Der Countdown für Einwegverpackungen, schwer recycelbare Verbundstoffe und umweltschädliche Kunststoffmaterialien läuft: Denn ab 2025 tritt die neue Verpackungsverordnung (EU-VerpackV) der Europäischen Union in Kraft. Die EU-Richtlinie „Packaging and Packaging Waste Regulations 94/92/EC“ (PPWR) zielt darauf ab, den Plastikmüll in Europa zu reduzieren und die Recyclingquote zu erhöhen. Denn die EU-Staaten haben ein seit Jahren wachsendes Problem mit Verpackungsabfällen: Pro Kopf kommen im Jahr auf jeden EU-Bürger und jede EU-Bürgerin rund 190 kg Verpackungsmüll. In Deutschland waren es 2021 laut dem Statistischen Bundesamt pro Kopf sogar 237 kg.
Schritte zu weniger Verpackungsabfall
Die EU-weite Neuregelung gibt nun gestaffelte Ziele für die Müllreduzierung vor: Im Vergleich zu 2018 sollen die Verpackungsabfälle in der EU bis 2030 um 5 % reduziert werden, bis 2035 um 10 % und bis 2040 um 15 %. Zudem werden die EU-Staaten dazu verpflichtet, den Verpackungsmüll aus Kunststoff zu reduzieren. Für Transport-, Verkaufs- und Umverpackungen gelten zudem strengere Recyclinganforderungen. So müssen Verpackungen künftig leichter in ihre verschiedenen Materialbestandteile zerlegbar sein, um das Recycling zu vereinfachen. Auch die Verwendung von recycelten Materialien in neuen Verpackungen wird gefördert, um den Kreislauf zu schließen und die Nachfrage nach Primärrohstoffen zu senken. Darüber hinaus müssen die Verpackungen so gekennzeichnet sein, dass Verbraucher leicht erkennen können, wie die Verpackung korrekt entsorgt werden soll, um eine hohe Sammel- und Recyclingquote zu ermöglichen. Insgesamt lautet das Ziel der Maßnahmen, dass bis 2030 alle Verpackungen recycelbar sind.
Anforderungen an Versand- und Produktverpackungen
Betroffen von der Neuregelung sind alle EU-ansässigen Unternehmen, die Verpackungen produzieren, einführen oder in Verkehr bringen. Dazu zählen neben Verpackungsproduzenten auch Onlinehändler oder Supermärkte. Auf die Prozesse dieser Unternehmen hat die PPWR mitunter einen erheblichen Einfluss. Für den Online-Versandhandel wird es in Zukunft beispielsweise darauf ankommen, den Leerraum in Verpackungen zu minimieren. Denn Produkte aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik beispielsweise werden oftmals in viel zu großen Kartons ausgeliefert. Der unnötige Leerraum wird dann mit Papier, Styropor oder Luftpolsterfolie ausgestattet, wodurch noch mehr Verpackungsmüll entsteht. Die Konsequenz: Künftig darf der Leerraum nur noch 50 % der Verpackung ausmachen. Versandunternehmen müssen sich darauf etwa mit flexibleren Verpackungen einstellen, die genauer zu den Größen der Produkte passen. Beim Füllmaterial müssen die Händler zudem auf nachhaltigere Materialien umsteigen.
Monomaterialien rücken in den Fokus
Auch auf die Verpackungen von Lebensmitteln, Körperpflege- und Pharmazieprodukten wird die neue Verpackungsverordnung eine große Auswirkung haben. Denn Verbundmaterialien aus Papier, Kunststoff oder Aluminium, wie sie in Getränkekartons, Kaffeeverpackungen, Zahnpastatuben oder Blisterverpackungen vorkommen, werden künftig durch leichter recycelbare Stoffe ersetzt werden müssen. In den Fokus rücken daher Monomaterialien, die die Recyclingfähigkeit erleichtern. Neben Verpackungslösungen aus Papier oder Glas können die betroffenen Unternehmen künftig etwa Kunststoffflaschen einsetzen, die vollständig aus Polyethylenterephthalat (PET) bestehen. In der Industrie und im Zuliefergeschäft haben die neuen Anforderungen Auswirkungen auf die Gestaltung und Nutzung von Transportverpackungen. Denn auch diese Verpackungen müssen höheren Recyclingstandards entsprechen und aus recycelten Materialien bestehen. Dies kann Anpassungen in Vertriebs-, Logistik- und Produktionsprozessen erfordern.
