Das Thema Nachhaltigkeit ist untrennbar mit Verpackungen verbunden, und das Thema begleitet uns im Grunde seit den Unternehmensanfängen von Unilever, berichtet Konstantin Bark, Director Sustainable Business & Communications bei Unilever. So richtig an Fahrt aufgenommen habe das Thema mit dem Unilever Sustainable Living Plan, der vor zehn Jahren beschlossen wurde und dieses Jahr ausläuft. Auch in der Wahrnehmung der Verbraucher habe das Thema Verpackung an Dynamik gewonnen. „Konsumenten erwarten von Unternehmen wie Unilever klare Antworten und wollen wissen, wie wir uns der Verpackungsproblematik stellen“, ist Bark überzeugt.
„Wir haben uns klare Ziele gesetzt. Wir wollen das Gewicht unserer Verpackungen bis 2020 um 30 Prozent verringern, bis 2025 wollen wir den PCR-Einsatz (PCR: Post-Consumer-Recyclingmaterialien) auf 25 Prozent steigern, die Recyclingfähigkeit auf 100 % erhöhen und den Einsatz von Neuplastik um 50 Prozent verringern.“ Die besondere Herausforderung für Unilever bestehe darin, dass diese Ziele für alle Länder gelten, in denen das Unternehmen tätig ist; in vielen Ländern ist aber eine entsprechende Infrastruktur für ein werkstoffliches Recycling nicht gegeben. „Wenn eine Recyclingfähigkeit nur im Labormaßstab abbildbar ist, reden wir nicht von Recyclingfähigkeit“, so Bark. „Als Konsequenz wollen wir weniger und besseres Plastik einsetzen oder ganz darauf verzichten.“
Die neue Cremissimo-Umverpackung sei ein Beispiel dafür, was Unilever unter Recyclingfähigkeit versteht. Die Verpackung setzt sich aus mehreren Teilen zusammen: der Schale mit dem Etikett sowie einer Schutz- und Trennfolie, die über das Eis gezogen ist. Vor der Verpackungsumstellung bestanden alle diese Teile aus verschiedenen Materialien, was die Recyclingfähigkeit deutlich erschwert hat. Nun besteht die komplette Verpackung aus 100 % PP, enthält keine Sperrschichten oder Barrieren, kann vom Verbraucher korrekt dem Gelben Sack zugeordnet werden und wird dort entsorgt. Mit entsprechend verfügbarer Technologie ist die Verpackung korrekt sortierbar und damit für ein werkstoffliches Recycling geeignet.
Nicht Limited Editions sondern industriell skalierbare Maßstäbe
Beim Einsatz von PCR ist es entscheidend, dass es sich um Plastik handelt, das auch tatsächlich in Konsumentenhand war und es sich nicht um Industriereste handelt, die bereits seit Langem in Kreisläufen genutzt werden. „Wir sprechen beim Einsatz von PCR nicht von Limited Editions oder kleinen einzelnen Inititativen wie Social-Plastic-Projekten in Ländern, in denen keine Sammel- und Sortierinfrastruktur existiert. Bei uns geht es darum, dass wir ganze Produktmarken oder -ranges langfristig umstellen und Post-Consumer-Rezyklat einsetzen. Damit gehen wir Verpflichtungen gegenüber unseren Zulieferern ein und tätigen beträchtliche Investitionen“, stellt Bark klar. „Dies ist umso bedeutsamer, da der Rohölpreis durch die Pandemie in den letzten Wochen gesunken ist, was sich natürlich auch auf den Preis von Neuplastik im Verhältnis zu recyceltem Plastik auswirkt. Jeder, der sich weiterhin zu einer Nachhaltigkeits-Agenda bekennt, muss wissen, dass dies mit Investitionen einhergeht.“ Recyceltes Plastik ist kaum konkurrenzfähig, da aufgrund des niedrigen Ölpreises der Preis für Primärkunststoffe oft niedriger ist als der für Sekundärkunststoffe.
