Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer Plastics Europe

Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer Plastics Europe (Bild: Plastics Europe)

neue verpackung: Herr Bühler, lassen Sie uns zu Beginn vielleicht einmal auf den aktuellen Stand der PPWR blicken: Welche Punkte können als gesetzt betrachtet werden und welche sind noch in der Diskussion?

Ingemar Bühler: Die PPWR ist ein beeindruckend vitales Bürokratie-Tier, das sich sehr dynamisch entwickelt. Die Zielsetzung war eigentlich eine sehr begrüßenswerte, aber die letzten Wochen über haben sich im Rahmen der Trilog-Verhandlungen Änderungen eingeschlichen, wie beispielsweise die Ausnahme von Rezyklateinsatzquoten für Verpackungen mit einem Kunststoffanteil, der weniger als fünf Prozent des Verpackungsgewichts ausmacht, die Vorschub für oft schwer verwertbare Faserverbundverpackungen leisten würden. Darüber hinaus zahlreiche ökologisch zweifelhafte Verbote für Kunststoffverpackungen sowie materialspezifische Ausnahmen von den Mehrwegzielen. Mir scheint es, dass es noch viel Diskussionsbedarf, aber auch Möglichkeiten gibt. Ich wünschte mir nur, dass wir wenigstens die Zielsetzung als gesetzt betrachten könnten – besseres Verpackungsdesign, hoher Einsatz von Rezyklaten, sinnvolle Anreize für den Einsatz von Biomasse, weniger Abfälle, mehr Ressourcen im Kreislauf – und zwar unabhängig davon, welche Materialien zum Einsatz kommen.

neue verpackung: Welche Aspekte der PPWR sind aus Ihrer Sicht besonders herausfordernd in der Umsetzung?

Bühler: Die Herausforderung, die in der Politik gerade nicht gut beherrscht wird, liegt darin, dass vor allem eine Reduktion von Kunststoffen angestrebt wird. Die aber in keiner Weise zu besserem Umweltschutz, besserem Recycling oder geringeren Abfallmengen führt. Das ist ein Irrweg. Der zweite Irrweg liegt in der Tatsache, dass man sich immer mehr von einheitlichen, harmonisierten EU-Regeln verabschiedet und viele der Beschlüsse zurück in die Nationalstaaten gibt. Eine Kreislaufwirtschaft ist ein EU-Projekt und funktioniert in einem EU-Binnenmarkt, nicht aber in 27 Einzelmodellen.

In der Wirtschaft liegt die größte Herausforderung aus meiner Sicht in der derzeit fehlenden Planungssicherheit. Betreiber von Recyclinganlagen wünschen sich Investitionssicherheit für den Aufbau von neuen Kapazitäten. Auf der anderen Seite stehen die Hersteller von Verpackungen und erwarten Sicherheit bei der Versorgung mit Rezyklaten, um die geforderten Rezyklateinsatzmengen überhaupt erfüllen zu können. Ihnen ist es besonders wichtig, dass die Rezyklatversorgung sichergestellt ist.

neue verpackung: Welche direkten Auswirkungen erwarten Sie durch die PPWR auf den Verpackungsmaschinenbau?

Bühler: Es gibt einige mögliche positive Impulse für Maschinenbauer. Politisch streben sehr offensichtlich einige Mitgliedsstaaten eine Regionalisierung an. Das heißt, dass wir große Mengen an Verpackungen auch in Zukunft in der EU herstellen werden. Was kann noch kommen? Wenn die PPWR wirklich zielführend ausfällt, werden wir bei sämtlichen Verpackungen – unabhängig vom verwendeten Material – deutlich mehr Rezyklate einsetzen und auch mehr recyceln. Das funktioniert bei unseren hohen Anforderungen an die Verpackungen nur mit hochwertigen Rezyklaten und innovativen Verfahren. Letztes ist eine große Chance für die Maschinenbauer, denn gerade bei der Verarbeitung von Rezyklaten sind in den vergangenen Jahren große Fortschritte gelungen. Die andere Frage ist: Wird der Trend zur Faserverbundverpackung gestärkt? Das fordert die Maschinenbauer ebenso wie die Rohstofferzeuger und Recycler heraus und hat überhaupt keinen positiven Effekt auf die Umwelt.

neue verpackung: Wie sieht die ideale Zusammenarbeit zwischen der Kunststoffindustrie und den Verpackungsmaschinenbauern aus, um die Ziele der PPWR zu erreichen?

