Ich war noch keine zehn Jahre alt, als wir unsere dritte Offsetdruckmaschine mit einer Präsentation vor geladenen Gästen eingeweiht haben. Während mein Vater seine Rede hielt, bin ich hinter ihm in die Druckmaschine geklettert und hab jedes einzelne Druckwerk inspiziert, wo welche Farbe drin ist“, teilt Felix Fischer eine seiner ersten Erinnerungen an das Familienunternehmen. Inzwischen ist Felix Fischer 32 Jahre alt und im letzten Jahr in die Geschäftsleitung des Melsunger Unternehmens „Die Pharmadrucker“ eingestiegen, laut eigenem Anspruch die lieferfähigste Pharmadruckerei Europas mit kurzen Lieferzeiten, schnellen Wegen und unkompliziertem Handeln. Dass dies den Umstieg auf den Digitaldruck erforderte, ist offensichtlich.
Diese Wandlung, wie auch die Entstehung der Pharmadrucker hat der Jungunternehmer live miterlebt. Zwar steckte er noch im Abitur beziehungsweise stand am Anfang seines Wirtschaftsstudiums, als die Pläne reiften, sich aus der bestehenden Akzidenzdruckerei heraus auf vorhandene Stärken zu konzentrieren und ein klares Pharma-Kundenprofil in den Vordergrund zu stellen, aber dieses Thema entwickelte sich – wie viele andere – am täglichen Mittagstisch der Unternehmerfamilie. Immer wenn es sich einrichten ließ, nahm Unternehmer Conrad Fischer das Mittagessen mit der Familie ein, jeden Mittag war auch die Unternehmensgruppe Thema bei Tisch. Und das ist auch heute noch so, wenn auch die Rollen sich verändert haben. Doch jetzt ist es Felix, der über Aktuelles aus der Firma berichtet. Vater Conrad bleibt wichtiger Sparringspartner für strategische Themen, Personalfragen und Marketing, die beiden jüngeren Schwestern sitzen dagegen nicht mehr regelmäßig mit am Mittagstisch. Diese werden einmal im Monat im Rahmen einer „Nachfolgekonferenz“ in das aktuelle Geschehen eingebunden.
Ab in die Provinz?
Dass der Sohn die Geschäftsführung des Familienunternehmens übernimmt, war nie vorgezeichnet. Schon mit 15 Jahren zog es ihn für ein Schuljahr nach Neuseeland, im Zuge des Studiums zu Auslandssemestern in Chile, Dänemark und Portugal. 2021, nach drei Jahren bei KPMG, stieg Felix Fischer schließlich doch ins Familienunternehmen ein: „Mich damit auch für die hessische Provinz und gegen eine internationale Karriere zu entscheiden, war der schwerste Teil dieses Entschlusses.“ Genauso deutlich sagt Fischer aber auch, dass er ohne die Wandlung der früheren Akzidenzdruckerei in die Pharmadrucker diesen Schritt nicht gemacht hätte. Für seine Schul- und Studienfreunde sei schon immer klar gewesen, dass er in das Familienunternehmen einsteige, für ihn selbst nicht.
Ob ihn das internationale Studium auf diese Aufgabe vorbereitet habe? Die Zeiten im Ausland hätten ihn gelehrt, anders auf Dinge zu blicken, Problemstellungen aus verschiedenen Richtungen zu betrachten, manchmal nicht „zu deutsch“ zu sein. Zudem habe er aus der KPMG-Zeit das Berater-Asset mitgenommen, die richtigen Fragen zu stellen, und aus dem Studium die analytische Denkweise, die ihn von den vorherigen Unternehmergenerationen unterscheidet, die sich noch stärker auf ihr gutes Bauchgefühl verließen. „Während mein Großvater ohne einen einzigen Auftrag eine Druckmaschine gekauft hat und mit Optimismus in die Welt geblickt hat, entscheiden wir heute strukturiert auf Basis solider Auftrags- und Auslastungszahlen über die nächste Investition“, verdeutlicht Fischer.
