Armin Valet, Abteilung Lebensmittel und Ernährung, Verbraucherzentrale Hamburg, im Interview

(Bild: Hüthig)

So geschehen in diesem Jahr bei Upfield, dessen Verpackung für das Streichfett Rama den Negativpreis einheimste. Was genau ist es nun aber, das aus einer Packung eine Mogelpackung macht? Und was können Unternehmen tun, um nicht in Ungnade bei den Verbrauchern zu fallen? Hierüber sprachen wir mit Armin Valet, Abteilung Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Hamburg.

neue verpackung: Herr Valet, wie entstand eigentlich die Idee, die Abstimmung zur „Mogelpackung des Jahres“ ins Leben zu rufen?

Armin Valet: Da muss ich mittlerweile wirklich ganz weit zurückgreifen. Denn an dem Thema dran sind wir im Grunde bereits seit dem Jahr 2005. Damals gingen bei der Verbraucherzentrale die ersten Beschwerden ein und die Sache bekam dann immer mehr Dynamik.
Zu Beginn wollten wir einfach gesammelt darüber berichten und haben die Mogelpackung des Monats erschaffen. Ein Produkt also, das direkt aus den Beschwerden der Verbraucherinnen und Verbraucher heraus entstand. Die Frage, die sich uns dann stellte, war, wie wir die Verbraucher über die Einreichung von Beschwerden hinaus noch mehr ins Boot holen können. Und so entstand die Idee, dass sie auch abstimmen können sollten: Was ist wirklich für sie die schlimmste Mogelpackung des Jahres? Und so entstand eine Online-Abstimmung, die jetzt auch schon seit 2014 vergeben wird.

neue verpackung: Sie sagten es gerade: Die Verbraucher stimmen nicht nur am Ende ab, welche Verpackung die Auszeichnung erhält, sondern können auch vorher Vorschläge einreichen. Wie viele Nominierungen erhalten Sie durchschnittlich im Jahr? Und ist diese Anzahl im vergangenen Jahr, als die Rohstoffpreise extrem in die Höhe gingen, spürbar gestiegen?

Valet: Auf jeden Fall, wir verzeichneten im letzten Jahr sogar einen Rekord. Nicht nur in Bezug auf die Meldungen, sondern auch auf die Packungen, die wir in unsere Mogelpackung-Liste übernommen haben. Zu den großen Themen wie Luft-Packungen und versteckte Preiserhöhungen sind es immer 2.000 bis 3.000 Einreichungen jedes Jahr, die wir dann überprüfen. Das heißt, wir fragen bei den Herstellern nach, wir recherchieren, wir gucken, ob wir auch die Packungen im Supermarkt finden. Auf diese Art gehen circa 95 % der Produkte, die wir veröffentlichen, auf Beschwerden von Verbraucherinnen und Verbraucher zurück.

neue verpackung: Nachdem die Verbraucherzentrale die Kühr zur Mogelpackung seit mittlerweile rund 10 Jahren durchführt – gibt es so etwas wie einen roten Faden bei den nominierten Verpackungen, also etwas, wo die Kommunikation zwischen Unternehmen und Verbrauchern regelmäßig schief geht?

Valet: Den roten Faden gibt es eigentlich nicht, vielmehr reichen die beanstandeten Verpackungen quer durch das Supermarkt-Sortiment. Im Fall der aktuellen Mogelpackung des Jahres, der Rama-Verpackung, geht es ja vor allem um die versteckte Preiserhöhung, weil in der Packung jetzt plötzlich weniger drin ist – statt 500 nur noch 400 g.

In solchen Fällen bekommen wir dann sehr lebensnahe Beschwerden von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die uns sagen: Bisher hat meine Packung für zwei Kuchen gereicht, und jetzt merke ich plötzlich, dass das nicht mehr funktioniert.

Bei der Veröffentlichung konzentrieren wir uns auf Lebensmittel und auf Drogerieartikel, Beschwerden bekommen wir aber auch aus vielen anderen Bereichen, beispielsweise aus dem Baumarkt.

neue verpackung: Wie am Beispiel Rama beschrieben, ist bei manchen Verpackungen, wenn man sie öffnet, buchstäblich Luft nach oben vorhanden – es wird also eine höhere Füllmenge durch eine überdimensionierte Verpackung suggeriert, als dann tatsächlich vorzufinden ist. Nehmen solche Fälle in Ihrer Wahrnehmung mittlerweile ab, vielleicht auch weil die Packmittelpreise in den vergangenen Monaten teils sehr rasant gestiegen sind?

