Iryna Zender

Vom Modeln zur Verpackungstechnik: Heute arbeitet Iryna Zender als International Procurement Lead bei Hello Fresh. (Bild: Hello Fresh)

Es kam anders als geplant. Eigentlich wollte ich nach der Schule mit einem Studium beginnen. Doch dann wurde ich auf der Straße angesprochen und als Fashion-Model entdeckt – noch als Schülerin. Rund sechs Jahre habe ich anschließend in den USA professionell als Model gearbeitet. Es war eine tolle Zeit, aber Modelling ist auch ein sehr vergänglicher Beruf. Ich kehrte daher zurück nach Deutschland, um wieder die Schulbank zu drücken und etwas Zukunftssicheres zu machen. Nach dem Fachabitur war klar, es kam nur ein technisches Studium in Frage. Eine Kommilitonin nahm mich mit zu den Infotagen der heutigen Berliner Hochschule für Technik mit.

Dort lernte ich zwei Professoren kennen, die mir mit Begeisterung den Studiengang Verpackungstechnik präsentierten. Sie erzählten auch über Materialwissenschaft, über Exkursionen zu Oberland Glas, heute Valleria, zu Thyssen Krupp und zu Finnland Papier (Stora Enso & Metsa Board). Ich dachte mir: Krass, das will ich machen. Und wurde nicht enttäuscht. Denn das Studium ist enorm breit gefächert. Es reicht von der Materialherstellung über Maschinenentwicklung und Marketing bis zu Recycling und Verpackungsrecht. Eben ganzheitlich.

Ein sehr komplexes Projekt während des Studiums hatte Sika in den USA ausgeschrieben – für amerikanische und auch zwei deutsche Studenten und Studentinnen. Ich war eine davon. Es ging darum, eine anwenderfreundliche  Verpackung zu entwickeln. Anschließend bekam ich ein Jobangebot und blieb als Corporate Packaging Engineer bei Sika in Lyndhurst, New Jersey. Es ging vor allem darum, innovativ zu denken, zu hinterfragen, welche Verpackungen leichter und effizienter genutzt, aber auch darum, wie Kosten eingespart werden können. So stellten wir bei einem Kleber von der Alu- auf eine Verbundstofftube um. Sie reagiert anders auf Druck und verfügt über die nötigen „Rückholkräfte“ – ähnlich wie bei der Zahnpasta daheim. Oder Paletten-Optimierung. Wir hatten bei Sika riesige Paletten im Einsatz, deren Herstellung sehr teuer war, weil das Holz aus Kanada importiert werden musste. Wir überlegten, welche Teile der Palette tatsächlich dieses Frischholz brauchen, um die erwünschte Stabilität zu erreichen. Die übrigen Teile wurden dann durch recyceltes Holz ersetzt. Kurz: Ich konnte so gut wie alles, was ich im Studium gelernt hatte, im Berufsleben nutzen.

Es war letztlich Covid, das mich umdenken und nach Berlin zurückkehren ließ. Ich bewarb mich bei Tesla, Amazon und Hello Fresh. Letztere wurde mein neuer Arbeitgeber, wenn auch nicht für die Verpackungsentwicklung, sondern für den -einkauf. Ich musste dazulernen, beispielsweise, wie man Lieferanten strategisch entwickelt. Etwas, das schwer in der Uni vermittelt werden kann. Mit der BHT hielt ich mehr oder weniger die ganze Zeit den Kontakt aufrecht. Ich habe versucht, Projekte an die BHT zu geben, war Mitglied in der Ausbildungskommission und informierte auf Infotagen. Das war bisweilen etwas frustrierend. Wenn es um BWL ging, war der Saal voll, wenn ich über Verpackungstechnik sprach, leerte er sich rasch. Ich hatte auch kurz überlegt, nach zwei Jahren Berufstätigkeit als Dozentin einzusteigen. Aber letztlich fehlt mir etwas die Geduld dafür und es gibt meiner Meinung nach zu viel ‚Politik' in der Lehre.

