
Krisensichere Lieferketten, das ist heute ein "Must-Have". (Bild: Dalle 4 / OpenAI)
Als 2020 die Lieferketten weltweit zusammenbrachen, traf es auch den Maschinenbauer aus Laupheim mit voller Wucht: Steuerungen, Kabel, Motoren – viele Komponenten fehlten, Maschinen konnten nicht ausgeliefert werden, Kunden waren verärgert. „Wir hatten 2022/23 das größte Umsatz-Gap unserer Firmengeschichte“, so Reiter. Die Krise wurde zum Auslöser, sich mit dem Thema Resilienz systematisch auseinanderzusetzen.
Bis dahin hatte das Unternehmen, wie viele andere, kaum ein strukturiertes Risikomanagement für die Supply-Chain etabliert. Der Einkauf war regional aufgestellt, die Lieferantenbasis stark lokal fokussiert und vielfach auf Single Sourcing ausgerichtet.
Globalisierung als Chance – und als Risiko
Bereits vor der Pandemie hatte Uhlmann begonnen, seine Produktion zu globalisieren: mit Werken in China, Indien, Singapur und Brasilien. Damit ergab sich zwangsläufig die Notwendigkeit, auch die Lieferketten internationaler aufzustellen. Ziel war es, näher an den Kunden zu rücken, Kosten zu optimieren und gleichzeitig Risiken zu streuen.
Der strategische Einkauf wurde entsprechend angepasst: Rund 50 Mitarbeitende sind heute im Einkauf tätig, davon zehn im strategischen Bereich. Diese sind zunehmend auch an internationalen Standorten präsent, um lokale Beschaffungsquellen zu nutzen. Die One-fits-all-Lösung aus der deutschen Zentrale gilt heute als Auslaufmodell – differenzierte, regionale Sourcing-Strategien treten an ihre Stelle.

Vier zentrale Maßnahmen für mehr Krisenfestigkeit
Aus der Reflexion über die eigene Krisenerfahrung leitete Uhlmann ein Maßnahmenpaket ab, das die Resilienz der Lieferkette systematisch erhöht:
- Risikobasierte Lieferantenbewertung
Seit 2021 bewertet das Unternehmen zweimal jährlich seine strategisch wichtigsten Lieferanten anhand eines neun Punkte umfassenden Kriterienkatalogs. Dazu zählen unter anderem Bonität (beispielsweise auf Basis von Kreditreform-Scores), Lieferperformance (QDC: Quality, Delivery, Cost), Abhängigkeiten, geografische Risiken und Nachhaltigkeitsaspekte. Die Ergebnisse fließen in ein Management-Review auf Geschäftsführungsebene ein. - Kontrollierter Onboarding-Prozess für neue Lieferanten
Nur der Einkaufsleiter darf neue Lieferanten freigeben – nach einem Screening der wichtigsten Kriterien: Umsatzvolumen, Kundenbedeutung, Nachhaltigkeit, Resilienzpotenzial. Der Auswahlprozess erfolgt im Vier-Augen-Prinzip. - Technologiematrix und Vorzugskataloge für Entwickler
Entwicklungsabteilungen erhalten definierte Vorzugslieferanten für spezifische Warengruppen. Neue Lieferanten können nur in Abstimmung mit dem Einkauf zugelassen werden. Tools wie die Plattform Cadenas helfen dabei, strategisches Teilemanagement umzusetzen und Variantenvielfalt zu reduzieren. - KI-gestützte Risikoanalyse und Lieferantensuche
Aktuell testet Uhlmann KI-Modelle, um geopolitische und wirtschaftliche Indikatoren zu analysieren und Frühwarnsysteme für die Supply Chain zu entwickeln. Auch bei der Suche neuer Lieferanten kommen KI-basierte Tools zum Einsatz, die weltweit über 20 Mio. Anbieter anhand von Spezifikationen filtern.
Variantenreduktion und Bestände neu bewertet
Zwei weitere zentrale Hebel ergänzen die Strategie: Zum einen verfolgt Uhlmann das Ziel, die Variantenvielfalt bis 2030 um 50 % zu reduzieren. Das Unternehmen setzt auf Modularisierung und, mehr noch, auf konsequente Standardisierung von Funktionen und Komponenten, um Komplexität, Kosten und Abhängigkeiten zu senken.
Zum anderen wurde die Bestandsstrategie angepasst. Kritische Komponenten werden nun für bis zu sechs Monate bevorratet. Zuvor lag die Reichweite bei anderthalb Monaten. Reiter verweist auf positive Beispiele wie Beckhoff Automation, die mit hohen Sicherheitsbeständen während der Pandemie lieferfähig geblieben seien.

Szenarien durchspielen – Strategien widerstandsfähiger machen
Klassische War Games hat Uhlmann bislang nicht durchgeführt. In der jüngsten Strategieentwicklung bis 2030 hat das Unternehmen jedoch erstmals mit extremen Szenarien gearbeitet. Ziel war es, nicht vergangenheitsbasierte Annahmen fortzuschreiben, sondern über Szenarien-unabhängige Herausforderungen wie China, KI, Fachkräfte- oder Nachhaltigkeitsthemen belastbare Antworten zu finden.
Nachhaltigkeit rückt in die Bewertung ein
Auch Klimarisiken und Nachhaltigkeitskriterien gewinnen in der Lieferantenbewertung an Bedeutung. Noch agiert Uhlmann dabei mit Augenmaß: Nicht jeder Kundenfragebogen wird eins zu eins übernommen. Aber geographische Risiken – etwa Naturkatastrophen, Kriegsgebiete oder CO₂-Intensität aufgrund langer Transportwege – fließen zunehmend systematisch ein.
Resilienz ist kein Modethema – sondern eine Notwendigkeit in einer zunehmend instabilen Welt. Auch wenn Themen wie KI, Digitalisierung und Transformation derzeit im Fokus stehen, wird die nächste Störung der Lieferkette kommen. Unternehmen, die heute strukturiert vorsorgen, können im Ernstfall handlungsfähig bleiben – und ihre Kunden auch dann zuverlässig bedienen.