Tatsächlich ist das tief gestapelt, denn Koenig & Bauer schafft die 200-jährige Tradition schon ganz alleine: Bereits im Jahr 1814 druckte die Zylinderdruckmaschine von Friedrich Koenig erstmals die Londoner Times. Fügt man die knapp 100-jährige Geschichte von Durst hinzu (gegründet 1929, erste Maschinen zur Produktion von Ansichtskarten stammen aus den 30er-Jahren), so sind es 300 Jahre Erfahrung in der Druckindustrie, von denen das junge Gemeinschaftsunternehmen profitieren kann, das die beiden Branchengrößen geformt haben.
Digitaldruck und Marktzugang vereint
Der Name des Joint Ventures? Wenig überraschend: Koenig & Bauer Durst. „Einerseits wollten wir natürlich die starken Markennamen unserer beiden Mütter nutzen, andererseits haben wir aber vielleicht auch einfach nicht genug Grips darauf verwendet, uns einen anderen Namen auszudenken“, lacht Jochen Sproll, Strategy & Business Development Manager des Joint Ventures.
Sproll ist von Anfang an dabei und hat – damals noch im Corporate Development Team von Koenig & Bauer – hautnah verfolgt, wie sich Christoph Gamper, CEO der Durst Group, und Claus Bolza-Schünemann, damaliger CEO von Koenig & Bauer, in 2019 zusammengefunden haben, um eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu realisieren. Durst, ein „Digital Native“ der Druckbranche, brachte sein Know-how in Digitaldruck, Software und Elektronik mit an den Tisch, Koenig & Bauer sein Wissen über Bogenlauf, Registergenauigkeit, Marktzugang in die Verpackungsindustrie und das Verständnis der Kundenanforderungen.
„Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens war von Anfang an das Ziel“, so Sproll. Dabei hat man sich bewusst für eine hälftige Verteilung der Gesellschaftsanteile entschieden, auch wenn ein solcher Anteilssplit durchaus seine Herausforderungen mit sich bringen kann, denn insbesondere bei Entscheidungen auf Gesellschafterebene kann und muss immer eine Einigung erzielt werden, um im gemeinschaftlichen Interesse das Unternehmen fortzuentwickeln.
Koenig & Bauer Durst ist dies auf dem Weg der Entwicklung der neuen Varijet 106 gut gelungen. Dazu hat das gemeinsame Ziel ebenso beigetragen wie das Engagement eines externen Managements mit Robert Stabler (ehemals Xerox) sowie seit diesem Jahr Daniel Velema (ehemals XSYS und Flint Group/Xeikon) und die Zusammenstellung eines Teams aus Externen wie auch aus Spezialisten beider Muttergesellschaften. Verglichen mit den Großunternehmen, die hinter dem jungen Joint Venture stehen, setzt Koenig & Bauer Durst auf eine kleine aber schlagkräftige Mannschaft aus mittlerweile 15 fest angestellten Mitarbeitern – je nach Aufgabenstellung immer wieder ergänzt um Projektteams aus den Durst-Standorten Brixen und Lienz sowie den Koenig & Bauer-Einheiten aus Radebeul und Würzburg.
Know-how aus zwei Welten
Für Jochen Sproll war es eine klare Entscheidung, von Koenig & Bauer zu dem kleinen Single-Pass-Start-up zu wechseln. Er wollte aktiv dazu beitragen, etwas Neues aufzubauen und nicht nur von außen supporten. Auch für Benjamin Bösch, Sales Director bei Koenig & Bauer Durst, war es ein ganz bewusster Schritt: „Nach vielen Jahren bei HP und Landa ist das spannende bei Koenig & Bauer Durst, das Know-how aus zwei Welten für unseren Kunden zusammenbringen zu können.“
Das gilt auch für das Team von „KBD“, das heute aus ehemaligen Koenig & Bauer-Mitarbeitern, aus ehemaligen Durst-Mitarbeitern und aus extern gewonnenem Personal besteht. „Jeder hat natürlich seine Wurzeln und auch sein Netzwerk in die beiden Mutterkonzerne oder in andere Branchenunternehmen, was wir sehr schätzen“, so Sproll. „Trotzdem sind wir ein Team mit einer Start-up-Mentalität, aufgebaut auf unschätzbarer Markt- und Produktkenntnis, einem soliden Konzerncontrolling und einer starken Finanzierungsbasis.“ Denn nicht zu vergessen: Solch eine Neuentwicklung einer Druckmaschine dürfte ein beachtliches Investment erfordern, zu dem die beiden Mütter sich – getreu ihrer Unternehmensanteile am Joint Venture – paritätisch verpflichtet haben.