Bei Hello Fresh spielt Verpackung eine enorm wichtige Rolle. Das Unternehmen verpflichtet sich, Verpackung nach Möglichkeit vollständig zu vermeiden, andernfalls zu reduzieren und für das Recycling zu optimieren. Um diese Ziele zu erreichen, haben wir bereits einige Innovationen eingeführt. Welche Verpackung wir weglassen oder ersetzen, entscheiden wir auf Grundlage diverser Faktoren: Produktsicherheit und Produktqualität, Rohstoff- und Liefersicherheit sowie Wirtschaftlichkeit. Bei einer Verpackung, die lediglich als Sammelpackung oder einer einfacheren Handhabung dient, liegt es zum Beispiel nahe, auf diese zu verzichten.

Bei zwingend notwendigen Verpackungen verfolgen wir das klare Ziel, diese so zu designen, dass sie problemlos in den Recyclingkreislauf zurückgeführt werden können. Deshalb setzen wir auf die verstärkte Verwendung von Papierverpackungen und Monomaterialien, die beide eine hohe Recyclingquote aufweisen.

Wir haben auch 2021 mit dem Datenmanagement-System DPC den Deutschen Verpackungspreis in Gold gewonnen. Der Algorithmus berechnet die Verpackungsgröße in Abhängigkeit der individuellen Kundenbestellung inklusive des Weges und der Wetterdaten für die Kühlleistung. Das führt zum Einsatz von weniger Verpackungsmaterial und optimiert den Logistik- und Abpackprozess.

Drei Jahre lang war ich bei HelloFresh für Verpackungen zuständig. Ich habe ein Team aufgebaut, ein Testlabor eingerichtet und die eine oder andere Innovation begleitet. So haben wir gemeinsam mit einem Lieferanten in UK und Henkel eine neuartige Isolierverpackung entwickelt.

Seit einem Jahr bin ich im Grocery- Einkauf Team. Ich kaufe unter anderem Nudeln, Reis und Nüsse ein und arbeite direkt mit den Herstellern zusammen. Auch da geht es immer wieder um Verpackung. So bezieht Hello Fresh zwar den Basmati-Reis in Indien, verpackt wird er allerdings in Europa. Damit stellt sich sofort wieder die Frage nach der besten Verpackung und auch darum, wie die Supply-Chain optimal aussieht. Mein dreiköpfiges Team unterstützt die Lieferanten dabei, sich in der Hinsicht weiterzuentwickeln.  Denn mit unseren Kochboxen brauchen wir andere Lösungen als beispielsweise Supermarktketten.

Was mir bislang am meisten Spaß gemacht hat? Ganz einfach: Sachen auszuprobieren und sie dabei auch mal kaputt zu machen. Also eine Verpackung auf den Boden zu knallen und zu sehen, was mit dem Produkt passiert. Oder, wie beim Praktikum bei BMW, eine Rampe nachbauen zu lassen, um die eigenen Paletten zu testen. Spannend war es auch zu simulieren, wie sich Paletten in einem Containerschiff bei einer Gewichtskraft von 4 G verhalten. Dafür stellte uns die Feuerwehr ein passendes Gerät mit Kippvorrichtung zur Verfügung. Es geht letztlich darum, die Grenzen von Materialien auszutesten. Das Schöne dabei: Man erhält sofort ein greifbares Ergebnis, das dann weitergedacht werden kann. Nicht nur in der Tiefe, um mit Fachleuten auf Augenhöhe diskutieren zu können, sondern aufgrund meiner Erfahrungen auch in der Breite.

Ich liebe es, eine Herausforderung möglichst ganzheitlich zu denken, wobei viele verschiedene Bereiche im Unternehmen involviert sein können. Dabei hilft mir sicherlich meine ureigene Neugier, aber auch heute noch das Studium, von dem ich immer noch fasziniert bin. Vor allem, wie es in Berlin mit dem Fokus Materialtechnik angelegt ist. Wenn ich weiß, wie das Material besorgt und recycelt wird

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