Bühler: Die Kreislaufwirtschaft gelingt nicht durch einen einzelnen Durchbruch bei einer Technologie. Es ist darum sinnvoll, noch enger zusammenzurücken und einen kontinuierlichen Austausch über die Innovationen in beiden Industriezweigen zu haben. Wenn wir bei gleichbleibenden Produktanforderungen bleiben, den Materialeinsatz insgesamt verringern und den Anteil von Rezyklaten erhöhen wollen, müssen die Hersteller von Kunststoffen die Verarbeitung sehr viel besser mitdenken und die Hersteller von Maschinen noch intensiver in die Materialkunden einsteigen. Ein weiteres Feld ist die Digitalisierung mit dem Ziel der besseren Nachverfolgbarkeit, Sammlung und Sortierung. Auch dies gelingt nur durch ein besseres gegenseitiges Verständnis. Hier gibt es bereits gute Beispiele für digitales Markern, mit dem Produktpässe und Materialpässe ermöglicht werden, Abfallfraktionen besser erkannt und aussortiert werden können.

neue verpackung: Welche Art von Förderung oder Unterstützung hält Plastics Europe für notwendig, um Unternehmen die Anpassung an die PPWR zu erleichtern?

Bühler: Ich glaube, eines der wichtigsten Elemente ist, dass die PPWR ein starkes und eindeutiges Regelwerk sein muss, das für alle europäischen Mitgliedsstaaten einheitlich verbindlich ist. Wir alle bewegen Güter in diesem Markt – und darüber hinaus – und können mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Anforderungen nicht gut umgehen. Sehr wichtig ist das Vorantreiben der Kreislaufwirtschaft insgesamt, beispielsweise durch den europaweiten Ausbau der Sammlung und Sortierung, um die Verfügbarkeit von hochwertigem Rezyklat sicherzustellen.

neue verpackung: Wie schätzen Sie die langfristigen Auswirkungen der PPWR auf die Verpackungsindustrie und den zugehörigen Maschinenbau ein?

Bühler: Das hängt vom Ergebnis ab. Eine zielgerichtete PPWR, die wirklich unsere Umwelt und Ressourcen mit europaweit einheitlichen Regeln schonen möchte, kann wichtige Grundvoraussetzungen erfüllen, damit sich innovative, kreislauf- und wettbewerbsorientierte Unternehmerinnen und Unternehmer mit ihren Lösungen besser im Markt behaupten. Das stärkt langfristig Wirtschaftswachstum und Umweltschutz.

neue verpackung: Welche Handlungsempfehlungen würden Sie Unternehmen im Verpackungsmaschinenbau mit auf den Weg geben, um sich optimal auf die kommenden Änderungen vorzubereiten?

Bühler: Der bisherige Trend in unserer Wirtschaft wird sich noch mehr verstärken. Wir sind ein Produktionsstandort mit hohen Kosten, strikten Regularien und viel Bürokratie. Die richtige Antwort aus dem Verpackungsmaschinenbau liegt aus meiner Sicht in der Investition in technologischen Fortschritt. Die Unternehmen, die die Ziele der Gesellschaft bei Produkten, Verbraucherschutz, Umwelt- und Klimaschutz besser adressieren, werden die Transformation mitgestalten und sich im Wettbewerb auch mit hohen Preisen und gesunden Profiten durchsetzen.

Ingemar Bühler ist auch Sprecher auf der Packaging Machinery Conference, auf der er den dann aktuellen Stand zur PPWR vorstellen wird – und natürlich auch gerne Ihre Fragen beantwortet.

Alle Infos zur Veranstaltung im Infokasten unter diesen Zeilen.

Packaging Machinery Conference

Logo der Packaging Machinery Conference
(Bild: Hüthig Medien)

Der deutsche Verpackungsmaschinenbau ist Weltklasse und konnte im Jahr 2023 wieder zweistellig beim Export zulegen. Trotzdem steht die Branche unter Druck: Auf nationaler Ebene beschäftigen die Unternehmen steigende Energiepreise und ein sich ständig verschärfender Fach- und Arbeitskräftemangel, global führen Konflikte und Protektionismus zu Investitionszurückhaltungen.

Und dies in einer Phase, in der aller Fokus auf Transformation liegen müsste: Digitalisierung und Nachhaltigkeit führen zu Veränderungen mit teils disruptivem Charakter.

Mit welchen Strategien und Geschäftsmodellen kann der Verpackungsmaschinenbau seine Spitzenposition halten und welche Rahmenbedingungen sind hierfür auf nationaler sowie europäischer Ebene nötig?

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