Prof. Dr. Dirk Burth, Hochschule München

Prof. Dr. Dirk Burth, (Bild: Hochschule München)

neue verpackung: Herr Prof. Burth, mit SPOC, dem „Verpackungsrechner“, haben Sie eine Softwarelösung entwickelt, mit der sich die CO2-Emissionen sowie der Energieverbrauch von Verpackungen berechnen lassen. Wie entstand die Idee für das Projekt?

Prof. Dr. Dirk Burth: Als das Thema „Nachhaltige Verpackung“ immer zentraler für die Verpackungsentwicklung wurde, hatte ich viele Gespräche mit Kollegen aus der Industrie. Alle wollten beitragen, Verpackungen nachhaltiger zu entwickeln, aber keiner wusste so richtig, was zu tun.
Damit entstand die Idee, ein spezifisches Berechnungstool für Verpackungen zu entwickeln, das die Nachhaltigkeit von Verpackungen für den Verpackungsentwickler quantifiziert und damit transparent macht.

Der Verpackungsrechner sollte sich auf die Verwendung der spezifischen Verpackungsmaterialien und Verpackungsprozesse fokussieren, um die Berechnungseingaben zu vereinfachen.
Das Tool sollte weiterhin helfen, Verpackungen an der richtigen Stelle zu optimieren, indem klar aufgezeigt wird, welche Verpackungskomponenten und Prozesse die Hauptverursacher der Umweltwirkungen sind.

Insgesamt war die Idee, ein für Verpackungsentwickler und Verpackungsverantwortliche leicht anwendbares und hilfreiches Tool zu entwickeln.

neue verpackung: Aus meinen Gesprächen mit Anbietern von Packmitteln habe ich mitgenommen, dass diese sich oft nicht trauen, das Thema Ökobilanz ins Kundengespräch zu nehmen, da die Komplexität dahinter oft zumindest eine Seite überfordert. Wie beherrschbar ist SPOC in der Bedienung für Anwender, die sich mit dem Thema Ökobilanz noch nicht zu tief auseinandergesetzt haben?

Burth: Den Verpackungsrechner SPOC zu bedienen ist jedem, der mit Verpackungen zu tun hat, in 15 bis 30 Minuten erklärt. Um zu erklären, was alles dahintersteckt, benötige ich 10 bis 15 Stunden.

Über das Thema Nachhaltigkeit von Verpackungen und Einflussfaktoren sind alle gute informiert. Wie die jeweiligen Einflussgrößen in Zahlen übertragen werden, dazu fehlt bisher noch weitgehend das Wissen. Es ist zwar tatsächlich komplex, was alles berücksichtigt werden muss und wie verschiedene Blickwinkel sich auf Berechnungen auswirken. Aber es ist mit einem „gesunden Menschenverstand“ für jeden verständlich und nachvollziehbar! Es ist keine Rocket-Science, bei der Sie mehrere Jahre Matrizen und Integrale lösen müssen, um überhaupt etwas zu verstehen. Die SPOC-Nutzer haben bisher alle an einem Seminar teilgenommen und wissen, was hinter SPOC steckt und was die berechneten Ergebnisse beinhalten.

Auch wenn die reinen Zahlenwerte aus einer Berechnung eine gute Grundlage sind, um eine Verpackungslösung einzuschätzen, wird jeder Interessierte entweder über die Zahlenwerte hinaus Fragen stellen oder er wird interessiert zuhören, um die Ergebnisse besser beurteilen zu können.

Daher bin ich überzeugt, bei dem aktuellen Tempo der Nachhaltigkeitsentwicklung im Verpackungsbereich, dass bereits in zwei Jahren Umweltdaten so selbstverständlich besprochen werden wie der Preis.

neue verpackung: Wer ist eigentlich der aus Ihrer Sicht typische Anwender des Verpackungsrechner? Markenartikler, die sich unabhängig über verschiedene Optionen informieren möchten, oder Packmittel-Hersteller, die die Ergebnisse in die Entwicklung neuer Lösungen einfließen lassen?

Burth: SPOC wird tatsächlich in verschiedenen Bereichen verwendet. Da ist zum einen der Verpackungsentwickler bei den Markenartiklern, besonders häufig aus dem Bereich Lebensmittel, der sich schnell orientieren möchte, ob ein neues Konzept aus Sicht der Nachhaltigkeit vielversprechend ist, und um mehrere Verpackungslösungen direkt miteinander vergleichen zu können.

Packstoff- und Packmittelhersteller haben SPOC ebenfalls im Einsatz. Vergleichbar zum Markenartikler dient SPOC zur Bewertung und der Weiterentwicklung der eigenen Produkte. Es ist bemerkbar, dass anfangs vor allem Firmen aus dem Kunststoff- und Folienbereich sich mit SPOC auseinandergesetzt haben, nun aber vermehrt auch Firmen mit faserbasierten Verpackungen.

Derzeit sind auch verstärkt Verpackungsretailer auf der Suche nach Bewertungsmöglichkeiten ihrer Verpackungen, da das Thema Nachhaltigkeit der Verpackungen immer mehr von Kundenseite nachgefragt wird. Für die Retailer ist aufgrund der vielen Produkte von Bedeutung, eine schnelle Berechnung durchführen zu können.

Die einheitliche Vergleichbarkeit von verschiedenen Verpackungsmaterialien ist bei Firmen mit einer großen Anzahl an beispielsweise technischen Produkten gefragt, die Daten von Zulieferern nicht einordnen können und daher ein eigenes Rechensystem nutzen möchten.

Verpackungsmaschinenbauer nutzen ebenfalls SPOC. Sie wollen vor allem erkennen, in welche Richtung wird sich der Verpackungsmarkt entwickeln. Ihre Fragestellungen sind, welche Verpackungslösungen werden sich langfristig durchsetzen und wie können sie von Maschinenseite ihre Kunden unterstützen.

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