Ein Mann im Jacket.

Philippe Blank, Global Head of Circular Economy für Henkel Packaging und Consumer Goods Adhesives. (Bild: Henkel)

neue verpackung: Herr Blank, wer an Design4Recycling denkt, denkt in aller Regel an das möglichst simple Zerlegen von Verpackungen in ihre unterschiedlichen Materialien oder gleich Monomaterial-Lösungen. An Klebstoffe hingegen denken nur wenige. Vielleicht können Sie zu Beginn in wenigen Sätzen zusammenfassen, warum sich das ändern sollte?

Philippe Blank: Klebstoffe und andere Verpackungskomponenten spielen neben den eigentlichen Hauptmaterialien eine zentrale Rolle bei einer nachhaltigen Verpackungsgestaltung. Auf der einen Seite ermöglichen sie als strukturelles Element die Umsetzung von Lightweight-Designs und somit Materialeinsparungen, zum anderen kommt ihnen eine wichtige Rolle hinsichtlich der Qualität des später verfügbaren Sekundärrohstoffs zu. Durch den Einsatz einer auf das Verpackungsmaterial optimierten Klebstoffchemie und Applikation, kann man die Recyclingfähigkeit der Gesamtverpackung am Ende des Lebenszyklus maßgeblich beeinflussen. Dies gilt insbesondere für die großen Materialströme im Kunststoff- und Papierbereich, aber auch für Glas oder Metalle. Wir wissen heute, das unterschiedliche Klebstofftypen hier einen entscheidenden Einfluss auf die Recyclingfähigkeit haben können.

 

neue verpackung: Um beispielsweile das Recycling beziehungsweise Debonding von Mehrschichtverpackungen zu verbessern, gibt es wasserbasierte Klebstoffe. Wo liegen hier die Herausforderungen bei der Formulierung?

Blank: Wasserbasierte Klebstoffsysteme verbessern nicht zwangsläufig die Recyclingfähigkeit einer Verpackung, sondern definieren zunächst das Trägersystem während der Applikation. Abhängig von der Klebstoffchemie, kann ein lösemittel-basiertes Klebstoffsystem am Ende genauso kompatibel innerhalb von Recyclingprozessen sein. Die Unterschiede bei Debonding liegen viel mehr in der verwendeten Verfahrens- und Prozesstechnik als im Klebstoff selbst. Um die Recyclingfähigkeit, beziehungsweise die Kompatibilität eines Klebstoffsystems im Recycling zu erhöhen, schauen wir uns an, wie sich bestimmte Typen in etablierten Recycling- oder Waschprozessen verhalten. Eine weitere Rolle spielt der ökologische Fußabdruck beim eigentlichen Applikationsprozess. Hier wissen wir, dass wasserbasierte Systeme gegenüber lösemittelbasierten oder lösemittelfreien Systemen aufgrund der erforderlichen Energie für die Trocknung sogar Nachteile haben.

neue verpackung : Ein anderer Ansatz für mehr Nachhaltigkeit sind die oben erwähnten Monomaterial-Lösungen. Allerdings bieten diese häufig nicht dieselben Barriere-Eigenschaften wie klassische Mehrschichtfolien. Welche Möglichkeiten haben Unternehmen hier, vor allem solche aus dem Lebensmittelbereich?

Blank: Gerade im Bereich der flexiblen Verpackungen werden die komplexen Materialstrukturen zunehmend durch Einstoffverbunde ersetzt. Um die notwendigen funktionellen Eigenschaften, insbesondere für Lebensmittelanwendungen zu erreichen, kommen jedoch auch hier oftmals komplexe Multilayer-Konstruktion zum Einsatz, welche durch kompatible Barrierematerialien wie beispielsweise EVOH ergänzt werden. Eine Alternative zu den klassischen Barrierematerialien wäre ein funktionelles Coating, welches die Materialkomplexität weiter reduziert und gleichzeitig die Barriereeigenschaften verbessert. In Kooperation mit der Firma Siegwerk haben wir beispielsweise Ende letzten Jahres ein gemeinsam entwickeltes Coating zur Verbesserung der Sauerstoffbarriere vorgestellt, was sich insbesondere für Lebensmittelverpackungen eignet und eine Alternative zu den klassischen Barriere-Layern am Markt darstellt. Wir forschen zudem an der weiteren Integration von funktionalen Eigenschaften als Bestandteil des verwendeten Klebstoffsystems.

 

neue verpackung: Aufgrund ihres natürlichen Erscheinungsbildes erfreuen sich faserbasierte Verpackungen bei Konsumenten großer Beliebtheit. Doch von Natur aus haben auch diese nur sehr unzureichende Barriere-Eigenschaften, vor allem mit Blick auf den Lebensmittelbereich. Welche Möglichkeiten haben Inverkehrbringer hier?

