Packaging Summit Talks mit Torsten Sauer, Director Sustainability, Syntegon

(Bild: Hüthig Medien)

neue verpackung: Herr Sauer, wie genau muss ich mir den Beratungsprozess eigentlich vorstellen? Welche Infos sollte ich als Kunde mitbringen und wie sehen die Schritte danach aus?

Torsten Sauer: Ja, das ist eine sehr gute und gleichzeitig komplexe Frage, da die Beratungsbedürfnisse unserer Kunden natürlich sehr vielfältig sind. Beispielsweise gibt es Kunden, die schon sehr weit in ihrer Umstellung fortgeschritten sind und sehr spezifische Themen haben, zum Beispiel „Wie bekomme ich die Siegelnaht an einem Beutel dicht?“

Andere Kunden wollen ganze Produktlinien umstellen, wissen aber schon genau, um welches Produkt und welche Packform es sich handelt. Und dann gibt es weltweit operierende Marken, die ein Screening über alle Packvarianten und Möglichkeiten durchführen möchten, um zu sehen, was in welcher Region für welche Produkte auf welchen Anlagen einsetzbar ist.

Generell empfehlen wir einen schrittweisen Vorgang und am Anfang sollte immer die Bedarfsanalyse stehen, also: Was wird benötigt, was ist notwendig und was ist erforderlich? Oft bieten wir eine Laboranalyse an, um eine Aussage treffen zu können, was die verschiedenen Materialien in Bezug auf das Produkt leisten können. Außerdem kann der Kunde in unseren Maschinenzentren maschinennahe oder maschinenbezogene Versuche durchführen, um sicherzustellen, dass eine bestimmte Verpackungslösung auch auf der Anlage in der eigenen Produktion funktioniert. So lässt sich das Risiko für den Kunden reduzieren und zielführend eine Lösung finden.

Aber Sie fragten auch, was der Kunde mitbringen muss. Er sollte natürlich wissen, was er in Bezug auf die Nachhaltigkeit erreichen möchte. Möchte er eine recyclefähige Verpackung? Möchte er bestimmte Marktanforderung in Papier bedienen? Außerdem muss klar sein, welche Technologien bei ihm verfügbar sind. Welche Barriere-Anforderung hat das Produkt? Und was nicht zu unterschätzen ist: Was ist der Kunde bereit zu investieren? Möchte er auf einer bestehenden Anlage produzieren, oder in eine neue Linien aufbauen?

neue verpackung: Stichwort Papier: Seit einiger Zeit stehen faserbasierte Verpackungen bei Markenartiklern hoch im Kurs, weil Konsumenten diese mehrheitlich nachhaltig wahrnehmen. Nun sind diese ja tatsächlich nicht zwingend immer die ökologischste Option. Sind Ihre Beratungskunden darum in der Praxis flexibel, was die finale Auswahl des Packmittels angeht, oder häufig bereits determiniert?

Sauer: Papier ist ein exzellenter, nachhaltiger Werkstoff. Es ist biobasiert, kompostierbar – und vor allen Dingen ist es nachhaltig in den Augen der Kunden. Wenn wir uns Produzenten und Markenartikler anschauen, dann sind sie jedoch oft nicht frei in ihren Entscheidungen, da sie häufig bestimmte Regularien einhalten müssen. Außerdem haben sich viele Kunden eigene Vision gegeben, die vorgeben, was erreicht werden soll. Beispielsweise 100 Prozent Rezyklierbarkeit, Reduzierung von Virgin Plastic, Reduzierung von Packstoffen… das gibt dann häufig einen recht klaren Rahmen vor, innerhalb dessen eine Lösung gefunden werden kann. Dann gibt es Kunden, die sehr stark auf den externen Markt reagieren müssen, beispielsweise durch Retailer, die exakte Vorgaben machen oder direkte Kunden. Oder Hersteller, die sich explizit mit dem Thema Nachhaltigkeit positionieren wollen, dann liegt der Fokus klar auf Papier oder bioabbaubaren Materialien.Aus all diesen Gründen sind unsere Kunden oft nicht wirklich frei in ihrer Entscheidung, aber Papier ist natürlich trotzdem in vielen Fällen eine der Optionen.

Abgesehen von den Strategien gibt es natürlich eine weitere, gewichtige Limitation, die das Lösungsfeld einschränkt – nämlich das Produkt. Welche Barriere benötigt dieses, also welchen Produktschutz? Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie möchten ein feuchtes, sensitives Produkt einpacken. Das wird schwierig mit Papier, das erschließt sich wohl jedem. Oft sind die Fragestellung natürlich ein bisschen diffiziler.

