
Bis März 2026 müssen EU-Mitgliedsstaaten die Anti-Greenwashing- und Green-Claims-Richtlinien in nationales Recht überführen. (Bild: Dalle 3/OpenA)
Ganz egal, ob es um Kleidung, Kosmetik, Lebens- oder Reinigungsmittel geht: Vermeintlich umweltfreundliche Artikel verkaufen sich hervorragend und sind dementsprechend in fast jedem Supermarktregal zu finden. Mal werben die Anbieter damit, nur Zutaten aus ökologischem Anbau zu nutzen, mal versprechen sie besonders klimaschonende Herstellungsverfahren. Was das im Detail bedeutet, bleibt oft unklar. Die EU-Kommission kam bereits 2020 zu dem Ergebnis, dass über 50 % der Umweltaussagen zu Produkten vage, irreführend oder unfundiert sind.
Wer im Sinne eines klimaschonenden Lebensstils einkaufen möchte, hat es bisweilen ziemlich schwer. Denn was hinter Etiketten und Siegeln wie „Öko“ oder „Klimapositiv“ steckt, bleibt oft intransparent, ist kaum zu überprüfen oder im schlechtesten Fall schlichtweg falsch. Dagegen möchte die EU mit der Anti-Greenwashing-Richtlinie (Directive on empowering consumers for the green transition) vorgehen. Kern der geplanten Regulatorik: Wer Umweltbehauptungen aufstellt, soll diese künftig auch wissenschaftlich belegen. Wie das im Detail funktionieren soll, konkretisiert unter anderem die ergänzende und sich aktuell im EU-Prozess befindliche Green-Claims-Richtlinie.

Was hinter Etiketten und Siegeln wie „Öko“ oder „Klimapositiv“ steckt, bleibt für die Verbraucher oft intransparent.
Mehr Transparenz für Verbraucher
Die EU-Mitgliedsstaaten müssen die Anti-Greenwashing- und Green-Claims-Richtlinien nach ihrer Verabschiedung bis März 2026 in nationales Recht überführen. Händler und Hersteller dürfen dann gemäß der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UCPD) keine irreführenden Angaben mehr über ökologische oder soziale Auswirkungen, Langlebigkeit und Reparierbarkeit ihrer Produkte machen. Wenn sie die Nachhaltigkeit ihrer Produkte mit Erzeugnissen der Konkurrenz vergleichen, müssen sie zudem transparente Angaben zur eingesetzten Vergleichsmethode machen. Heißt: Wer behauptet, in der Herstellung seines Produkts nur halb so viele Schadstoffe auszustoßen wie die Konkurrenz, muss das belastbar herleiten.
Und auch für Nachhaltigkeitssiegel gelten neue Regeln: Sie müssen künftig auf festen Regelungen basieren und dürfen in bestimmten Fällen nur noch von den zuständigen Behörden vergeben werden. Die unübersichtliche Vielzahl aktueller Umweltsiegel dürfte damit drastisch schrumpfen. Ein wichtiger Vorteil: Der Wiedererkennungswert legitimer Siegel wächst, sodass auch die Transparenz für Verbraucher steigt. Sie können sich dementsprechend sicher sein, dass ihre Kaufentscheidung auch tatsächlich eine nachhaltige Wirkung entfaltet.
Ebenfalls Teil der Green-Claims-Richtlinie: Unternehmen dürfen nicht mehr mit Produkteigenschaften werben, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Das betrifft beispielsweise umweltfreundliche Behauptungen zur Verpackung eines Produkts, wenn das Recycling ohnehin eine feste Vorgabe ist.
Außerdem sieht die Richtlinie vor, dass Unternehmen genau angeben müssen, ob Umweltbehauptungen das gesamte Produkt oder nur Teile davon betreffen. Als Maßstab muss dabei die geläufige Praxis dienen. Ist es also üblich, dass ein bestimmtes Produkt ohne umweltschädliche Verpackung angeboten wird, dürfen Unternehmen diesen Umstand nicht im Sinne der Werbung betonen.

Kommunikation von CO2-Kompensation
Viele Nachhaltigkeitsversprechen und Umweltbehauptungen stützen sich auf CO2-Kompensationsprogramme, da diese bisher als verhältnismäßig einfache Möglichkeit galten, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren oder auszugleichen. CO2-Kompensation bezieht sich auf die Praxis, Emissionen auszugleichen, indem Kohlenstoffdioxid entweder an anderer Stelle reduziert oder aus der Atmosphäre entfernt wird – beispielsweise durch Investitionen in erneuerbare Energien oder Waldschutzprojekte.
