer Gallus RCS 330 gedruckt, als Benchmark für den Digitaldruck und die gemeinsame Beurteilung mit Gallus. Die digitalen Vergleichsmuster wurden auf einer Gallus Labelfire 340 gedruckt, die im industriellen Einsatz läuft und mit der UVF01-Inkjet-Serie und modifizierter Trockner-Technologie ausgestattet ist. Die Auswahl der Designs für den Benchmark als auch die unterschiedlichen Tubenlaminate erfolgten nach markttypischen Anforderungen.
Die Testergebnisse mit der UVF01-Inkjet-Farbe zeigten bei den überwiegend im Markt eingesetzten Tubenlaminaten PBL und ABL sowie auch auf dem Papier-Laminat gute Ergebnisse über alle Echtheits-Anforderungen hinweg: Die Bewertungen zeigen ausschließlich Ergebnisse im Bereich „1-sehr gut“.
„Bei den Tests konnten wir feststellen, dass die Haftung und Flexibilität der neuen flexiblen UV-Inkjet-Tinte gute Werte aufweist. Das digital bedruckte Tubenmaterial ließ sich genauso weiterverarbeiten wie herkömmlich bedrucktes Material“, beschreibt Günther Forster, Leiter Prepress, Business Unit Druck Product Manager Kosmetik bei Permapack, die Auswertung der Testergebnisse. Einzig das digital bedruckte PP Laminat, das im Markt jedoch nur in sehr geringem Umfang eingesetzt wird, weist beim Aging Test eine Abweichung auf, sodass hier Druckbedingungen als auch Inkjet-Farbe noch etwas modifiziert werden müssen.
Fazit
Die Gallus Labelfire Tube-Edition zusammen mit der flexiblen UVF01-Inkjet-Farbe präsentiert sich als Alternative zum rein konventionellen Tubendruck. Durch die hohe native Auflösung von 1.200 x 1.200 dpi kann der Digitaldruck bei der Druckqualität punkten, indem er die üblicherweise im 54er-Raster gedruckten Motive im Flexodruck qualitativ übertrifft.
Neben der Druckqualität ist die Wirtschaftlichkeit eines Produktionssystems das entscheidende Kriterium für seinen industriellen Einsatz. Hier trifft das Maschinensystem auf eine Marktsituation, in der die Auflagenhöhen im Tubenmarkt rückläufig sind. Da kleine bis mittlere Auflagenhöhen eine Stärke des Digitaldrucks sind, kann es auch hier seine Stärken unter Beweis stellen. Eine Break-even-Analyse der Kosten der Druckmuster aus dem Druckvergleich zeigt, dass die digital-konventionell gedruckten Auflagen bis zu einer Auflagenhöhe von circa 5.000 lfm kostengünstiger herzustellen sind als rein konventionell gedruckte Tuben. Das entspricht bei einer Standard-Tube von 200 ml in etwa einer Stückzahl von 53.000 Tuben und gilt als eine durchschnittliche Auflagenhöhe im Tubendruck.