Aber um das zusammenfassen: Ja, Papier steht immer ganz oben auf der Wunschliste. Aber am Ende entscheidet die Frage nach dem Packmittel immer, ob ich mein Produkt damit ausreichend schützen kann und ob die anderen Anforderungen, beispielsweise in Bezug auf Marketing, auf den Business Case, auf die Kostenstruktur und natürlich die technologischen Gegebenheiten erfüllt werden.

neue verpackung: Lange Zeit waren nachhaltige Verpackungen vor allem im FMCG-Bereich stark nachgefragt, nun gewinnt das Thema auch in der Pharmabranche immer mehr an Bedeutung. Welche Möglichkeiten beziehungsweise Einschränkungen haben Unternehmen in diesem hochregulierten Bereich?

Sauer: Da geben sie im Prinzip das Bild wieder, das wir auch sehen. Anfänglich war das Thema Nachhaltigkeit vor allem mit dem Bereich Nahrungsmittel verbunden, ganz einfach, weil dort der Marktdruck kräftiger war. Nun hat sich die Welt geändert und auch die großen Pharmazeuten sind unter Druck oder haben sich auch eigene Ambitionen gegeben, entsprechend sehen wir in der Tat auch dort eine größere Nachfrage.

Wie kann das jetzt Zusammenpassen – reguliertes Geschäft und Umstellung auf nachhaltige Materialien? So gibt es Umstellungen, die zwar technologisch möglich, ökologisch gewünscht, aber aufgrund bestehender Regularien nicht möglich sind. Denken sie nur einmal an den Beipackzettel.

Allerdings sind andere Dinge durchaus angreifbar, beispielsweise die Vermeidung von kritischen Packstoffen wie PVC. Hier gibt es beispielsweise den Papier-Blister, der gemeinsam mit anderen Kunststofflösungen Optionen bietet, um auch im Pharmabereich eine nachhaltige Lösung umzusetzen. Natürlich werden nicht die sensibelsten Produkte in solchen Alternativen verpackt, sondern oftmals frei verkäufliche oder aber stabile Produkte.

Was wir generell viel stärker sehen als in anderen Bereichen, ist die Fragestellung der CO2-Einsprachen, und zwar der direkten CO2-Einsparung. Hier kommt dann ein ganz neuer Aspekt dazu, die Life-cycle-Analyse. Also die Ermittlung und Optimierung des CO2-Foodprints. Dort haben wir als Syntegon schon relativ zeitig begonnen zu investieren und haben uns das vor drei Jahren auch zertifizieren lassen. So sind wir heute in der Lage, unsere Anlagen Cradle-to-crade zu simulieren und dabei natürlich auch Optionen zu vergleichen. Deshalb sind Umstellungen bei Pharma langwieriger, auch weil die Umstellungen validiert werden müssen, aber noch mehr als in anderen Bereichen können wir hier CO2-Einsparung und Nachweise realisieren.

neue verpackung: Neben der Auswahl des Packmittels kann auch das Maß der Automatisierung im Prozess den CO2-Abdruck mit beeinflussen. Ist dies darum ebenfalls Teil Ihres Beratungskonzeptes?

Sauer: Eine spannende Frage und für uns Maschinenbauer natürlich auch ein erhebliches Neuland. Es gibt hier zwei Aspekte: Der erste ist, dass vor allen Dingen große, weltweit operierende Markenartikler einfach überfordert waren, zu entscheiden, welche nachhaltige Packstoff-Lösung die richtige für ein bestimmtes Produkt ist. Ist es nun Kunststoff? Ist es Papier? Sind das Biokunststoffe? Das ist sehr schwierig festzulegen, weshalb man anfing auf den CO2-Footprint zu schauen – und zwar holistisch.

Jetzt stellt sich der eine oder andere sicherlich die Frage: Was ist anders, als wenn ich die Daten direkt beim Materialhersteller abfrage? Es ist ganz einfach so, dass ich natürlich beispielsweise Papier und Kunststoff vergleichen kann: Papier hat – auf Gramm zu Gramm Basis – einen besseren CO2-Wert. Aber ist das auch noch der Fall, wenn ich eine höhere Grammatur verwende, als ich bei Kunststoff benötige? Ist das noch der Fall, wenn ich eine größere Packgröße benötige, weil Papier einfach steifer ist? Und ist es noch der Fall, wenn ich eine größere Zweit- und Drittverpackung benötige und weniger Produkt auf der Palette habe? Wie bewerte ich das vergleichend?

Und da haben wir die Möglichkeiten, durch Simulation kompletter Linien, mit unterschiedlichen Konfigurationen, dem spezifischen Zuschnitt und dem spezifischen Material sowie der spezifischen Effizienz, den CO2-Footprint zwischen den verschiedenen Anlagen, aber auch zwischen verschiedenen Technologien zu vergleichen.

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