
Das Spektrum an Behältern und Gefäßen aus Faserguss, das für den Einsatz als Lebensmittelverpackung gedacht ist, beeindruckt. (Bild: Papacks)
Der junge Mann ist nicht zu bremsen. Mit einem Griff nimmt Tahsin Dag die kleine weiße Dose in die Hand und hebt sie stolz in die Linse der Webcam. Die Form kommt einem bekannt vor. Doch an was erinnert die etwa 10 cm hohe Dose genau? Der Gründer und CEO von Papacks löst das Rätsel auf. Sie entspricht genau der Form der Kunststoffdose, mit der Wrigley seit 2006 seine Kaugummidragees als „Wrigley’s Extra“ verkauft. Mit Riesenerfolg.
Nur gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen der beliebten Plastikbox der amerikanischen Marke und der ungebrandeten Lösung in Dags Hand: Zwar besteht die Dosenverpackung seit geraumer Zeit aus 30 % aus recyceltem Polyethylenterephthalat (PET), aber umweltfreundlich ist die Verpackung für die Kaugummidragees deswegen nicht. Im Gegensatz zu Dags Dose. Sie besteht aus 100 % Faserguss.
Dieser wird aus Altpapier, auch kombiniert mit Frischfaser oder nachwachsenden Rohstoffen wie Hanf hergestellt. Er eignet sich für Lebensmittelverpackungen, gleichermaßen Eierkartons, Obstschalen, Kaffeekapseln, Snackschalen, wie für Schutzverpackungen beispielsweise für technische Geräte. Der große Vorteil: Faserguss-Verpackungen sind zu 100 % biologisch abbaubar und kompostierbar. Weitere Pluspunkte sind die Energieeffizienz, die Herstellung benötigt weniger Energie und Wasser im Vergleich zu Kunststoff oder Aluminium, und die Anpassungsfähigkeit des Materials. Individuelle Formgebung und Oberflächenveredelung sind möglich. Last but not least erfüllen sie die Vorgaben der neuen EU-weiten Verpackungsverordnung PPWR (Plastic Packaging Waste and Recycling).
Wie etablierte Kunststofflösungen
Tahsin Dag ist überzeugt: Seine Kaugummi-Dose kann ohne große Anpassungen in bestehende Abfüllanlagen integriert werden – und damit erheblich Kunststoff und CO₂ einsparen. Nicht nur, weil der eigene Faserguss neuesten Anforderungen entspricht, sondern auch, weil Papacks gezielt in spezialisierte Technologien investiert hat, um die Wandstärke sowie Barriereeigenschaften auf das Niveau etablierter Kunststofflösungen zu bringen. Nur ein Beispiel, das der quirlige Unternehmer präsentiert. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich förmlich diverse Behälter und Verpackungen – aus Faserguss. Bereit, mit Inhalten gefüllt zu werden.
Kompostierbare Kaffeekapseln
Aber weshalb wird so wenig Faserguss für Lebensmittelverpackungen eingesetzt? Weshalb dominieren weiter andere Materialien mit weitaus weniger positiven Umwelteigenschaften?
Der Hauptgrund für die begrenzte Verwendung von Faserguss bei Lebensmittelverpackungen lag lange Zeit in den Anforderungen an den Produktschutz. Fasergussverpackungen bieten von Natur aus keine ausreichenden Barriereeigenschaften gegen Feuchtigkeit, Sauerstoff und andere Faktoren, die die Haltbarkeit von Lebensmitteln beeinträchtigen können. Um diese Schutzfunktion zu gewährleisten, wurden sie bisher oft mit Kunststofffolien beschichtet, was wiederum ihre Recyclingfähigkeit beeinträchtigte. Doch das ist passé. Unternehmen wie Flatz und Papacks haben Lösungen entwickelt. Flatz beispielsweise arbeitet nach eigenen Angaben mit einer Technologie, die es ermöglicht, die strengen Barriere-Anforderungen unter anderem als Schutz gegen Sauerstoff, Feuchtigkeit, Gase, Licht und Aromen einzuhalten. So werden die gartenkompostierbaren Kaffee-Kapseln von Coffee-B in einer Faserguss-Verpackung von Flatz vertrieben. Darüber hinaus setzt das österreichische Unternehmen 87 % Recycling-Materialien und nur 13 % primäre Pflanzenfasern als nachwachsender Rohstoff für die Verpackungen ein. Ein durchaus beträchtlicher Teil davon sind eigene Stanzabfälle.

