Das Industrial Metaverse auf der Packagaging Machinery Conference
Die (virtuelle) Zukunft des Verpackungsmaschinenbaus
Auf der Packaging Machinery Conference 2024 ging es viel um Lösungen im Hier und Heute. Prof. Dr. Alexander Kutter von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe hingegen warf mit seinem Vortrag „Industrial Metaverse – Chancen, Risiken und was soll das Ganze überhaupt?“ einen Blick in die Zukunft des Verpackungsmaschinenbaus.
Der Begriff „Metaverse“ ist mittlerweile vielen bekannt, vor allem aus der Gaming-Industrie. Aber was ist eigentlich das Industrial Metaverse? „Dabei handelt es sich um einen digitalen Raum, in dem physische Maschinen und Prozesse in Echtzeit durch digitale Zwillinge abgebildet werden. Diese digitalen Zwillinge sind virtuelle Modelle, die die physische Realität präzise nachbilden und ermöglichen, dass Fachleute von überall auf der Welt auf diese Modelle zugreifen und interagieren können“, ordnete Kutter gleich zu Beginn seines Vortrags ein.
Aber einmal ganz provokant gefragt: Ist das Industrial Metaverse jetzt nur ein Hype, oder tatsächlich die nächste große Revolution im industriellen Sektor? Aus Sicht von Kutter ist klar, dass das Industrial Metaverse mehr als nur ein Modewort ist und realen Anwendungen ganz reale Vorteile bietet: „Wenn ich als Experte beispielsweise im Urlaub bin und dringend gebraucht werde, kann ich mich mit einem XR-fähigen Gerät einloggen und sehen, was passiert. Das wäre eine Metaverse-Anwendung.“
Anwendungsfälle im Verpackungsmaschinenbau
Ein zentraler Punkt des Vortrags war natürlich die Frage, ob das Industrial Metaverse nun auch für den Verpackungsmaschinenbau von Interesse ist – denn bei einer Umfrage unter Mitgliedsunternehmen des Packaging Valley landete das Thema Metaverse zuletzt eher niedrig auf der Prioritätenliste. Eigentlich verwunderlich, so Kutter, gäbe es doch viele potenzielle Anwendungsmöglichkeiten im Bereich Anlagen- und Maschinenbau – und führte ein konkretes Beispiel aus einem Industrieprojekt an, bei dem VR zur Fehlererkennung und -behebung zum Einsatz kam: „Wir hatten eine Retrofit-Anlage digitalisiert und konnten in der virtuellen Umgebung eine fehlende Wand entdecken, die im CAD-Modell übersehen wurde. Diese Entdeckung hat uns erhebliche Probleme erspart.“
Ein weiteres Beispiel war der Umzug einer Produktionsanlage, bei dem digitale Modelle der Maschinen und des Gebäudes genutzt wurden, um Kollisionen und Fluchtwege zu überprüfen: „Hier konnten wir sehen, dass eine Treppe mit einer Heizung kollidierte, bevor das Gebäude fertiggestellt wurde. Solche Probleme können in der digitalen Umgebung frühzeitig erkannt und vermieden werden.“
Die Frage nach dem „Durchbruch“
Trotz der vielversprechenden Anwendungen gibt es, zumindest von außen betrachtet, noch keine breite Akzeptanz für das Industrial Metaverse. Dazu Kutter: „Warum hat VR beispielsweise auch im Gaming-Bereich noch keinen Durchbruch erzielt, ist eine häufig gestellte Frage. Aber was heißt das eigentlich? Wenn 100 Prozent VR nutzen? 90 Prozent? Oder ist dieser Punkt vielleicht schon erreicht, wenn fünf Prozent es nutzen, die aber ganz erhebliche Vorteile daraus ziehen?“
Ein wichtiger Punkt, der mit der bisher fehlenden breiten Anwendung der Technologie zusammenhänge, sei die Integration und Umsetzung der Technologien. Entscheidend sei, bereits bei der Konstruktion von Maschinen an die spätere Nutzung im Metaverse zu denken: „Man muss beim Anlegen der CAD-Zeichnungen darüber nachdenken, ob beispielsweise Bohrungen und Löcher für das Metaverse-Modell ausgeblendet werden können, um eine ordentliche Performance zu gewährleisten.“
Maschinenbauer, traut euch!
Abschließend richtete Kutter einen Aufruf an die Entscheidungsträger des Maschinenbaus, mutig zu sein und die Möglichkeiten des Industrial Metaverse zu erkunden: „Traut euch! Es ist extrem wichtig, dass solche Innovationen von oben unterstützt werden. Wenn der Kopf nicht möchte, können die Arme und Beine nicht viel bewirken.“
Und betonte, dass der Mut zur Innovation und das frühe Einbeziehen neuer Technologien erhebliche Vorteile bringen können: „Der Retrofit aus dem Beispiel hat Vierhunderttausend Euro gekostet. Hätten wir die Fehler nachträglich reparieren müssen, wären die Kosten ungleich höher gewesen.“