neue verpackung: Herr Carstens, bei Mutabor haben Sie sich Unterstützung in Form eines digitalen Helfers ins Haus geholt: KI. Wie sieht hier die Arbeitsteilung im Projektgeschäft aus, welche Aufgaben übernimmt die KI und wo übernehmen dann die Kolleginnen und Kollegen aus Fleisch und Blut wieder?
Moritz Carstens: Intern beschäftigen sich alle Teams intensiv mit KI. Es gibt eine Workforce die an Studien, Hackathons, Workshops und Know-how Transfers arbeitet, um alle Kolleginnen und Kollegen fit zu machen. Da wir aber teilweise mit sehr sensiblen Kundendaten arbeiten, kann KI aktuell im Projektgeschäft nur sehr punktuell zum Einsatz kommen. Deshalb erarbeiten wir gerade eine eigene Lösung.
Ein großer Teil der Arbeit wird also tatsächlich noch von Menschen gemacht und die KI unterstützt da, wo es möglich ist, als ein weiteres, starkes Tool.
neue verpackung: Eine KI ist aktuell vor allem dafür gut, ein solides Grundgerüst für weitere Arbeiten zu schaffen und damit Zeit zu schaffen. Werden Markenartikler also schneller mit Motiven auf ihren Verpackungen auf aktuelle Ereignisse eingehen können, oder wo liegen die Vorteile aus Kundensicht beim Einsatz dieses Modell?
Carstens: Als Packaging Designer ist das für mich der interessanteste Aspekt von KI.
Die große Revolution, die viele Bereiche der Branche mit der Digitalisierung durchmachen mussten, kam beim Packaging nur abgeschwächt an. Klar, es gab auch hier Veränderungen, aber im Großen und Ganzen betrachtet, ist der Prozess beim Kreieren einer Verpackung noch recht konservativ. Es braucht weiterhin viel Zeit für die Entwicklung, Kontrolle und Produktion. Besonders Marken mit vielen Produkten und unterschiedlichen Formaten, werden es in Zukunft deutlich leichter haben, um ein neues Produkt in ein bestehendes Portfolio zu integrieren.
Meine Prognose ist, dass das Produkt-Management zukünftig nur noch ein Tool mit einer kurzen Beschreibung und gegebenenfalls einer technischen Zeichnung füttern wird. Die KI wirft dann, auf Basis hinterlegter Guidelines und Learnings, druckfertige Verpackungsvorschläge aus. Diese müssten dann schlussendlich nur noch einen menschlichen Freigabeprozess durchlaufen. An dieser Idee arbeiten wir gerade mit Hochdruck!
Wenn dazu noch digitale Druckmaschinen zum Einsatz kommen, könnte von der Idee bis hin zur fertigen Verpackung nur noch wenige Tage vergehen.
neue verpackung: Ein KI-Modell wird immer besser, umso mehr man es mit Daten füttert. Nutzen Sie also primär eigene Designstudien, oder füttern Sie Ihre Software auch mit externen Datenbanken?
Carstens: Um dem Lizenzproblem aus dem Weg zu gehen, füttern wir im Projektgeschäft unser eigenes Tool mit selbstentwickelten Daten. Das macht den Output kontrollierbar, weniger zufällig und vor allem lizensierbar. Die Ergebnisse, die wir so erzielen, sind sehr vielversprechend!
neue verpackung: Stichworte Daten und Datenschutz: Kommen hier eigentlich personenbezogene Daten zum Einsatz? Und wenn ja: Wie schützen Sie diese?
Carstens: Wir arbeiten an eigenen Lösungen, um genau dieses Problem zu umgehen. Unser aktueller Ansatz ist es, Tools zu entwickeln, die auf unseren eigenen Servern laufen. Damit können wir unseren KundInnen garantieren, dass die Daten sicher sind. Außerdem entsteht so auch sehr spezifischer Content.
neue verpackung: Und wenn dann einmal genügend viele Menschen virtuell im Modell abgebildet sind – könnten klassische Marktstudien, die viel Geld und noch mehr Zeit kosten, künftig mehr oder minder entfallen?
Carstens: Ich glaube, dass sich Marktforschung nur zu einem gewissen Teil optimieren lässt. Am Ende soll das Ergebnis Menschen gefallen. Der Mensch denkt weniger in Algorithmen und dafür stärker emotionsgesteuert. Von daher glaube ich, dass weiterhin Menschen befragt werden müssen, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.
Bei der Vorbereitung und Auswertung von Ergebnissen können wir aber deutlich effizienter werden. Interessant wird es auch insofern, dass die KI schneller auf vergangene Studien zurückgreifen kann und diese gegebenenfalls mit in die Auswertung einbeziehen wird. Die Maschine vergisst nichts.
neue verpackung: Um vom Geld auf Geschäftsmodelle zu kommen: Wird es künftig vielleicht eine Art Basis-Paket geben, bei dem der Kunde rein von der KI erstellte Entwürfe erhält und dann optional gegen einen bestimmten Aufpreis ein Mensch das Finetuning übernimmt?
Carstens: Kurz gesagt: ja. Ich hoffe allerdings, „made by humans“ wird in Zukunft noch ein Qualitätsmerkmal bleiben. Intuition und Emotionen werden hoffentlich nicht so schnell ersetzbar sein.
Kurzfristig werden aber logische, technische und sich wiederholende Aufgaben nicht mehr vom Menschen gemacht werden. Das zeigte uns bereits die Industriellen Revolution. Dies ist ein großer Vergleich, aber ich denke, dass man auf die Etablierung von KI ähnlich zurückblicken wird. Wir werden sehen, wo der Mensch seinen Platz findet.
Über Moritz Carstens
Moritz Carstens, Creative Director bei Mutabor, arbeitete nach seinem Studium der Freien Künste und Kommunikationsdesign in Hamburg bei verschiedenen Designagenturen und war in den letzten 10 Jahren unter anderem für Kunden wie Bahlsen, British American Tobacco, Coca-Cola, Hansaplast Sport, Imperial Tobacco, Krombacher und Osram verantwortlich.