Und „wir“ bedeutet heutzutage nicht nur das aus den beiden Geschäftsführern Felix Fischer und Alexander Storck (36 Jahre) bestehende Management. Auch die Mannschaft der Pharmadrucker hat sich verjüngt und hat heute einen anderen Anspruch an seinen Arbeitgeber. Soweit die strenge Regulatorik der Produktion von Pharmaverpackungen dies erlaubt, werden den Mitarbeitern Entscheidungsfreiheit und Flexibilität eingeräumt, wurde die Kommunikation integrativer und die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber stärker herausgearbeitet. So wie für Felix Fischer das Familienunternehmen einst ein großer Spielplatz war, gibt er auch heute die Maxime aus, dass es wichtig ist, dass die Mitarbeiter nicht ihren „Spieltrieb“ verlieren, auch wenn dabei mal etwas schiefgehen kann, oder wenn das auch mal Geld kostet.
Mit einer sehr erfolgreichen Dekade im Rücken blickt die Melsunger Firmengruppe nun nach vorne, beschäftigt sich mit der Frage, was das „next big thing“ ist, sei es eine Erweiterung des Produktportfolios der Pharmadrucker oder eine ganz neue Sparte für die Firmengruppe. In Zeiten zunehmender Digitalisierung und immer schneller werdender Entwicklungszyklen müsse man sich vielleicht auch nicht nur auf das Drucken begrenzen, so Fischer. Anderen Familienunternehmen rät Felix Fischer, die Nachfolgegeneration so früh wie möglich in Entscheidungen einzubeziehen. Und der Nachfolgegeneration rät er, sich die Entscheidung wohl zu überlegen. „Ich fand es schwierig, einen Austausch mit Leuten zu finden, die in einer vergleichbaren Situation sind. Der ein oder andere Podcast hat mir dabei geholfen, mich damit auseinanderzusetzen.“
Über Knox
Knox ist eine Unternehmens- und Personalberatungsgesellschaft, deren Engagement der Verpackungs- und Druckindustrie gilt, sei es in der Produktion, im Handel oder im Dienstleistungsbereich. Das Team von Knox berät seit nahezu 20 Jahren in Deutschland, Europa und darüber hinaus Unternehmen in diesem Branchenumfeld bei strategischen Herausforderungen, insbesondere auch durch die umfängliche Betreuung und den erfolgreichen Abschluss von Unternehmenstransaktionen.
Der Seriengründer
Ohne große Vorabüberlegungen ist Lasse Harder, 27 Jahre, in das familiäre Firmenumfeld reingerutscht. Schon zu Schulzeiten hat er unter anderem ein Modelabel gegründet, sich mit Autoreinigungsmitteln selbständig gemacht und schließlich im Alter von 15 Jahren Partylabels24.com gestartet. „Die Geschäftsidee mit den bedruckten Getränkedosen hat mir zumindest meine Weltreise finanziert“, so Harder. Produziert wurden die Dosen von der väterlichen Harder-Online GmbH (Labelprint24.com).
Doch der Berufsweg sollte auch bei ihm eigentlich ein anderer sein. Parallel zu seinem Marketingstudium hat Lasse Harder sich bei Mymuesli um den Verpackungseinkauf gekümmert und im Familienunternehmen gejobbt. Während die Arbeit immer mehr wurde, wurde die Zeit für das Studium immer knapper. und im letzten Semester schmiss Harder schließlich das Studium und beschäftigte sich mit der nächsten Gründungsidee. Gemeinsam mit seinem Bruder Nils, 30 Jahre, hob er das Packaging Warehouse aus der Taufe, einen schnellen und agilen Marktplatz für Verpackungen, auf dem der Kunde seinen gesamten Verpackungsbedarf aus einer Hand bekommen kann. Natürlich werden Teile dieses Sortiments bei Harder-Online produziert, sodass die Firmen stärker miteinander verbunden sind, als es nach außen hin wirken mag. So kümmert sich Lasse Harder nicht nur für das Packaging Warehouse um Marketing und Vertrieb, sondern begleitet diese Aufgabe auch für den angestammten Familienbetrieb.
Warum die Entscheidung der beiden Brüder trotzdem für etwas Eigenes fiel? „Vielleicht war es eine Mischung daraus, unserem Vater das zu lassen, was er aufgebaut hat, und gleichzeitig die Chance zu nutzen, uns mit einem eigenen Geschäftsmodell zu beweisen – insgesamt aber doch für ein gemeinsames Ziel zu arbeiten“, so Harder. Auch gab es in der Familie nie den Anspruch, in das Familienunternehmen einzusteigen, obwohl man quasi in der Firma aufgewachsen ist. Ursprünglich war die Wohnung der Familie unmittelbar über der Produktion im württembergischen Weingarten, bis Vater Stefan Harder vor knapp 15 Jahren die Entscheidung traf, einen neuen Standort im Raum Dresden aufzubauen. Für die Familie war dies ein Umbruch. Lasse Harder erinnert sich an ein Bild, das sein Bruder für den Vater malte und das die krakelige Aufschrift trug „Es gibt nicht nur die Arbeit, es gibt auch uns.“
Ein Kompromissgeschäft?
