3 Personen auf Stühlen sitzend.

Beim Bewerbungsprozess scheiden ältere Arbeitnehmer oft schnell aus. Was können sie tun, um das zu ändern? (Bild: Studio Romantic – stock.adobe.com)

Aus dem Fachkräftemangel wurde ein Arbeitskräftemangel. Beide Begriffe beschreiben ein Problem der Mitarbeitergewinnung. Neben ungünstigen Standortstrukturen, schlechten Arbeitsbedingungen oder zu geringen Gehältern erschwert der demografische Wandel die schnelle und erfolgreiche Stellenbesetzung. Eine alltägliche Situation für Personalberater und HR-Verantwortliche: Für eine Vakanz haben sie keine passenden Bewerber. Noch etwas präziser: Sie haben keine Bewerber unter 50+, sagten aber bereits einigen durchaus qualifizierten Kandidaten über 50+ vorzeitig ab. Warum eigentlich? Was hinderte sie daran, mit diesen Bewerbern weitere Interviews zu führen?

Aus Sicht des Personalmanagers waren es oft deren hohen, teilweise als unerfüllbar empfundenen Anforderungen bei Jobwünschen. Die Gehaltvorstellungen passen nicht mehr in den Rahmen oder zu den Anforderungen der Vakanz. Im Klartext: der Bewerber ist zu teuer. Mobilität ist immer ein Thema. Eigentum bindet, und ältere Kandidaten sind deutlich seltener mobil, also umzugswillig. Obwohl die Kinder aus dem Haus sind und bundeslandübergreifende Schulwechsel kein Hinderungsgrund sind, möchte man das soziale Umfeld nicht aufgeben. Pendellösungen werden bei der Besetzung von Führungspositionen ungern angeboten mit dem Argument, dass entweder die Beziehung oder der Beruf leidet und die Stelle nach drei Jahren wieder neu besetzt werden muss.

Ältere Mitarbeiter verfügen über Disziplin und eine ausgeprägte Arbeitsethik, die sie gerne auf die Generation X, Y und Z übertragen möchten. Beharrungsvermögen und die Anwendung jahrelang erprobter, (nicht) agiler Führungsmethoden nach dem Motto „damit habe ich im Unternehmen X großen Erfolg gehabt“ untermauern den eigenen Erfahrungsschatz, beweisen aber nicht die Fähigkeit, sich mit den Werten und der DNA des neuen Unternehmens oder mit stark veränderten Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. In den ersten Einstellungsgesprächen verstricken sich die älteren Bewerber oft in langatmigen Erklärungen ihrer bisherigen Laufbahn, getreu dem Motto „ich weiß genau, wie das Geschäft läuft“, werden dadurch aber auch als weniger flexibel und anpassungsfähig wahrgenommen.

Am wichtigsten ist jedoch der absolute Wunsch nach Verjüngung des Mitarbeiterstamms von Seiten der Unternehmen, die gegen eine Einstellung Älterer spricht. Jung wird gleichgesetzt mit Innovation, Agilität und Flexibilität. Flexibilität ist in der VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) -Welt wichtig und wird viel stärker mit der Generation X, Y und Z assoziiert.

New Mindset bei der Generation 50+

Um Berührungsängste zwischen Unternehmen und älteren Kandidaten zu reduzieren und die Einstellungsquote aus dieser Zielgruppe zu erhöhen, müssen nicht nur die Entscheider in Unternehmen umdenken, sondern auch die Bewerber. Die Herausforderung besteht also darin, dass diese Zielgruppe einen Perspektivwechsel vollzieht. Die Frage muss lauten: „Wie werde ich von außen gesehen“ und nicht „wie strahle ich heller.“

Der erste Kontakt findet über den Lebenslauf statt. Hier gilt: reflektieren statt perfektionieren. Der hohe Anspruch an seine eigene Leistung drückt sich nicht in Seitenfülle, sondern in Tätigkeit, resultierendem Erfolg und seiner Messbarkeit aus. Der Lebenslauf ist die Eintrittskarte für das erste Einstellungsgespräch. Die CVs dieser Generation leiden häufig unter ihrer Länge. Grundschulbesuche, kurztägige Weiterbildungsveranstaltungen oder die Angabe einer nur wenige Monate dauernden Berufsfindungsphase blähen den CV unnötig auf. Oft fehlt der rote Faden, der den Leser durch relevante Tätigkeiten und ihre messbaren Erfolge leitet, und zwar bezogen auf die Position, auf die man sich bewirbt. Es gilt proaktive statt retrospektive Formulierungen zu wählen. Es geht darum, die eigene Selbstdarstellung zu reduzieren und ein informatives Kompetenzprofil aufzubauen. Bewerber sollten Assessment-Center als eher spielerische Herausforderung begreifen. Sie erfahren, wie andere sie sehen.

Beim Gehalt sollten sie elastischer sein: Generiere ich für mich einen Mehrwert, wenn ich finanziell zurückstecke und eine befriedigende Tätigkeit ausübe, oder identifiziere ich mich durch das, was ich am Monatsende auf dem Konto habe. Die gedankliche Verknüpfung von Anerkennung der eigenen Leistung durch Höhe des Gehalts darf durchaus kritisch in Frage gestellt werden. Sie sollten auch das Thema Umzug mit dem engeren Familienkreis offen diskutieren. Denn im Alter fallen viele Verpflichtungen weg und Bewerber gewinnen wieder an persönlicher Freiheit. Könnte man das Eigenheim auch befristet vermieten, um für einen neuen Job von Frankfurt nach Neckarsulm zu ziehen? Fakt ist: Einstellungshindernisse bei der Generation 50+ sind nicht fehlendes Methodenwissen, mangelnde Erfahrung im Umgang mit Kunden oder „Probleme mit der Kleiderordnung“.
Ältere Bewerber können im Einstellungsgespräch mit ihrem Erfahrungswissen punkten, wenn sie dabei authentisch bleiben und starke Argumente formulieren. Wie können sie ihre Lebens- und Berufserfahrung, geprägt von Erfolgen und Rückschlägen, in die neue Aufgabe einbringen? Ihre Erfahrung ist dabei nicht mit Gewohnheit und Wiederholung zu verwechseln.

Ältere Arbeitnehmer im Fokus

Fazit: Fast zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland haben Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Dieser Arbeitskräftemangel bedroht Bestand, Innovationsfähigkeit und Leistungsfähigkeit vieler Unternehmen. Altersgrenzen müssen daher bei Einstellungsentscheidungen neu gedacht werden.

Unternehmen sollten den Mindset „unter 50 = leistungsfähig“ überdenken und die Arbeitnehmer über 50 müssen mehr Verhaltensänderung wagen und sich an manchen Stellen von etablierten Denk- und Verhaltensmustern lösen. Diese Veränderungen betreffen unter anderem ihre finanziellen Ansprüche, ihre Erwartungen bezüglich der Tätigkeit und des Arbeitsumfeldes sowie ihre Mobilität. Eine kritische Reflektion der im Werdegang aufgeführten Stationen bezüglich der geforderten Hard- und Softskills einer neuen Position stärken die Aussagekraft des Lebenslaufs und sind Ausgangspunkt für ein erstes Bewerbungsgespräch. Für ältere Bewerber gilt: Zeigen, dass sie da sind – flexibel, neugierig, lernbereit, motiviert und smart. So werden sie zum geschätzten „Asset“ für Unternehmen.

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