Beim Verpackungsdesign müssen viele Unternehmen noch ihre Hausaufgaben machen.

Beim Verpackungsdesign müssen viele Unternehmen noch ihre Hausaufgaben machen. (Bild: Azvector + Birgit Reitz-Hofmann - stock.adobe.com)

Etwas überraschend ist in diesem Zusammenhang, dass ein Thema bislang von vielen noch nicht ausreichend berücksichtigt wird: Inklusion. Trotz eines allgemein gesteigerten Bewusstseins gehen noch viele Verantwortliche intuitiv von einem recht homogenen Alltag ihrer Kunden aus, der weitestgehend frei von Einschränkungen ist. Diese Fehleinschätzung zeigt sich besonders deutlich im Verpackungsdesign. Viele Produkte sind heute so verpackt, dass Menschen mit Beeinträchtigung sie nicht oder nur mit Mühe öffnen können. Dabei sollten Unternehmen nicht nur aus moralischen Gründen für ein inklusives Verpackungsdesign sorgen – auch ökonomisch können sie hiervon profitieren. Dieser Beitrag soll aufzeigen, was unter einem inklusiven Verpackungsdesign zu verstehen ist und worauf Unternehmen hierbei achten müssen.

Werte werden kaufentscheidend
Wie die diesjährige Sustainability Index-Studie von Kantar zeigt, wird es Verbrauchern immer wichtiger, welche gesellschaftlichen Ziele (beispielsweise Nachhaltigkeit oder Diversität) Marken und Unternehmen verfolgen. 74 % achten demnach bei ihren Kaufentscheidungen darauf, für welchen dieser Werte sich die entsprechende Marke einsetzt und welche sie ablehnt. Unternehmen haben es also mit Konsumenten zu tun, für die die reine Produktqualität nicht mehr alleine die Kaufentscheidung prägt. Marketingverantwortliche müssen also mehr denn je darauf achten, dass sämtliche Aspekte der eigenen Markenpräsenz den moralischen Überzeugungen der eigenen Zielgruppe entsprechen. Scheitern sie an dieser Herausforderung, werden sich früher oder später immer mehr einstige Kunden einem konkurrierenden Unternehmen zuwenden, das den Werten der Kunden eher gerecht wird.

Verpackungsdesign immer wichtiger
Eine wichtige und bislang oft verkannte Rolle in diesem Zusammenhang spielt das Verpackungsdesign. Verkannt deshalb, weil unter Marketingverantwortlichen noch immer ein grundlegender Irrtum vorherrscht. Dabei handelt es sich um die Annahme, dass alle Verbraucher vollkommen uneingeschränkt durchs Leben gehen und problemlos auf Produkte zugreifen können. Mit dieser fehlerhaften Einschätzung wird ein bedeutender Teil des Marktes außer Acht gelassen. Denn nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung, sondern auch Personen mit einem hohen Bewusstsein für Inklusion können sich deshalb durchaus von einer Marke abwenden. Die Kantar-Zahlen hierzu sind eindeutig: 81 % sind die einfache Handhabung der Verpackung beim Lebensmittelkauf (sehr) wichtig. 60 % sind mindestens gelegentlich verärgert, weil sich eine Verpackung nur sehr schwierig öffnen ließ (28 % davon sogar häufig).

Inklusives Verpackungsdesign für alle
Das Paradoxon beim Verpackungsdesign besteht also darin, dass die Entwicklung von besseren Lösungen für eine Minderheit zu einem besseren Ergebnis für die Mehrheit führt. Barrierefreie und inklusive Verpackungen kommen schließlich nicht nur älteren oder körperlich beeinträchtigten Menschen zugute, für Menschen ohne Beeinträchtigung bedeuten sie gleichzeitig einen gestiegenen Komfort.

Deutschland hat Nachholbedarf
In einer Zeit, in der Chancengleichheit, Vielfalt und Nachhaltigkeit als gesellschaftliche Grundwerte einen hohen Stellenwert genießen, tun Unternehmen also gut daran, durch neue Ansätze auf die sich verändernden Anforderungen der Konsumenten zu reagieren. Vor fünf Jahren gab es die meisten inklusiven Designs noch nicht – ein vielversprechendes Beispiel für den modernen Wandel hin zu barrierefreien Verpackungen. Allerdings findet dieser Wandel bislang größtenteils im Ausland statt. Deutschland hat hier massiven Aufholbedarf. Während immer mehr Unternehmen beginnen, bei ihren Produkten und der Kommunikation über Inklusion nachzudenken, hat die Verpackungsindustrie noch einen langen Weg vor sich. Es muss nicht gleich eine große Revolution sein. Einfache Aktualisierungen bestehender Produkte können den Markt für viel mehr Verbraucher öffnen.

