2 Hände, die sich Staffelstab übergeben.

Eine schwierige Entscheidung: Wer übernimmt die Firma und führt sie in die Zukunft? (Bild: Dalle/OpenAI)

Der schwerste Schritt ist es oftmals, sich mit der Frage überhaupt zu beschäftigen. Wie sieht die eigene Nachfolgeplanung aus? Wann es so weit sein soll, ist die zweite Frage. Die erste ist jedoch die wichtigere, denn der Anlass für eine Nachfolgesituation kann auch ungeplant kommen, zu früh in manchen Fällen. Insofern kann es nie verkehrt sein, sich vorher darüber einen Kopf gemacht zu haben.

Laut Studie des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn (IFM) steht für mehr als ein Viertel der übernahmewürdigen Unternehmen in den nächsten fünf Jahren die Unternehmensnachfolge an. Erschreckend ist dabei, dass das IFM nur 23 % aller deutschen Familienunternehmen überhaupt als „übernahmewürdig“ ansieht. Alle anderen betrachtet das Institut als zu klein oder zu ertragsschwach, um hier in Frage zu kommen. In der Verpackungsbranche, die grundsätzlich gute Ertragsmöglichkeiten bietet, sollte die Quote der übernahmewürdigen Unternehmen deutlich höher sein. Die Zahl der Generationenwechsel, die wir in der Branche auch dank der Krisen der letzten Jahre vor uns herschieben, ist trotzdem erschlagend. Umso mehr stellt sich die Frage, ob für das eigene Unternehmen der Fahrplan zum Generationenübergang steht.

Das Fundament der Zukunftsplanung

Ausgangspunkt für alle Nachfolgeüberlegungen ist im Grunde die passende Strategie und Vision für das eigene Unternehmen. Was sind die Stärken des eigenen Unternehmens, was die Potenziale, die es noch zu heben gilt? Welche Chancen bietet das Marktumfeld? Wohin kann man sich mit bestehenden Kunden oder auch neuen Kundensegmenten entwickeln? Was braucht es, um diese Schritte erfolgreich gehen zu können? Wo könnte oder sollte das Unternehmen in fünf, zehn oder 15 Jahren stehen? Und wie weit kann der Unternehmer seine Firma auf diesem Weg noch begleiten?

Es mag nicht leicht fallen, sich diese Fragen zu stellen oder auch Antworten zu finden. Manch einem wird es besser gelingen mit einem Coach oder Berater an seiner Seite. Und manches Unternehmen, das vermeintlich nicht übernahmewürdig erscheint, mag in Anbetracht der Potenziale in seinem Umfeld und der richtigen Strategie doch seinen Nachfolgepfad finden. Es lohnt sich für einen selbst, für die Kommunikation gegenüber den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie auch als Orientierung für den Generationenübergang, dieses Selbstverständnis des Unternehmens, die Stärken und Schwächen, die Strategie und Vision zu Papier zu bringen.

Generationenübergang innerhalb der Familie

Für einen Generationenwechsel bieten sich zahlreiche Optionen an, die offensichtlichste ist ein Familienmitglied, das in die Fußstapfen der bisherigen geschäftsführenden Gesellschafter tritt. Bei rund 50 % der Nachfolgen ist dies auch der Fall.

Aber auch für diesen vermeintlichen Idealfall ergibt ein Nachfolgefahrplan Sinn. Sollte das Familienmitglied sich die Sporen in einem befreundeten Unternehmen verdienen oder im eigenen Haus? Passen die Fußstapfen wirklich perfekt auf den Nachfolger, die Nachfolgerin? Oder kommen andere Kompetenzen ins Spiel, sodass man die Aufgaben im Unternehmen verschieben, ihm oder ihr mehr Freiraum in Bereichen bieten sollte, in denen die jeweiligen Stärken liegen, und andere Aufgabenfelder anders besetzen. Wie lange sollte eine Übergangszeit sein? Passen zwei Kapitäne auf die eigene Brücke oder muss man für Kunden, Mitarbeiter und sich selbst einen harten Schnitt ins Auge fassen? Und nicht zuletzt: Werden die Anteile verschenkt, sukzessive übertragen, aufgespart bis zum Erbfall oder sollen diese entgeltlich übergeben werden? Spätestens dann stellt sich auch die Frage der Bewertung der Unternehmensanteile und gegebenenfalls der Finanzierung des Erwerbs.

Generationenübergang außerhalb der Familie

Wenn nur in 50 % der Fälle die Nachfolge innerhalb der Familie gelingt, heißt dies zwangsläufig, dass auch in rund der Hälfte der Fälle eine Lösung außerhalb der Familie gesucht werden muss.