Heute treffen Lasse, Nils und Stefan Harder viele Entscheidungen gemeinsam für die Familienunternehmen, was am Anfang deutlich schwieriger war. „Wir haben alle drei sehr genaue Vorstellungen, wie die Dinge sein sollen. Nur manchmal weichen diese Vorstellungen stark voneinander ab“, so Harder. Während früher Stefan Harder alle Entscheidungen für sein Unternehmen traf, sitzen heute einmal im Monat seine Söhne und verschiedene Abteilungsleiter mit am Tisch (je nach Thema fünf bis sechs Personen), die gemeinsam Entschlüsse fassen. Dazu kommt, dass man die Familienunternehmen 2021 an All-4-Labels verkauft hat, sodass zumindest bei Budgetthemen aber auch bei der ein oder anderen strategischen Frage die Hamburger Muttergesellschaft eingebunden wird. „Unser Vater hatte mit der Entscheidung über einen Unternehmensverkauf mehr zu kämpfen als wir und hat sich gefragt, ob er damit für die Familie die richtige Entscheidung trifft“, so Lasse Harder. „Nils und ich haben ihn aber darin bestätigt, dass es ein guter Schritt ist und auch wir diesen mittragen!“
Mittlerweile entwickelt sich das Packaging Warehouse prächtig, auch wenn eine große Unternehmensgruppe wie All-4-Labels ein ungewohntes Umfeld für ein Online-Start-up sein mag. „In diesem Jahr wachsen wir voraussichtlich um 40 bis 50 Prozent und in den nächsten Jahren wollen wir genauso rasant weiter wachen und unseren Umsatz vervielfachen“, berichtet Harder.
Sein Rat an andere Familienunternehmer ist es, einerseits eine Grenze zwischen Beruf und Privatleben zu ziehen: „Andere Familienmitglieder leiden darunter, wenn beim Abendessen nur über die Firma gesprochen wird.“ Andererseits weist er darauf hin, dass eine Unternehmensnachfolge ein „Kompromissgeschäft“ ist, das insbesondere anfangs sehr hart sein kann, das nächtelange Diskussionen mit sich bringen kann und auch mal zu schmerzhaften Entschlüssen führe. Nichtsdestotrotz ist Lasse Harder glücklich mit dem Schritt, den sein Bruder und er gegangen sind. Und wie einmal die Nachfolge für Harder-Online geregelt wird, wird zwar womöglich an anderer Stelle entschieden, Lasse Harder sieht seinen Bruder und sich aber als die richtigen für Labelprint24 an: „Wir sind mit dem Geist des Unternehmens aufgewachsen!“ Wobei auch nicht auszuschließen ist, dass Lasse Harder morgen schon wieder eine neue Gründungsidee packt.
Das Produkt verstehen
Auch der 32 Jahre alte Carlo Remmele wurde in ein Familienunternehmen hineingeboren, das wohl bekannteste dieser kleinen Reihe. Die Südpack, heute einer der nachhaltigsten und innovativsten Hersteller von Kunststoffverpackungen und Hochleistungsfolien mit rund 1.800 Mitarbeitenden weltweit, beginnt in Carlos Erinnerung deutlich kleiner. Mit dem Büro seines Großvaters und Firmengründers Alfred Remmele, zu dem der Weg an seiner Großmutter vorbei führte, die immer ein Päckchen Gummibärchen für ihn zur Hand hatte. „Die Gummibärchen waren oft steinhart, aber die von Oma waren trotzdem einfach die besten“, lacht Carlo Remmele heute darüber.
Auch in seiner Jugend war die Firma allgegenwärtig. Sein Vater und seine Tante stiegen als zweite Generation in das Familienunternehmen ein, nach der Schule war er ab und zu mit in der Firma. Am Feierabend wie am Wochenende war das Unternehmen Thema und auch in den Urlaub reiste Südpack mit. Doch Carlo Remmeles Blick zurück ist nicht kritisch, nicht ohne Grund war man auch stolz darauf, was da aus dem schwäbischen Ochsenhausen erwuchs.
