Die Generation 65+ kennt „morgens in die Firma und am Abend wieder raus“, und das jeden Tag bis zur Rente. Viele Menschen erlernten einen Beruf mit dem Ziel, diesen bis zur Pension in einer Firma auszuüben. Im Laufe des Berufslebens plötzlich einen anderen Beruf zu ergreifen, in eine andere Branche zu wechseln, das war nicht an der Tagesordnung. Ab Mitte 50 ging man über Altersteilzeit oder Abfindungen in den vorgezogenen Ruhestand.
Diese Personalpolitik strebt eine vorzeitige Ausgliederung älterer Mitarbeiter an. Zwischen dem Berufsaustritt und dem offiziellen Rentenbeginn entstanden lange Wartezeiten, in denen die Betroffenen in einer Art rollenloser Rolle lebten, was nach einem aktiven Berufsleben schwerfiel. Der akute Fachkräftemangel sorgt momentan dafür, dass dieser Weg ein Holzweg ist. Heute muss die Beschäftigung Älterer gesteigert, Frühverrentungsanreize abgebaut und die Lebensarbeitszeit verlängert werden.
Erwerbstätigenquote älterer Beschäftigter steigt
Deutschland fehlt es an Arbeitskräften, weil die Babyboomer in Rente gehen und danach der „Pillenknick“ kommt. Eine Schraube, an der wir drehen können, ist die Verlängerung unserer Lebensarbeitszeit. Unter dem Schlagwort: „Rente mit 67“ wird das Rentenalter bereits seit 2012 schrittweise auf diese Altersgrenze angehoben. Die Erwerbstätigenquote der 55- bis unter 65-Jährigen hat sich in Deutschland von 2000 bis 2019 verdoppelt – von 37 auf 73 % (Eurostat 2020). Mit Ausnahme von Schweden gibt es kein Land in Europa mit einem größeren Anteil älterer Erwerbstätiger. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Alter von 50 bis 67 Jahren nahm zwischen 2013 und 2019 von 8,7 auf 11,4 Mio. zu, was einem Anstieg von 31 % entspricht. Der Altersübergangsreport des Instituts für Arbeit und Qualifikation (3/2020) zeigt aber auch, dass die Zahl der älteren Beschäftigten stieg. Die stärkere Alterung resultiert aber nicht zwingend aus der verstärkten Einstellung dieser Zielgruppe, sondern kann auch durch die Tatsache begünstigt sein, dass weniger Jüngere nachgekommen sind.
Grundsätzlich sollten ältere Menschen ohne Probleme länger arbeiten können, wenn sie das wollen. Das forderte der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Februar 2022. Aber können sie das nicht ohnehin schon? Nein, denn auch vor dem Hintergrund des bestehenden Fachkräftemangels lassen sich Arbeitgeber immer noch von dem höheren Lebensalter in ihrer Rekrutierungsentscheidung abhalten. Viel zu häufig wird diese Generation im Bewerbungsprozess negativ oder ablehnend gesehen.
Altersgrenze abhängig von Tätigkeit
In der Arbeitspolitik werden Beschäftigte ab dem 50. Lebensjahr als „ältere Beschäftigte“ bezeichnet, in Unternehmen zählen dazu Mitarbeiter erst ab dem 55. Lebensjahr. Ein 50-Jähriger gilt in vielen Bereichen der Arbeitswelt bereits als alt, während er teilweise als jung angesehen wird, wenn er einem anderen Beruf nachgeht. Das zeigt, dass die Festlegung einer Altersgrenze für „ältere Beschäftigte“ immer vor dem Hintergrund konkreter Fragestellungen getroffen werden sollte, beispielsweise der Belastungssituationen am Arbeitsplatz, wie das Heben und Tragen schwerer Lasten, aufgrund derer ein Einsatz für einen größeren Anteil älterer Beschäftigten eventuell nur eingeschränkt möglich ist.
Die Aussage: „Im Alter verringert sich die geistige und berufliche Leistungsfähigkeit“ ist falsch. Der Abnahme in bestimmten Bereichen steht eine Zunahme der Leistungsfähigkeit in anderen Bereichen gegenüber. Diese vorurteilsgeprägte gesellschaftliche Kommunikation über den Arbeitswert der älteren Arbeitnehmer als Fortschrittshindernis führt dazu, dass deren Potenzial nicht genutzt wird. Eine Folge von Altersbildern oder Altersstereotypen, die sich auch in Medien finden lassen.
Lösen ältere Arbeitnehmer das Problem?
