
Wenn sich ein Unternehmen verändert, geht es Technik, Tool und Prozesse – vor allem aber um Menschen. (Bild: OpenAI / Dall-E)
Diese leise Verschiebung im Selbstverständnis der Branche – weg vom reinen Produkt, hin zur ganzheitlichen Lösung – zog sich am 04. und 05. Juni 2025 wie ein roter Faden durch die Packaging Machinery Conference in München. Und wer in München genau hinhörte, merkte schnell, dass es dabei weniger um neue Technik, Tools oder Prozesse ging. Sondern um etwas viel Grundsätzlicheres – um den Menschen selbst.
Der Mensch als blinder Fleck der Transformation
Technologie, Methodik, Digitalisierung – all das steht in der industriellen Debatte um Transformation traditionell ganz oben auf der Agenda. Auch auf Konferenzen wie dieser wird viel über Predictive Maintenance, modulare Maschinenkonzepte oder skalierbare Servicemodelle gesprochen. Zu Recht. Aber: Auch die beste Strategie bleibt Theorie, wenn sie nicht von Menschen getragen wird.

„Transformationskompetenz beinhaltet kognitive Kompetenzen, Strategiearbeit und das richtige Mindset“, führte Dr. Torsten Schmid in seinem spannenden und kurzweiligen Impulsvortrag aus. Der erfahrene Organisationsentwickler plädierte für ein radikales Umdenken: Wer nur Prozesse transformieren will, verpasst den Kern. Denn es sind die Mitarbeitenden, Führungskräfte und Teams, die den Wandel gestalten – oder blockieren.
Und genau das macht den Unterschied. Transformation scheitert selten an Technologie. Sie scheitert am Widerstand, an mangelndem Vertrauen, an fehlender Bereitschaft zur Veränderung. Oder wie es ein Teilnehmer am Rande formulierte: „Wir haben alle Tools – was fehlt, ist oft der Mut, sie zu nutzen.“
Wenn Technik zur Kulturfrage wird
Dabei geht es nicht um ein „Entweder–Oder“. Natürlich braucht Transformation beides: neue Technologien und neue Kompetenzen. Aber die Reihenfolge ist entscheidend. Wer mit Prozessen startet und erst danach auf die Menschen blickt, baut auf Sand.
In München wurde deutlich: Der Vertrieb steht exemplarisch für diesen Wandel. Clemens machte in seiner Keynote klar, dass Maschinenbauer zunehmend als Lösungsanbieter auftreten müssen. Das verlangt neue Fähigkeiten im Vertrieb – weg vom Produktschubser, hin zum Berater auf Augenhöhe. Doch solche Rollenwechsel sind keine rein fachlichen Herausforderungen. Sie sind kulturell.
Denn wer andere beraten will, muss sich selbst hinterfragen können. Wer Lösungen verkaufen will, muss lernen, mit Unsicherheit umzugehen. Das kann man nicht per E-Learning beibringen – das braucht Dialog, Erfahrung und emotionale Reife.
Warum Upskilling allein nicht reicht
Natürlich ist Weiterbildung ein zentrales Element. Doch zu oft wird „Upskilling“ im industriellen Kontext auf technisches Lernen reduziert: neue Tools, neue Prozesse, neue Systeme. Der Mensch wird dabei zum Update-Empfänger.
Was fehlt, ist das, was Schmid sinngemäß in seinem Vortrag als „innere Transformation“ beschrieb: Die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Der Wille zur Verantwortung. Die Bereitschaft, Kontrolle abzugeben und Vertrauen zuzulassen. Gerade Führungskräfte tun sich damit oft schwer – nicht aus Bosheit, sondern weil sie jahrelang in einem anderen System sozialisiert wurden.
Es braucht deshalb mehr als Trainings. Es braucht Räume für Entwicklung, Feedback und Austausch. Unternehmen, die das erkannt haben, investieren nicht nur in Wissen, sondern auch in Haltung. Nicht nur in Skills, sondern in Charakter.
Was können Unternehmen jetzt tun?
Für Entscheider in der Verpackungsindustrie heißt das: Transformation beginnt nicht mit der Auswahl des nächsten ERP-Systems. Sie beginnt mit der Frage: Wer in unserem Team kann Wandel wirklich gestalten? Wer kann führen, ohne zu kontrollieren? Wer kann Unsicherheit als Chance begreifen?
Der erste Schritt: Verstehen, dass Transformation keine rein technische Herausforderung ist. Sie ist ein sozialer Prozess. Und wie jeder soziale Prozess, lebt sie von Kommunikation, Vertrauen und Sinn.
Der zweite Schritt: Führung neu denken. Statt über Anreizsysteme oder Projektpläne nachzudenken, sollten Unternehmen über die emotionale Reife ihrer Führungskräfte sprechen. Über Mut, über Fehlerkultur, über Zuhören.
Der dritte Schritt: Upskilling ganzheitlich angehen. Ja, neue Technologien müssen beherrscht werden. Aber parallel dazu braucht es Formate, die Mindset-Entwicklung fördern – Coachings, kollegiale Beratung, Cross-Trainings mit ungewohnten Perspektiven.
Fazit: Der Mensch ist kein „Soft Factor“ – er ist der Schlüssel
Die Packaging Machinery Conference hat gezeigt: Die Zukunft des Verpackungsmaschinenbaus entscheidet sich nicht allein in den Entwicklungslaboren oder auf den Werkbänken. Sie entscheidet sich in Besprechungsräumen, in Führungsetagen und auf der zwischenmenschlichen Ebene.
Wer den Wandel wirklich will, muss ihn zuerst im Kopf und Herzen der Menschen anstoßen. Nicht mit Schlagworten, sondern mit echtem Interesse, ehrlicher Kommunikation und einem klaren kulturellen Zielbild.
Drei Takeaways für Entscheider:
- Technik folgt Haltung: Ohne Veränderungsbereitschaft der Menschen bleibt jede Technologie wirkungslos.
- Führung wird zur Schlüsselkompetenz: Leadership ist nicht mehr nur Management – es ist Kulturstifter und Veränderungsbegleiter.
- Transformation ist Teamsache: Dialog, Vertrauen und psychologische Sicherheit sind die Basis für echten Wandel.
Wer die Herausforderungen der Zukunft meistern will, braucht nicht nur Maschinen, die effizienter, vernetzter und smarter sind – sondern vor allem Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, neu zu denken und gemeinsam voranzugehen.
Der wichtigste Hebel liegt nicht in der Technik – sondern im Miteinander. Und genau deshalb sollte jede ernst gemeinte Transformation nicht bei der Organisation beginnen, sondern bei den Menschen, die sie prägen.
Denn am Ende gilt: Eine starke Kultur ist kein nettes Extra. Sie ist das Betriebssystem jedes erfolgreichen Wandels.