Kompensationsprogramme allein als Grundlage für Nachhaltigkeitsversprechen und Umweltbehauptungen zu verwenden ist jedoch problematisch. Dies liegt daran, dass keine verlässliche und zeitnahe Reduzierung der Emissionen erfolgt. Unternehmen bemühen sich lediglich um einen Ausgleich, ohne tatsächlich in die eigenen Unternehmensaktivitäten einzugreifen. Zudem fehlt es bei vielen Kompensationsprojekten an Transparenz und Qualität. Denn nicht alle Projekte tragen wirklich zur langfristigen CO2-Reduzierung bei. Einige könnten sogar negative Auswirkungen auf die Umwelt haben, wie etwa Monokulturen bei Aufforstungsprojekten.
CO2-Kompensationen öffentlich zu kommunizieren, birgt daher ein hohes Risiko für Greenwashing. Hinzu kommt, dass Kompensationsprogramme von der Notwendigkeit echter Emissionsreduktionen ablenken können. Daher ist es wichtig, dass Nachhaltigkeitsversprechen und Umweltbehauptungen nicht ausschließlich auf CO2-Kompensationsprogrammen beruhen. Darauf zielt auch die Green-Claims-Richtlinie ab: Sie sieht unter anderem vor, dass Unternehmen klar zwischen Ausgleich und Reduzierung von Emissionen unterscheiden. Außerdem sollen sie zukünftig genaue Angaben über die Ausprägung und Qualität ihrer Kompensationen machen.
Belastbare Daten gefragt
Mit Blick auf das Zeitfenster bis zur Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht stellt sich für viele Unternehmen die Frage, wie sie das Risiko für Greenwashing effektiv reduzieren können. Denn irreführenden oder falschen Behauptungen liegt nicht immer eine böse oder zielgerichtete Intention zugrunde. So kann beispielsweise das Fehlen von konkreten Zahlen oder Messgrößen dazu führen, dass Unternehmen ihre Umweltauswirkungen oder soziale Verantwortung überschätzen. Denn noch immer ist die Datenlage vielerorts lückenhaft. Des Weiteren können unklare Definitionen innerhalb der Regulatorik zu Unklarheiten und Interpretationsspielraum führen. Wenn die gesetzlichen Anforderungen oder Richtlinien nicht eindeutig sind oder verschiedene Interpretationen zulassen, haben Unternehmen möglicherweise Schwierigkeiten, die Grenzen zwischen zulässiger Werbung und Greenwashing zu erkennen.
Eine unzureichende Governance, insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation und -berichterstattung, kann ebenfalls zu Greenwashing beitragen. Wenn Unternehmen keine klaren Verfahren, Verantwortlichkeiten und Überprüfungsmechanismen haben, um die Richtigkeit und Glaubwürdigkeit ihrer Nachhaltigkeitsaussagen zu gewährleisten, besteht das Risiko, dass sie ungenaue Informationen nach außen kommunizieren.
Regulatorik als fortlaufender Prozess
Die Auswirkungen der Greenwashing-Regulatorik auf verschiedene Branchen sind vielfältig und können je nach Sektor unterschiedlich wahrgenommen werden. Besonders verbrauchernahe Industrien wie die Lebensmittel- und Getränkebranche, die Mode- und Textilindustrie sowie die Kosmetik- und Pflegeproduktebranche müssen ihre Kommunikation genau prüfen. Denn sie stehen im engen Kontakt mit den Endverbrauchern – und deren Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigt.
Um sich bestmöglich auf die kommende Regulierung vorzubereiten, sollten Unternehmen relevante Prozesse schon jetzt anstoßen. Sie können beispielsweise sicherstellen, dass sie über robuste Systeme zur Datenerfassung und -verwaltung verfügen, insbesondere in Bezug auf Umwelt- und Nachhaltigkeitsdaten. Weiterhin ist es wichtig, einen klaren Fahrplan für die Erreichung der Klimaziele zu haben und den Fortschritt zu messen. Dies umfasst Informationen über eigene Produktionsanlagen, Lieferketten, Produktionsprozesse, Umweltauswirkungen aber auch soziale Verantwortung.
Dabei sollten sowohl das Bewusstsein als auch das Verständnis für Nachhaltigkeitsthemen innerhalb des Unternehmens gestärkt werden. Schulungen für Mitarbeiter zu Themen wie Umweltschutz, soziale Verantwortung und ethische Standards tragen dazu bei, dass alle Beteiligten die Bedeutung von Nachhaltigkeit für das Unternehmen verstehen und entsprechend handeln.
Wichtig dabei ist: Die Vorbereitung auf die Regulierung ist ein fortlaufender Prozess. Unternehmen sollten regelmäßig ihre Nachhaltigkeitsstrategien, -praktiken und -kommunikation überprüfen und bei Bedarf anpassen, um den sich ändernden Anforderungen und Erwartungen gerecht zu werden.