Langzeitarbeitslosigkeit betrifft vor allem Menschen zwischen 55 und 65 Jahren, obwohl ein größerer Anteil von ihnen Fachkräfte und Experten sind. Ältere Arbeitnehmer sind aber eine gewinnbringende Herausforderung für Unternehmen und keine personalwirtschaftliche Dispositionsmasse. Sie besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, würde viel Potenzial ausschöpfen: Arbeitgeber, die über 50-jährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen, schätzen deren umfangreiche Arbeitserfahrung und große Motivation. Sie verfügen über langjährig gepflegte Netzwerke, Disziplin und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – Eigenschaften einer ausgeprägten Arbeitsethik, die bei jüngeren Arbeitnehmern teilweise weniger vorhanden sind.
Lernbereitschaft, Flexibilität und die Fähigkeit, mit modernen IT- und Kommunikationsmedien umzugehen, sind stärker ausgeprägt als allgemein angenommen. Selbst im Falle einer notwendigen Fortbildung werden die Kosten für diese in der Regel niedriger sein, als eine strategisch wichtige Stelle länger unbesetzt zu lassen.
Doch das sind nicht die einzigen Gründe, die für die Beschäftigung älterer Mitarbeiter sprechen. Teams aus unterschiedlichen Persönlichkeiten, Kulturen und Altersklassen sind nachweislich erfolgreicher, Stichwort „Diversity“. In altersgemischten Teams, Abteilungen oder Belegschaften ergänzen sich die Kompetenzen und Stärken der verschiedenen Mitarbeiter.
Fazit: Die zunehmende Einstellung älterer Arbeitnehmer löst natürlich nicht allein das Problem des Fachkräftemangels. Aber durch ein effektives Generationen-Management mit gemischten Teams werden sich die vermeintlichen und echten Schwächen Älterer ausgleichen und die Stärken dieser Mitarbeiter zum Tragen kommen.
Altersübergreifende Einstellungspolitik
Unternehmen sollten sich jetzt fragen, wie die voraussichtliche Altersstruktur in fünf und in zehn Jahren in ihrem Betrieb aussehen wird. Welche Altersstufe wird überrepräsentiert sein, und in welcher Abteilung besteht für ihr Unternehmen ein konkreter Handlungsbedarf? Gibt es Bereiche mit ungünstiger demografischer Verteilung?
Dann sollten sie jetzt die Arbeitsplätze kreativ umgestalten und Konzepte entwickeln, damit ältere Mitarbeiter die gewünschten Innovationen schaffen und sich auch kurz vor dem Renteneintrittsalter noch an die neue Arbeitswelt gewöhnen können. Es gilt Formate zu schaffen, in denen der Wissenstransfer gelingen kann, und die erfahrenen Mitarbeiter aktiv in die Einarbeitung und Ausbildung der neuen Kollegen einzubinden.
Arbeitgebern wird dringend empfohlen, offen für die Einstellung von älteren Beschäftigten ab 50+ für unbesetzte Fach- und Führungspositionen zu sein. Bei der Rekrutierung, Personalauswahl und Bindung der älteren Mitarbeiter geht man dabei anders vor als bei Absolventen oder Young Professionals. Mitarbeiter ab 50+ haben andere Vorstellungen und Erwartungen an ihren Arbeitgeber als die jüngeren Generationen; eine Tatsache, die sich direkt aus ihrem Leistungspotenzial ergibt. Auch sind qualifizierte ältere Mitarbeiter nicht immer bereit, sich noch einem Assessment Center zu stellen.
Um keinen Verlust von Innovationskraft und Leistungsfähigkeit zu erleiden, müssen sich Unternehmen dem Thema der Einstellung von älteren Arbeitnehmern stellen. Negative gesellschaftliche Zuschreibung zum Wert Älterer verhindert bisher, dass dieses Potenzial genutzt wird. Die Ursache begründet sich in Vorurteilen oder Nichtwissen und ist das Ergebnis der gesellschaftlichen Kommunikation über das Altern. Wenn Personal- und Fachabteilungen die Generation 50+ als einstellungsrelevante Zielgruppe erkennen, dann werden sie sehen, wie häufig diese mit ihren Erfahrungen und Einstellungen in einem ersten Gespräch überzeugen. Schlummernde Potenziale dieser Altersgruppe können den Fachkräftemangel in Unternehmen teilweise lindern. Heute wie früher gilt: „Die Furcht zu irren, ist schon der Irrtum selbst.“ Verändern wir also unser vorrangig jugendorientiertes Einstellungsverhalten!
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