Bei dem wachstumsstarken Verpackungshersteller wuchsen mit der Zeit auch die Anforderungen und die Führungsaufgaben, sodass man schon bald die Familienführungsstruktur um angestellte Manager erweiterte. „Bei uns galt schon immer, der Beste machts und nicht, dass der Familienname ausreichende Qualifikation für eine Aufgabe sein sollte“, so Remmele. Seitens seiner Familie hat er nie den Druck gespürt, ins Unternehmen einzusteigen, wobei sein Großvater – seines Zeichens Käser und Molkereimeister – ihm auf der Terrasse gerne Anekdoten aus dem Unternehmen erzählte und betonte, dass man das Produkt verstehen müsse, das Südpack zu schützen gedenkt. So war es auch sein Rat, dem Carlo Remmele mit einer Ausbildung zum Milchtechnologen folgte, nachdem er bereits in der Schulzeit Jahr für Jahr einen Ferienjob in verschiedenen Abteilungen von Südpack verbracht hatte und bevor er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften abschloss.
Der frühe und umfassende Einblick in das Familienunternehmen sowie die Ausbildung bei Zott sind für Remmele heute Gold wert. „Auch, dass ich schon seit vielen Jahren in Entscheidungsfindungen einbezogen werde und in meiner Zeit bei Südpack in meinem Vater und meiner Tante wie auch im gesamten Südpack-Team Mentoren finden konnte, von denen ich unheimlich viel gelernt habe.“ Strategischer Weitblick, Gespür für Markttrends, der Fokus auf langfristige Partnerschaften mit Lieferanten und Kunden, die Fähigkeit auch in herausfordernden Situationen gute Entscheidungen zu treffen, sind Werte, die Carlo Remmele mitgenommen hat.
Den eigenen Weg finden
Diese Erfahrungen hatte Carlo Remmele im Gepäck, als er vor rund zwei Jahren projektbezogene Aufgaben im in 2017 akquirierten Produktionsstandort in Oak Creek, Wisconsin (ehemals Seville Flexpack) übernahm, bald in die Rolle des Vice President Operations schlüpfte und seit Ende 2023 als Chief Executive das US-Geschäft leitet. Ob der Umgang mit einem Familienunternehmer in den Vereinigten Staaten anders ist, will Remmele nicht beurteilen „Während ich in Deutschland viele Mitarbeitende schon seit 15 Jahren kenne, bin ich für mein 65-köpfiges Team in den USA einfach Carlo. Und ich mache den Leuten immer deutlich, dass ich zwar den Familiennamen trage, aber nicht der CEO der Unternehmensgruppe bin.“
Was Carlo Remmele in den USA verantwortet, ist in gewisser Weise ein Querschnitt der Südpack-Gruppe. Zwar hat man vor Ort keine eigene Extrusion, sondern führt einen Converting-Standort, aber man adressiert aus einem Unternehmen heraus alle für die Südpack-Gruppe relevanten Zielmärkte. „Lebensmittelverpackungen stellen das größte Marktsegment für Südpack dar, gefolgt von Pharmaverpackungen und technischen Produkten“, so Remmele. Seine Mission sieht er darin, in Oak Creek den Grundstein für ein erfolgreich wachsendes US-Business zu legen, denn Internationalisierung ist neben Automatisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit eine der vier Säulen der als Projekt 2030 ausgelobten Strategie der schwäbischen Unternehmer.
Auf dem Weg zum Jahr 2030 und darüber hinaus sieht Carlo Remmele die Südpack-Gruppe erstklassig aufgestellt: „Kreislaufwirtschaft, Energieeinsparung, Investitionen in Recyclinglösungen, alternative Verpackungsprodukte auf der einen Seite, Attraktivität für Arbeitnehmer, die Ausbildung von Fachkräften und Veränderungen in der Führungskultur auf der anderen“, nennt Remmele als Themen, denen sich die Südpack-Gruppe fortwährend widmet als gelebtes innovatives Familienunternehmen.
Und was den Weg angeht, den Familienunternehmen an sich gehen sollten. Carlo Remmeles Aussage dazu ist so eindeutig wie offen: „Jedes Familienunternehmen muss mit der nächsten Generation seinen eigenen Weg finden.“ Ganz offensichtlich haben die drei Unternehmen, die wir hier vorstellen durften, allesamt ihren eigenen guten Weg gefunden, die nächste Generation für die Verpackungsbranche zu begeistern und in das jeweilige Firmenumfeld einzubinden.