Interessenten können sich hierbei aus der zweiten Führungsebene des eigenen Unternehmens herauskristallisieren (sogenannte MBO – Management-Buy-out-Kandidaten). Sie können aus angestellten Führungspositionen anderer Unternehmen kommen (MBI – Management-Buy-in-Kandidaten), oder es können strategische Investoren aus dem Branchenumfeld sein (Wettbewerber, Marktbegleiter, Kunden oder Lieferanten). Denkbar sind zudem Unternehmen aus einem anderen Industriesegment, für die eine Diversifikation in den Verpackungsmarkt reizvoll ist, oder auch Finanzinvestoren unterschiedlichster Art, die attraktive Investments für vorhandenes oder von ihnen verwaltetes Vermögen suchen.

Für welche dieser Zielgruppen das eigene Unternehmen spannend sein kann, welche dieser Interessenten zum eigenen Unternehmen und den Vorstellungen passen können, lässt sich aus der Zukunftsplanung ableiten, die man vorab zu Papier gebracht hat. Idealerweise ist dieses Papier auch dazu geeignet, auf die entsprechenden Interessenten zuzugehen und mit ihnen über eine gemeinsame Zukunftsvision für das eigene Familienunternehmen zu sprechen.

Volle Fahrt voraus

Steht die Zukunftsplanung und ist man sich bewusst, welche Partner die geeigneten sein können, dann darf dieser Fahrplan beruhigt in die Schublade gelegt und das richtige Timing in Angriff genommen werden. Pi mal Daumen sollte man mit neun bis zwölf Monaten für einen externen Unternehmensübergabeprozess rechnen – vom Start des Prozesses über die Ansprache von Interessenten, Unternehmensbesichtigungen, die Diskussion von Strategie, Planung und Unternehmensbewertung, die Begutachtung des eigenen Unternehmens durch externe Prüfer (Due Diligence), Kaufpreis- und Vertragsverhandlungen bis zu Notartermin, Kaufpreiszahlung und Übergabestichtag. Ist der Nachfolger ein Mitarbeiter aus dem eigenen Unternehmen, so mag es etwas schneller gehen. Ist es ein Familienmitglied, das sich bereits im Unternehmen oder in der Branche eingefunden hat, im Grunde auch (siehe Interview).

Nach dem Übergabestichtag ist aber nicht selten eine 12- bis 18-monatige Übergangszeit gewünscht, in Einzelfällen und in gegenseitigem Einverständnis kann diese sich auch auf drei bis fünf Jahre ausdehnen. Ein Zeitraum, den man bei der eigenen Ruhestandsplanung mit einkalkulieren sollte. Aber wann es so weit sein soll, ist ja die zweite Frage. Die erste Frage bleibt: „Wie sieht die Nachfolgeplanung aus?“

INTERVIEW

Firmenübergabe in der eigenen Familie:
„Das eigene Nachfolgethema muss immer präsent sein“

Treffpack in Hamburg ist ein Verpackungshändler. Das Unternehmen gibt es seit rund 150 Jahren. Jetzt steht mit Dorothée Kuhnert, geborene Lienau, der sechste Generationswechsel an. Interview mit Dorothée Kuhnert und ihrem Vater Harold Lienau.

 

Treffpack: Peter Börner, Dorothée Kuhnert, Harold Lienau und David Börner (v. l.).
Family-Business: Peter Börner, Dorothée Kuhnert, Harold Lienau und David Börner (v. l.). (Bild: Mike Schaefer)

neue verpackung: Herr Lienau, wie haben Sie sich und das Unternehmen auf den Generationenübergang vorbereitet?
Wir haben eine besondere Konstellation. Es gibt zwei Familienstämme, die zu gleichen Teilen an der Gruppe beteiligt sind: Börner und jetzt Kuhnert, geborene Lienau. Wir hatten einen klaren Fahrplan für mein Ausscheiden, der auch mit dem anderen Familienstamm abgesprochen war. Ich möchte mit 67 Jahren aufhören. Das ist Ende des Jahres. Meine Tochter hat bereits die Stimmrechte übernommen. Zuvor hatten wir acht Jahre zusammengearbeitet. Während dieser Zeit sind Wissen und Verantwortung sukzessive übergegangen.

neue verpackung: Frau Kuhnert, Sie wussten also genau, was auf Sie zukommt?
Kuhnert: (lacht) Ich bin aber noch nicht durch alle Abteilungen durch. Dieses Jahr muss ich noch ordentlich etwas über Glas lernen.

neue verpackung: Gab es einen „Plan B“, wenn kein Familienmitglied das Unternehmen weiterführen will?
Lienau: Wir hatten im Laufe der Jahre und auch heute immer wieder Anfragen vor allem von US-amerikanischen Gruppen, teils Private-Equity-Firmen, die sehr an unserem Unternehmen interessiert waren. Wenn wir keinen Nachfolger gefunden hätten, dann hätten wir Gespräche aufgenommen. Aber ein 150 Jahre altes Familienunternehmen, das ist etwas Besonderes.

neue verpackung: Hatten Sie einen externen Berater, der Sie beim Prozess unterstützt hat?
Lienau: Unsere Wirtschaftsprüfer haben uns dabei begleitet.
Kuhnert: Sie sind nicht nur Wirtschaftsprüfer, sondern haben auch eine eigene M&A-Abteilung und sind darüber hinaus unserem Haus seit Jahren freundschaftlich verbunden.