Die guten Erfahrungen aus der Partnerschaft zwischen Koenig & Bauer und Durst haben auch dazu geführt, dass man den jeweiligen Partner noch besser kennen und schätzen gelernt hat und so Koenig & Bauer auch für die Verwirklichung der neuen Metjet One das Know-how der Südtiroler eingebunden hat – nicht im Rahmen des Joint Ventures, das sich ganz auf Wellpappe und Faltschachtel fokussiert – sondern im Zuge einer regulären Entwicklungszusammenarbeit.
Partnerschaft auf Augenhöhe
Ob die Entscheidung für ein 50/50-Joint-Venture richtig war, beantwortet Sproll mit einem klaren „Ja“. Er ist sich sicher, ohne das Joint Venture hätte es eine Lösung wie die Varijet 106 als Single-Pass-Drucklösung für den Verpackungsdruck nie gegeben. Dabei war allen Beteiligten klar, was 50/50 bedeutet, so Sproll: „Gleichberechtigung, Vertrauen und gemeinsamer Erfolg sind die Basis für eine langfristige, strategische Partnerschaft.“
Natürlich muss es bei solch einer Partnerschaft auch Regelungen geben, wie bei möglichen Uneinigkeiten reagiert werden kann. Laut Sproll hat es solche Situationen bisher aber nicht gegeben. Man habe sich seit Gründung regelmäßig alle vier Wochen in einem Steering Committee über die gemeinsamen Ziele abgestimmt, zweimal im Jahr treffe man sich zusätzlich zu einer Gesellschafterversammlung, bei der auch die CEOs beider Mutterunternehmen am Tisch sitzen. Dabei laufe die Zusammenarbeit standortübergreifend gut. „Wir sitzen an drei Standorten in eigenen Räumlichkeiten in den Gebäuden unserer Mütter. Es fühlt sich an, als wären wir das Innovation Hub mit einem jungen Team, das ob seiner Größe pragmatisch Lösungen entwickeln muss und darf“, so Bösch.
Mittlerweile hat Koenig & Bauer Durst in der Wellpappe elf Maschinen im Markt (vorwiegend weiter entwickelte Modelle der Delta SPC 130), in der Faltschachtel sind es drei Varijet 106. Aufgrund der guten Resonanz auf der Drupa 2024 rechnet KBD mit zahlreichen weiteren Installationen in den nächsten Monaten und sieht seine Aufgaben in den nächsten zwei bis drei Jahren im weltweiten Roll-out der Single-Pass-Druckmaschinen sowie in der ständigen Weiterentwicklung der Produkte und der Plattform. „Aktuell arbeiten wir an einer Einstiegsversion unserer digitalen Druckmaschine für Wellpappe, der Delta SPC 130 Core, die unseren Kunden die Möglichkeit bietet, kostengünstig in den Digitaldruck einzusteigen und je nach Bedarf die Maschine modular auszubauen“, gibt Sproll einen Ausblick auf die nahe Zukunft. „Und im Faltschachtelmarkt starten wir mit der Varijet 106 in das Kapitel der Serienproduktion und bereiten hierfür alle Funktionen für den Hochlauf vor, um unsere Kunden bestmöglich zu betreuen und rasch Volumen auf die Maschine zu bringen. Technologisch fokussieren wird uns unter anderem auf höhere Geschwindigkeiten sowie hybride Maschinen in Verbindung mit dem Offsetdruck.“
Single-Pass-Lösungen für Verpacker
Außerhalb der bestehenden Kategorien sieht Sproll das Joint Venture aber bis auf Weiteres nicht. Das Gemeinschaftsunternehmen hat den klar formulierten Auftrag Single-Pass-Lösungen für den Wellpappen- und den Faltschachtelmarkt zu entwickeln, voranzutreiben und zu etablieren.
Und hier gibt es auch genug zu tun für Koenig & Bauer Durst, wozu man auf die internationalen Vertriebs- und Servicestrukturen von Koenig & Bauer sowie Durst zurückgreifen kann.
Trotzdem will auch das Joint-Venture-Team weiter wachsen und weiter zusammenwachsen. KBD sucht engagierte Leute, die Branchenerfahrung mitbringen und sich dafür begeistern können, etwas Neues in der Druckindustrie aufzubauen. Besonders sportlich sein müssen die neuen Mitarbeiter vielleicht nicht, auch wenn Bösch gerne noch den ein oder anderen Mitstreiter für das Team-Projekt seines Kollegen Bernd Patzelt gewinnen würde: Mit dem Fahrrad binnen fünf Tagen vom Koenig & Bauer-Standort Radebeul in die Berge Osttirols, zu Durst in Brixen zu radeln. Die Richtung scheint jedenfalls klar: Es geht bergauf bei KBD.