Leistungsstarke Barrieren
Papacks setzt dabei auf naturbasierte Beschichtungen, die Schutz vor Feuchtigkeit und Sauerstoffdurchlässigkeit bieten. Diese Eigenschaften sind im Lebensmittelbereich essenziell, um die Haltbarkeit und Qualität der Produkte zu sichern. Verpackungen müssen oft mehrere Wochen oder Monate lang Aromen bewahren, ohne an Frische zu verlieren. Laut Dag können seine Lösungen dies inzwischen leisten - nach rund 7 Jahren Forschungs- und Entwicklungsarbeit.
Allerdings erfordert die Umstellung auf Faserguss Investitionen in neue Maschinen und Produktionsprozesse. Davor sei die Industrie lange zurückgeschreckt, heißt es bei Papacks. Auch, weil nicht ausreichend Material zur Verfügung.

Volumeneffekte gewinnen zunehmend an Bedeutung, wodurch Preissensibilität eine geringere Rolle spielt
Wachstumsmarkt für Faserguss

Passé. Tahsin Dag beobachtet seit geraumer Zeit ein Umdenken. Führende Maschinenhersteller, die bislang auf traditionelle Kunststoffverarbeitung spezialisiert waren, hätten begonnen, ihre Produktion auf nachhaltige Alternativen auszurichten. Immer mehr Verpackungshersteller setzten auf Faserguss und rüsteten bestehende Linien um, um den steigenden Anforderungen an nachhaltige Lösungen gerecht zu werden.
Das größte Potenzial für Faserguss sieht Tahsin Dag im Food-Sektor. Der Unternehmer, der die Vereinigung EMPPA (European Moulded Pulp Prducers Association) ins Leben gerufen hat, geht von einem Plus in Höhe von weit mehr als 20 % in den kommenden Jahren für seine Branche aus. Von dieser Entwicklung wollen auch andere Anbieter profitieren, so Hartmann-Packaging. Das Unternehmen bringt eine Schale aus Faserguss auf den Markt, die unter anderem für die Verpackung von Fleisch geeignet ist und mit Folien verschlossen werden kann.
Indes: Noch hadern Faserguss-Lösungen für Lebensmittel mit dem Preis. Sie sind in der Regel nicht wettbewerbsfähig. Ein K.-o.-Kriterium. Gleichzeitig wächst der Druck aus Politik und Gesellschaft, nachhaltige Verpackungsalternativen voranzutreiben. Unternehmen setzen sich zunehmend mit ihrem ökologischen Fußabdruck auseinander – ein klares Signal für den verstärkten Einsatz von Faserguss. Tahsin Dag sieht in dieser Entwicklung enormes Potenzial für die Substitution von Glas und Kunststoff. „Wir haben die technischen Eigenschaften des Materials weiterentwickelt und neue Einsatzbereiche erschlossen. Gleichzeitig gewinnen Volumeneffekte zunehmend an Bedeutung, wodurch Preissensibilität eine geringere Rolle spielt.“
Der Papacks-Gründer geht davon aus, Faser aus industriellem Hanf künftig zu einem deutlich günstigeren Preis als beispielsweise Virgin Fiber anbieten zu können - in ausreichender Menge.
Kommunikative Offensive
Papacks hat mittlerweile drei Produktionsstätten aufgebaut und versucht über Lizenzen weitere Partner für die Fertigung zu gewinnen. Genug, um eine gewisse Verfügbarkeit garantieren und auch große Abnehmer bedienen zu können. Darüber hinaus hat der Faserguss-Spezialist in der Ukraine eine Anbaufläche von 5.000 ha erworben. Auf dem Gelände wird Industriehanf angebaut. Die Pflanze kann bis zu dreimal im Jahr geerntet werden und liefert um die 160.000 t Biomasse, heißt es bei Papacks. Hinzu kämen noch die Fasern aus Anbau in Deutschland. „Wir starten in Kürze eine Kampagne, die der Industrie zeigt, wie der Wechsel von Kunststoff auf funktionierende, nachhaltigere Lösungen gelingt – verständlich, praxisnah und mit einer klaren Perspektive für die Zukunft“, gibt sich Tahsin Dag kämpferisch.
Dass es funktioniert, kann der umtriebige Unternehmer belegen. Beispiele? Papacks hat gemeinsam mit dem White-Label-Hersteller Euro-Caps eine kompostierbare Kaffeekapsel entwickelt, hergestellt aus nachwachsenden, FSC-zertifizierten Rohstoffen. Die innovativen ölbeständigen und wasserresistenten faserbasierten Kapseln können problemlos in den gängigen Kapsel-Kaffeemaschinen verwendet werden und dürfen nach Gebrauch auf den Gartenkompost.
Davon abgesehen produziert Papacks Poucher für Kautabak. Eine Cannabis-Verpackung aus Hanf kommt demnächst in den Handel. Bäckereien nutzen Gärschalen aus Faserguss für die Brotherstellung. Ein Eishersteller in den Niederlanden verpackt sein Eis in Papacks-Verpackungen. Ein renommierter Hersteller von Senf hat einen Transportbehälter für seine Tuben aus Faserguss im Einsatz. Darüber hinaus, sagt Dag, gäbe es eine Reihe Gespräche mit Großabnehmern, darunter einem aus der Systemgastronomie.