neue verpackung: Gab es eine besondere Aufgabe, der Sie sich stellen mussten?
Lienau: Im Laufe der letzten Jahre hat sich die Firma stark verändert. Wir haben einen Merger mit einem belgischen Unternehmen gemacht, um uns größer und internationaler aufzustellen. Es war ein Prozess, der parallel zur Übergabe gelaufen ist. Das war nicht unkompliziert. Industrial Packaging Group, so der Name der belgischen Partnerfirma, ist ebenfalls ein Familienunternehmen, das so ähnlich aufgestellt ist wie wir, also mit Fokus Pharmazie und Getränke. Allerdings hatten sie sich angesichts des überschaubaren nationalen Marktes früher internationalisiert. Die Verhandlungen begannen vor acht Jahren und waren im September 2022 abgeschlossen. Jetzt gibt es mit der Packaging Alliance Europe eine Holding, an der beide Seiten gleichberechtigt beteiligt sind.

neue verpackung: Welchen Rat geben Sie Inhabern, die über eine Firmennachfolge nachdenken?
Lienau: Was wirklich wichtig ist: sich einen eigenen Zeitplan zu setzen und die Übergabe rechtzeitig zu kommunizieren. Nicht erst zwei Jahre vorher, sondern gerne zehn Jahre vor dem finalen Schritt. Damit alle Bescheid wissen: Kunden, Lieferanten, Banken und gegebenenfalls Partnerfamilien.

neue verpackung: Frau Kuhnert, es ist keine Selbstverständlichkeit, die Verantwortung für das Familienunternehmen zu übernehmen. Wann hatten Sie sich entschieden?
Kuhnert: Man wächst einerseits mit dem Unternehmen auf. Wir sind schon als Kinder hier gewesen. Aber trotzdem habe ich diese Option lange ignoriert, weil ich meine eigene Karriere machen wollte. Ich habe viele Jahre lang in Ostasien gelebt und gearbeitet. Es war eine tolle Zeit, die ich nicht missen möchte. Gleichzeitig wusste ich stets, dass es eine andere Möglichkeit gibt. Den letzten Kick hat mir der Chef der Dr. Wolff-Gruppe gegeben, bei der ich zuletzt angestellt war. Er lebt das eigene Familienunternehmen und hat mich sehr inspiriert.

neue verpackung: Fühlten Sie sich unter Druck gesetzt, weil es sonst vielleicht zu einem Verkauf gekommen wäre?
Kuhnert: Nein. Es war eine Option. Ich hatte bis dato mit der Branche nichts zu tun gehabt, nie im Betrieb gearbeitet und kannte diesen eigentlich gar nicht. Das änderte sich erst nach meiner Entscheidung.

neue verpackung: Mit einem Wechsel an der Unternehmensspitze gehen oft Veränderungen einher. Was machen Sie anders?
Kuhnert: Es ist per se ein sehr dynamischer Markt Wir machen viel FMCG-Verpackungen. Da gibt es immer wieder neue Richtlinien aus Deutschland oder der EU. Kosmetik und Kunststoff sind etwas wichtiger geworden. Aber ob das an mir liegt? Es ist eine Art Balanceakt, wenn man die Führung einer Firma übernimmt. Was möchte ich verändern? Und warum? Weil es mir besser gefällt? Weil es besser ist fürs Unternehmen? Man muss aufpassen, dass man nichts um des Veränderns willen ändert. Zuerst geht es darum, die Prozesse zu verstehen. Manches gibt auch der Markt vor. Als ich bei Treffpack anfing, war das Thema Nachhaltigkeit nicht sehr relevant. Aber dann drehte sich das Blatt schnell und wir mussten reagieren. Wir arbeiten heute sehr eng mit den Lieferanten zusammen, beraten diese intensiv, wie auch unsere Kunden. Dann kam Corona. Manchmal gilt es, möglichst weit vorne bei einer Entwicklung zu sein, dann wieder muss schnell reagiert werden. Wie bei Corona. Wir haben das gut hinbekommen.

neue verpackung: Was sind die größten Herausforderungen für die Zukunft?
Kuhnert: Eine ist sicherlich die Demografie. Wenn die Boomer in Ruhestand gehen, wird es noch anspruchsvoller, die richtigen Mitarbeiter zu bekommen, die auch ins Team passen. Und ich kann hoffentlich das Familienunternehmen so attraktiv halten, dass einmal einer meiner Söhne einsteigen will. Dann haben wir die zweite Eigentümerfamilie. Der zweite Geschäftsführer ist etwas jünger als mein Vater. Auch bei den Belgiern ist eine neue Generation am Start. Die kümmern sich sehr darum, dass der Nachwuchs aus den eigenen Reihen kommt. Das eigene Nachfolgethema muss immer präsent sein.

Die Fragen stellte Peter Hammer, Redakteur neue verpackung

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