Um ein inklusives Verpackungsdesign entwickeln zu können, gilt es einige zentrale Faktoren zu berücksichtigen. Die fünf Schlüsselprinzipien für inklusive Verpackungen lauten wie folgt:

  • Einfach & intuitiv: Inklusive Verpackungen zeichnen sich durch intuitive Handhabung aus. Sie sind leicht zu öffnen, haben ein übersichtliches Design und verwenden verständliche Sprache.
  • Gleichberechtigt: Inklusive Verpackungen schließen niemanden aus, sind für alle verwendbar und bieten ein positives Nutzungserlebnis.
  • Risikofrei & nachhaltig: Inklusive Verpackungen minimieren Verletzungsgefahr und reduzieren Verpackungsmüll.
  • Ergonomisch: Inklusive Verpackungen sind effizient und bequem, Material ist griffig und wird so verarbeitet, dass die Verpackung bequem gegriffen werden kann. Außerdem reduzieren sie körperliche Anstrengungen.
  • Begehrenswert: Inklusive Verpackungen sprechen alle potenziellen Nutzer an. Design vermittelt Freude und schließt jede Stigmatisierung aus.
Inklusive Verpackungen bei McDonald's können Komfort für Konsumenten erhöhen.
Inklusive Verpackungen werden vielleicht für eine Minderheit entwickelt, können aber für alle Konsumenten ein höheres Maß an Komfort bedeuten. (Bild: McDonald's)

Inklusion folgt auf Nachhaltigkeit
Da die Branche in Bereichen wie Nachhaltigkeit weiterhin gute Fortschritte macht, bietet sich ihr eine gute Gelegenheit, bei der Inklusion ähnlich innovativ vorzugehen. Die Beachtung dieser Art von Fragen kann auch der Schlüssel zum Verkaufserfolg sein. Denn wenn Verbraucher eine Marke als inklusiv wahrnehmen, steigt ihre Loyalität. Die Kantar-Insights helfen Marken, auf dem Weg zu inklusiveren Verpackungen die Konsumenten nicht aus den Augen zu verlieren. Kantars Pack Evaluate Screening stellt beispielsweise ein Tool dar, um nicht nur die bewusste Meinung von Menschen zum vorgelegten Verpackungsdesign abzufragen, sondern auch implizite Kognitionsprozesse zugänglich zu machen. Dadurch können Marken die Entwicklung nachhaltiger und inklusiver Verpackungsdesigns professionalisieren, was ihnen Marktvorteile verschaffen kann.

Auseinandersetzung mit sozialen Fragen
Eine solche Ausrichtung ist vor allem deshalb so aussichtsreich, da wir aktuell Zeugen eines Generationswechsels in Bezug auf die Erwartungen an Unternehmen sind. So erwarten die jüngeren Generationen, dass sich Unternehmen mit sozialen Fragen befassen. Durch die Entwicklung inklusiver Verpackungsdesigns reagieren Unternehmen nicht nur auf die Bedürfnisse einer vielfältigeren Verbraucherbasis, sondern fördern auch einen sozial verantwortungsvollen und nachhaltigen Ansatz für Verpackungen. Infolgedessen werden inklusive Verpackungen weiterhin ein wichtiger Trend in der Verpackungsindustrie sein, der hoffentlich auch in Deutschland bald an Fahrt gewinnt.

Die Wachstumschancen für Marken sind hier besonders hoch, da sich in dem Bereich aktuell ein deutliches Differenzierungspotenzial bietet. Entsprechende Initiativen können sich deshalb positiv auf den Wert von Marken auswirken. Der Wert nachhaltiger Marken wuchs laut Kantars aktuellem Sustainability Brandz Index beispielsweise um 31 % – und damit sogar stärker als die Top-100-Marken.

Ein glaubwürdiger Einsatz für Inklusion und Barrierefreiheit könnte Marken zukünftig einen ähnlichen Mehrwert verschaffen. Wie genau sich Verpackungen als visueller Repräsentant auf die Popularität von Marken auswirken können, beleuchten wir im dritten und letzten Teil dieser Artikelreihe in der nächsten Ausgabe.

Ohne Rücksichtnahme auf Diversität können Unternehmen enormes Umsatzvolumen verlieren.
Das Umsatzvolumen, das Unternehmen ohne Rücksichtnahme auf Diversität verlieren können, ist enorm. (Bild: Kantar)

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