Blank: Die Substitution von Kunststoffverpackungen Richtung faserbasierter Konstruktionen gelingt nur, wenn ich die Papiersubstrate zusätzlich beschichte oder funktionalisiere, insbesondere im Hinblick auf die benötigte Performance im Lebensmittelbereich. Hierbei ist es wichtig, dass faserbasierte Lösungen innerhalb bestehender Verwertungsinfrastrukturen für Papierverpackungen recycelt werden können, eine hohe Faserausbeute erzielt wird und etwaige Beschichtungen keine Probleme beim Endprodukt verursachen. Henkel hat mit seiner Epix-Technologieplattform eine Lösung im Programm, um Papiersubstrate ganz gezielt mit spezifischen Barriereeigenschaften auszustatten, und gleichzeitig die Recyclingfähigkeit der Gesamtverpackung sicherzustellen. In der Regel entwickeln wir hierfür maßgeschneiderte Beschichtungslösungen, die sich nach dem Basissubstrat des Kunden richten und welche wir hinsichtlich ihrer Recyclingfähigkeit in unserem eigenen Papierprüflabor entwicklungsbegleitend testen.

Eine nachhaltige Verpackungsgestaltung erfordert zudem den ganzheitlichen Blick auf den ökologischen Fußabdruck einer Verpackung. Eine gut designte Kunststoffverpackung kann unter Umständen eine deutlich niedrigere CO2-Bilanz aufweisen als eine Papierlösung mit gleicher Funktionalität. Wir unterstützen unsere Kunden bei der Auswahl geeigneter Lösungen, unabhängig von der Werkstoffpräferenz. Sowohl im Kunststoff- als auch im Papierbereich gibt es gute und schlechte Lösungen für die unterschiedlichen Verpackungsdesigns und das individuelle Anforderungsprofil spielt eine maßgebliche Rolle.

neue verpackung: In der Industrie hat sich mittlerweile die Erkenntnis etabliert, dass das Projekt einer Kreislaufwirtschaft nichts für Einzelkämpfer ist, sondern nur in Kooperation mit Teilnehmern entlang der Wertschöpfungskette gelingen kann. Gibt es hier aktuell vielleicht auch bei Henkel ein spannendes Partner-Projekt?

Blank: Wir engagieren uns seit vielen Jahren in einer Vielzahl von Projekten und Initiativen rund um das Thema Nachhaltigkeit in der Verpackung. Die Kooperation entlang der Wertschöpfungskette ist ein zentraler Schlüsselfaktor, wenn wir systemisch etwas bewegen wollen. Henkel ist wahrscheinlich einer der ganz wenigen Konzerne, der sowohl als Lieferant innerhalb der Verpackungsindustrie, als auch als Inverkehrbringer und Brand-owner von Verpackungen agiert. Somit bilden wir selbst schon mal einen deutlich größeren Teil der Wertschöpfungskette ab, als normalerweise üblich. Mit diesem Wissen wollen wir in Zukunft deutlich früher in der Designphase einer Verpackung unsere Kunden beraten. 80 % des Fußabdrucks einer Verpackung werden in der Designphase definiert und diese frühe Weichenstellung wird derzeit beim Verpackungsdesign oftmals nicht ausreichend berücksichtigt. Um bei einem nachhaltigen Verpackungsdesign erfolgreich zu unterstützen, muss man natürlich auch wissen, wie das Ende des Lebenszyklus einer Verpackung ausschaut. Hierzu haben wir seit Ende letzten Jahres eine strategische Partnerschaft mit dem Institut Cyclos-HTP auf den Weg gebracht, eine der renommiertesten Institutionen im Bereich Recyclingfähigkeit von Verpackungen und Abfallwirtschaft im Allgemeinen. Die Synergien, die sich dadurch ergeben, kommen am Ende natürlich auch unseren Kunden zugute.

 

neue verpackung: Auch wenn dies nicht im Sinne einer Kreislaufwirtschaft ist: Verpackungen müssen nicht zwingend recycelt werden, um als nachhaltig zu gelten – es gibt auch solche, die kompostierbar sind. Gibt es also auch für den Heimkompost geeignete Klebstoffe, oder sind diese eher für eine industrielle Kompostierung sinnvoll einzusetzen?

Blank: Die abbaubaren Klebstoffe kommen heute schon in einer Vielzahl von Anwendungen vor, werden aber primär für die industrielle Kompostierung unter definierten Rahmenbedingungen entwickelt. Was nicht heißt, dass sie sich über die Zeit nicht auch im Heimkompost zersetzen können – es dauert dann gegebenenfalls deutlich länger und läuft unter undefinierten Bedingungen ab.

Wenn man sich den letzten Entwurf des kommenden europäischen Regelwerks hinsichtlich biologisch abbaubarer Verpackungen anschaut, muss man festhalten, dass es über ein Nischendasein innerhalb bestimmter Formate und Applikationen, die wir heute auch schon kennen, wahrscheinlich nicht hinausgehen wird. Der Fokus der kommenden Gesetzgebung liegt auf Vermeidung, Reduktion und Zirkularität. Mit diesem Fokus tun sich abbaufähige oder biodegradierbare Lösungen naturgemäß schwer.               

Die Fragen stellte Philip Bittermann, Chefredakteur neue verpackung.

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