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02. Jul. 2025 | 08:51 Uhr | von Philip Bittermann

Maschinengängigkeit alternativer Materialien auf der Packaging Machinery Conference 2025

Wie lassen sich alternative Materialien effizient verarbeiten?

Maschinengängigkeit statt nur CO₂-Fußabdruck: Prof. Marek Hauptmann zeigte auf der Packaging Machinery Conference 2025, welche Herausforderungen und Lösungsansätze beim Einsatz alternativer nachhaltiger Verpackungsmaterialien bestehen – und warum Daten der Schlüssel sind.

Alternative Verpackungsmaterialien ermöglichen mehr Nachhaltigkeit. Aber was ist mit der Effizienz im Verpackungsprozess?

Alternative Verpackungsmaterialien ermöglichen mehr Nachhaltigkeit. Aber was ist mit der Effizienz im Verpackungsprozess? (Bild: OpenAI / Dall-E)

Prof. Dr. Marek Hauptmann während seines Vortrags auf der Packaging Machinery Conference.
Prof. Dr. Marek Hauptmann während seines Vortrags auf der Packaging Machinery Conference. (Bild: Packaging Machinery Conference)

Der Vortrag von Prof. Marek Hauptmann, Abteilungsleiter Verpackungs- und Verarbeitungstechnologie am Fraunhofer-Institut IVV Dresden, der auch den Themenblock Nachhaltigkeit der Packaging Machinery Conference einleitet, spannte einen umfassenden Bogen über die maschinentechnischen Herausforderungen beim Einsatz alternativer Packstoffe. Bereits eingangs machte er deutlich, worin aktuell noch eine zentrale Lücke vieler Nachhaltigkeitsdiskussionen im Bereich der Verpackung liegt: „Es wird viel über den Product Carbon Footprint gesprochen, aber selten über die Maschinengängigkeit.“

Hauptmanns Vortrag kombinierte Problembeschreibungen aus der Praxis mit konkreten Forschungsergebnissen und bot den anwesenden Maschinenbau- und Verpackungsexperten im Publikum zahlreiche Impulse für die eigene Entwicklungspraxis. Und machte aber – ganz Wissenschaftler – auch klar: „Es gibt viele Ansätze – aber wie so oft auch hier natürlich keine Generalantwort.“

Herausforderung: Neue Materialien – alte Maschinen

Hauptmann verdeutlichte anhand realer Beispiele, wie sich die Verarbeitungseigenschaften alternativer Materialien auf Verpackungsmaschinen verändern, seien es solche auf Basis von Kunststoff-Rezyklaten, oder aber faserbasierte Lösungen. Der Einsatz recyclingfähiger Monomaterialien beispielsweise führe oft zu Siegelproblemen – insbesondere bei Lagensprüngen. Auch optische Defekte wie Verformungen durch Schrumpfung oder Risse bei der Formgebung mit Papier wurden adressiert.

Er betonte: „Rezyklate sind nicht gleich Rezyklate. Das Verarbeitungsverhalten ändert sich quasi kontinuierlich.“ Neben Materialherausforderungen kritisierte er das fehlende Bewusstsein für veränderte Anforderungen in bestehenden Anlagen.

Informationstiefe als Grundlage

Für eine bessere Maschinengängigkeit braucht es tiefes Prozessverständis – das bisher an vielen Stellen nicht vorhanden war.
Für eine bessere Maschinengängigkeit braucht es tiefes Prozessverständis – das bisher an vielen Stellen nicht vorhanden war. (Bild: Fraunhofer IVV)

Ein zentrales Thema des Vortrags war die Bedeutung präziser Daten zum Maschinenprozess. So zeigten Messungen mit drucksensitiven Folien, dass die Druckverteilung in Siegelbacken inhomogen ist. „Die eingestellten Parameter wie Temperatur oder Druck stimmen oft nicht mit den tatsächlich wirkenden Werten überein“, erläuterte Hauptmann.
Anhand von Temperaturprofilen und Druckmessmatten wies er Abweichungen von über ±10 °C zwischen eingestellter und tatsächlicher Werkzeugtemperatur nach. Diese Diskrepanz sei bei herkömmlichen Kunststoffen tolerierbar gewesen – bei neuen Materialien mit engerem Prozessfenster jedoch kritisch.