Wo setzt Unilever schon heute PCR in der Praxis ein? Die Flaschen für Dove bestehen aus 100 % PCR, genauer aus rHDPE aus einer speziellen Sortierung von hellen Sorten. Zu sehen sind leichte Einschlüsse, denn eine reinweiße Farbe ist bei PCR derzeit nicht zu erreichen. Die Kappe selbst besteht noch nicht aus PCR.
Eine besondere Herausforderung allerdings stellen Lebensmittelverpackungen dar: „Hier fällt es uns deutlich schwerer, rezyklierten Kunststoff einzusetzen, es sind noch rechtliche Fragen zu klären“, erläutert Bark. Es sei aber gelungen, die Kopfsteher-Flaschen für Hellmann’s aus 100 % PCR (rPET) herzustellen. Das PET stammt dabei aus einer separaten Flaschensammlung. Getrennte PET-Sammlungen seien bisher die einzige PCR-Ressource für Lebensmittel, da nur sie die Lebensmittelsicherheit gewährleisten. Auch hier ist eine leichte Graufärbung der Rezyklat-Verpackungen festzustellen. Wie bei der Dove-Flasche auch besteht die Kappe für Hellmann‘s nicht aus PCR.
Wie könnte eine Lösung des Problems der Lebensmitteltauglichkeit von Rezyklaten aussehen? „Das Thema chemisches Recycling wird im Moment noch stark verteufelt, insbesondere von einigen politischen Kreisen. Wir sehen hier aber eine große Chance und auch eine Lösung für einige der ungelösten Fragen im Lebensmittelbereich“, so Bark weiter. Einen ersten Versuch hat das Unternehmen mit dem Magnum-Pint-Becher vorgestellt, der zu einem Teil aus rPP aus chemischem Recycling besteht. Das Material ist für Lebensmittel einsetzbar.
Zusammen mit Neste und Recycling Technologies arbeitet Unilever zudem an der Weiterentwicklung und Nutzbarmachung chemischen Recyclings zur Rückgewinnung und Wiederverwertung von Kunststoffverpackungen. Im Rahmen eines dreijährigen Projekts verarbeitet Recycling Technologies mithilfe seiner Recyclinganlagen Altkunststoffe zu einem Öl. Neste testet und analysiert anschließend dessen Qualität und Eignung für eine weitere Veredelung zu hochwertigem Ausgangsmaterial für die Herstellung neuer Kunststoffe. Diese können beispielsweise zu Kunststoffverpackungen verarbeitet werden. Unilever bringt zusätzliche Expertise ein, die das Design von Verpackungen mit Blick auf ihre Wiederverwertbarkeit betrifft.
„Weiterer Knackpunkt ist die Verfügbarkeit von PCR, insbesondere in der Qualität, in der wir das Material benötigen“, gibt Bark zu bedenken. „Außerdem verursachen Alternativen zu Primär-Kunststoff häufig mehr Kosten, die nicht zwangsläufig an die Konsumenten weitergegeben werden können. Wir brauchen Standards für Recyclingprozesse und -qualitäten, wir brauchen eine Autorisierung von rezykliertem Plastik für Lebensmittel. Der Gesetzgeber ist gefordert, hier nachzubessern, damit wir Planungssicherheit bekommen“, fordert Bark abschließend.
PCR nicht in ausreichender Menge und Qualität auf dem Markt
Auch Jürgen Dornheim, Director Corporate Packaging Innovation & Sustainability bei Procter & Gamble, beklagt, dass die Mengen an PCR, die ein Unternehmen wie Procter & Gamble (P & G) einsetzen muss, in der notwendigen hohen Qualität nicht vorhanden seien. Welche Maßnahmen hat Procter & Gamble ergriffen?