Wiederverwendbare Verpackungen im Trend
Vor allem Zulieferer in der Automobilindustrie verwenden für den Transport von Teilen große Mengen an Verpackung. Die nachhaltige Verpackungsgestaltung ist bei vielen Unternehmen in der Branche deshalb bereits auf dem Vormarsch. Gängige Praxis ist es beispielsweise, wiederverwendbare Verpackungen für den Versand von Elektronikkomponenten und Maschinenteilen zu verwenden. Diese Verpackungen werden nach Gebrauch zurückgeschickt, gereinigt und dann erneut verwendet, was die anfallende Abfallmenge erheblich reduziert.
Wichtig ist dabei die Qualität der Verpackungen und Behälter, da nur hochwertige Verpackungen länger haltbar sind und die Teile schützen. Ebenso übt sich die Automobilbranche darin, Kunststoff zu reduzieren. Anstelle von geschäumtem Kunststoff (EPP) kommen daher Textiltaschen oder Kissen zum Einsatz. Diese können zudem mehrfach und für verschiedene Teile genutzt werden, da sie anders als EPP-Formen nicht genau auf das Bauteil angepasst sind.
In der Elektronikindustrie achten Unternehmen ebenfalls stärker auf Nachhaltigkeit und steigen auf recycelbare Materialien für die Verpackung ihrer Produkte um. Und auch in der Chemiebranche wird an Verpackungslösungen gearbeitet, die aus recycelbaren Materialien bestehen und gleichzeitig die erforderlichen Sicherheitsanforderungen erfüllen.
Vor besonderen Herausforderungen steht die Pharmabranche. Denn die heute eingesetzten Primär- und Sekundärverpackungen sind das Ergebnis jahrelanger Entwicklung. Auf andere Materialien umzusteigen, ist auch aufgrund der komplexen Zulassung nicht ohne Weiteres möglich. Für die Branche gilt darum auch eine gelockerte Frist: Bis 2035 sollen 70 % der Verpackungen von Pharmaprodukten recyclingfähig sein. Für Verpackungsdienstleister ist es dennoch ratsam, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen.
Lieferketten überprüfen
Um der neuen Verpackungsverordnung gerecht zu werden, sollten betroffene Unternehmen zunächst ihre derzeitigen Verpackungsprozesse überprüfen und Bereiche mit Verbesserungspotenzial identifizieren. Bei diesem Schritt können Unternehmen Unterstützung bei externen Fachleuten einholen. Darüber hinaus ist es entscheidend, langfristig in Forschung und Entwicklung zu investieren, um möglicherweise selbst neue, nachhaltigere Verpackungslösungen zu entwickeln. Dies könnte den Einsatz innovativer Materialien umfassen, die sowohl den Recyclinganforderungen entsprechen als auch die erforderlichen Schutz- und Transportfunktionen erfüllen. Unternehmen sollten auch in der Lieferkette auf geschlossene Kreisläufe achten und gezielt Partnerschaften mit Lieferanten eingehen, die recycelte Materialien anbieten. Dies lässt sich durch langfristige Verträge und gemeinsame Entwicklungsprojekte umsetzen, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen und die Qualität der Materialien zu garantieren.
Auslöser für nachhaltige Geschäftsmodelle
Die Einführung der EU-VerpackV bringt zahlreiche Veränderungen und Anpassungen für Hersteller, Industrie und Handel mit sich. Langfristig bieten die geforderten Maßnahmen jedoch erhebliche ökologische und wirtschaftliche Vorteile. Indem Unternehmen die neuen Anforderungen erfüllen, können sie ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen und gleichzeitig ihre Ressourceneffizienz steigern, was zu Kosteneinsparungen führt. Die Verordnung könnte sich als Motor für technologische Innovationen und nachhaltige Geschäftsmodelle erweisen. Es ist absehbar, dass weitere Entwicklungen und Anpassungen in der Verpackungstechnologie folgen werden, um die Ziele der Kreislaufwirtschaft effektiver umzusetzen. Unternehmen, die sich proaktiv auf diese Veränderungen einstellen, werden langfristig wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger gegenüber regulatorischen und marktbedingten Veränderungen sein.