Neue Technologieansätze für bessere Maschinengängigkeit

Hauptmann stellte gleich mehrere technische Lösungen vor:

  • Flexible Werkzeuge: Durch Kombination starrer und flexibler Siegelbacken – etwa mit Silikoneinlagen – ließen sich Konturen besser anschmiegen und Kapillarräume bei Papierverpackungen schließen. „Wir haben gezeigt, dass es funktioniert – wenn auch der Teufel im Detail steckt“, so Hauptmann.
  • Induktionssiegeln: Ein überraschendes Comeback erlebt gerade das Induktionssiegeln – bekannt vom Capsealing. Durch veränderte Frequenzbereiche und speziell metallisierte Folien lassen sich auch neue Materialien gezielt erwärmen. Das Verfahren ermöglicht vergleichbare Siegelnahtfestigkeiten bei geringerer Temperatur.
    High-Impact-Siegeln: Ein weiteres Konzept, das vorgestellt wurde: das High-Impact-Siegeln mit starkem Einzelimpuls. Es reduziert laut Hauptmann die Siegelzeit um bis zu 90 % und den Energieeinsatz um 95 %.
  • Hochfrequenz-Schweißen: Ein alternatives Verfahren stellt das modifizierte Hochfrequenz-Schweißen dar, etwa durch Anpassung des Vinylacetatanteils in Polyethylenfolien. Hierzu präsentierte Hauptmann erste Kennwerte zur Siegelnahtfestigkeit.

Umformverfahren – Papier als Formkörper?

Faserbasierte Verpackungen im Tiefziehverfahren? Geht – hat aber seine Herausforderungen.
Faserbasierte Verpackungen im Tiefziehverfahren? Geht – hat aber seine Herausforderungen. (Bild: Fraunhofer IVV)

Im zweiten Teil des Vortrags beleuchtete Hauptmann die Möglichkeiten der Tiefziehverformung von Papiermaterialien. Mit angepasster Niederhalterkraft, gezielter Feuchtesteuerung und geeigneter Temperaturführung können heute formstabile, fast faltenfreie Becherformen aus Papier erzeugt werden.

„Feuchtigkeit hilft bei der Fixierung – aber sie muss im Werkzeug wieder raus. Das ist eine Frage der Werkzeugentfeuchtung und differenzierten Heizkreise“, erklärte Hauptmann. Gezeigt wurden Formteile mit Hinterschnitten und formstabile Zargen, möglich durch strukturierte Faltenverdichtung.

Materialien systematisch entwickeln

Hauptmann stellte Untersuchungen zur Faserbehandlung und zum Einfluss von Zellstoffmischungen vor. Überraschend: „Das unbehandelte Laborblatt funktionierte am besten. Die anderen funktionalisierten Varianten führten zu optisch deutlich schlechteren Resultaten.“

Auch Trockenfaservliese – aktuell kommerziell verfügbar – bezeichnete Hauptmann als besonders vielversprechend: „Das ist eigentlich die Übertreibung dessen, was wir schon damals geahnt haben – Luftstruktur hilft, Falten zu verhindern.“

Modellierung und Digitalisierung

Zum Abschluss zeigte Hauptmann, wie Modelle helfen können, Prozessfenster für Thermoformprozesse mit Rezyklaten zu bestimmen: Auf Basis von Differenzdruckmessungen und Wanddickenanalysen lassen sich Simulationen aufbauen, die in die Richtung KI-gestützter Prozessführung gehen.

Perspektive: Gemeinsam zur Lösung

In der abschließenden Diskussion wurde klar: Die Integration wissenschaftlicher Erkenntnisse in industrielle Praxis ist noch kein Selbstläufer. Hauptmann dazu: „Wir bringen Technologien so weit, dass sie übernehmbar sind – marktreif macht sie der Maschinenbau.“ Und rief explizit dazu auf, gemeinsam mit Forschungseinrichtungen wie dem Kompetenzzentrum Circular Packaging Technology and Systems (Fraunhofer IVV, TU Dresden, PTS) die neuen Technologien im Feld zu etablieren.

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