Das Unternehmen setzt unter anderem auf das Pure-Cycle-Advanced Physical Recycling. Dabei handelt es sich um ein innovatives Verfahren zur Reinigung von gebrauchtem Polypropylen. Das daraus gewonnene rPP-Material ist frei von Farbpigmenten, lebensmitteltauglich und bei Kooperationspartnern in USA und EU im industriellen Einsatz.
Ein weiteres Problem ist das der falschen Sortierung: Sie verhindert, dass eine Verpackung den Weg zurück als Rezyklat findet. Unter der Schirmherrschaft von AIM, dem europäischen Markenverband, haben sich mehr als 85 internationale Unternehmen und Organisationen aus der gesamten Wertschöpfungskette (Hersteller, Händler, Recycler) zusammengeschlossen. Ziel der Initiative ist, die Themen intelligente Verpackungssortierung und Recycling auf europäischer Ebene voranzubringen. Die Nutzung unsichtbarer digitaler Wasserzeichen auf Verpackungen, die zu einer besseren Sortierung und einem qualitativ hochwertigen Recycling beitragen soll, gilt derzeit als vielversprechende Technologie. Pixelmuster erzeugen eine Signalfläche, es sind keine speziellen Farben und keine Kunststoffzusätze erforderlich. Das Verfahren funktioniert materialunabhängig und ist für Kunststoff, Metall, Glas und Fasermaterial einsetzbar. Damit kann man nicht nur die Sortierung verbessern, sondern es ist auch beispielsweise beim Check-out an den Kassen einsetzbar, sodass das ganze Projekt sogar noch zusätzlich an Schwung und Dynamik gewonnen hat. Die Markenartikelindustrie geht damit unter dem Namen „Holy Grail 2.0“ gerade in die nächste Projektphase.
Seit Oktober 2020 liefert Procter & Gamble elf Varianten von Lenor Unstoppables mit dem digitalen Wasserzeichen auf der Verpackung in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. Die Verpackungen können somit in dafür ausgerüsteten Sortieranlagen erkannt und dem richtigen Verwertungsstrom zugeführt werden.
Viele Schritte weiter geht das Pilot-Projekt EC 30 von P & G in den USA. Dabei handelt es sich um eine neue Linie von Reinigungsprodukten, die ohne Wasser auskommt. Die innovativen Produkte sind nicht in den alten Seifen- und Waschmittelformen erhältlich, sondern in kleinen stoffähnlichen Mustern, die aufschäumen, wenn beim Waschen und Reinigen Wasser hinzugefügt wird. Die neue Produktform reduziert die Größe und das Gewicht von Waschmitteln erheblich, sodass sie leichter und kleiner verpackt, verschickt und gelagert werden können.
Es gibt acht Typen: Handseife, Gesichtswaschmittel, Körperwaschmittel, Shampoo, Conditioner, Waschmittel, Oberflächenreiniger und Toilettenreiniger. Das neue Reinigungsprodukt kann beispielsweise statt in einer großen Flasche mit Flüssigwaschmittel in einer kleinen, nur 30 Gramm leichten Schachtel, welche in biologisch abbaubaren Kartons verpackt ist, nach Hause gebracht werden.
Die Verpackung der Zukunft
Wie ist sie nun, die Verpackung der Zukunft? „Die Verpackung der Zukunft ist nachhaltig, kreislauffähig und − das mag provokativ erscheinen − sie ist auch überflüssig. Das mag nicht jeder gerne hören, am wenigsten unsere Packmittellieferanten. Die beste Verpackung der Zukunft wird die sein, die gar nicht notwendig sein wird“, so Dornheim.
Nachhaltige Verpackungen: der große Überblick
Sie wollen alles zum Thema nachhaltige Verpackungen wissen? Klar ist, dass der Bedarf an nachhaltigen Verpackungen in den kommenden Jahren stark steigen wird. Aber das Thema ist komplex: Wann gilt denn überhaupt eine Verpackung als nachhaltig und welche Kriterien müssen dabei künftig erfüllt sein? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.