Valet: In der Tat stellen wir erfreulicherweise fest, dass diese Fälle weniger werden. Nicht zuletzt durch die große Präsenz in den Medien ist mittlerweile bei vielen Herstellern angekommen dass diese Methode – weniger drin, Preis gleich und Packung gleich – beim Verbraucher sehr negativ aufgenommen wird. Und der zweite Grund, Sie hatten es gerade angesprochen, sind sicherlich auch Ressourcengründe, verbunden mit der erhöhten Aufmerksamkeit bezüglich Nachhaltigkeit.

Dadurch sehen wir hier in den letzten Jahren echte Verbesserungen; eine Packung bleibt also bei reduzierter Füllmenge tatsächlich nicht mehr gleich groß, sondern wird kleiner gemacht. Allerdings sind diese einzelnen Leuchttürme noch nicht ausreichend, aus unserer Sicht müsste hier der Gesetzgeber Verbesserungen und damit Vertrauen seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher schaffen.

neue verpackung: Freuen wird sich wohl niemand über eine solche Auszeichnung – aber entstand denn in der Vergangenheit zumindest hin und wieder ein konstruktiver Dialog mit den betroffenen Unternehmen, an dessen Ende eine bessere Verpackung stand?

Valet: Das ist leider schwierig und so haben wir es in der Vergangenheit ganz selten erreicht, dass eine Packung vom Hersteller aufgrund unserer Kritik verändert wurde. Teilweise ist es eher so, dass das Produkt aus dem Sortiment verschwindet oder keine Bedeutung mehr hat, weil es nicht mehr gelistet wird.

Inhaltlich hat sich manchmal etwas verändert, beispielsweise wenn eine Rezeptur-Verschlechterung zusammen mit der Mengenänderung aufgetreten ist und wir dies publik gemacht haben, dann wurde zumindest die Rezeptur wieder verbessert.

Die Hersteller wissen ja, was sie tun. Ich glaube also nicht, dass es sich bei überdimensionierten Verpackungen um Zufälle handelt. Vielmehr wird da natürlich schon abgewogen: Was können wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern zumuten? Was ist wichtig fürs Marketing und für die Darstellung im Handel und was nicht? Und wir meinen, dass gerade bei der aktuellen Mogelpackung des Jahres übertrieben wurde, dass man da eine rote Linie überschritten hat.

Um aber auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Ein Eingeständnis oder ein Dialog, der findet leider eher nicht statt. Hier sind die Positionen doch schon sehr verhärtet.

neue verpackung: Schade. Aber vielleicht noch zum Ende. Wir sprachen nun die ganze Zeit über Mogelpackungen – also wie man es nicht machen sollte. Aber welche Anforderung muss eine Verpackung eigentlich erfüllen, um aus Verbrauchersicht eine ehrliche Verpackung zu sein?

Valet: Natürlich muss die Verpackung erst einmal überhaupt funktionieren. Das steht bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern an erster Stelle. Man muss sie gut öffnen können und sie muss natürlich ihre Hauptaufgabe, nämlich das Produkt zu schützen, erfüllen.

Außerdem wünschen sich die Verbraucherinnen und Verbraucher natürlich eine umweltverträgliche, keine überdimensionierte Verpackung, doppelt und dreifach verpackten Lebensmittel. Und hier wären wir sicherlich bereits einen Schritt weiter, wenn es eine entsprechende Veränderung in der Gesetzgebung dazu gäbe, beispielsweise im Eichrecht.
Sie wissen, wir haben hier die Ausnahme, die zum Teil dann auch über Gebühr ausgenutzt wird, dass man bis zu 30 Prozent Luft in der Packung haben kann. Wir meinen, es müsste hier einen Paradigmenwechsel geben: Wir brauchen Packungen, die voll gefüllt sind, wie wir es bei Zucker, Mehl und bei vielen anderen Produkten bereits heute vorfinden. Nur in Ausnahmefällen, wenn es technisch notwendig ist, sollte Luftraum vorhanden sein.

Das wäre natürlich ein dickes Brett – und dafür kämpfen wir weiter. Denn für Klima, Umwelt und auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist es unbedingt wichtig, dass wir hier einen Schritt vorankommen, um die aktuelle Ressourcenverschwendung zu stoppen.

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