Sind Sie auch einer dieser Menschen, die danach gefragt, wie lange Sie schon „dabei" sind, keine aufaddierten Jahre nennen, sondern antworten „Ich bin jetzt schon in meinem zehnten interpack-Jahr"? Nur wenige Veranstaltungen schaffen es, als alternative Zeitrechnung herzuhalten. Die internationale Leitmesse für die Verpackungsbranche und ihre verwandte Prozessindustrie in Düsseldorf gehört hingegen zu diesem elitären Kreis. Dabei fing damals alles recht beschaulich an: Bei der Premiere zeigten sich 255 Unternehmen insgesamt 32.544 Besuchern. Nur zum Vergleich: Auf der letzten interpack waren 2.865 Aussteller und 170.500 Besucher.
Die 1960er: Vom Novizen zum Branchenprimus in zwei Anläufen
Beim zweiten Anlauf im Jahr 1960 waren es zwar noch nicht ganz so viele – nämlich 515 Aussteller und 55.670 Besucher, dennoch konnte die interpack schon damals für sich beanspruchen, die größte Verpackungsmesse der Welt zu sein. Ein Titel, den ihr bis zum heutigen Tage niemand streitig machen konnte. Mit ihrer zweiten Ausführung fanden damals auch erstmals Produzenten der Packmittelindustrie ihren Weg nach Düsseldorf. Und nicht nur sie: Die Messe zog Publikum aus immer mehr Teilen der Welt an und so trafen in den 60er-Jahren bis zu 60 Nationen zwischen den neuesten Errungenschaften der Verpackungsbranche aufeinander.
Im Jahr 1969 war der Ansturm auf die Ausstellungsfläche so groß, dass der Veranstalter das Gelände mithilfe einer provisorischen Erweiterung auf 100.000 m2 ausdehnen musste – mit der Konsequenz, dass einige Aussteller ihre Stände in Zelten aufbauten. Damit dieses Provisorium nicht zur Dauerlösung werden musste, und weil sich auch andere Veranstaltungen der Messe Düsseldorf, wie etwa die „K" oder die „drupa", rasant entwickelten, beschlossen die Verantwortlichen den Bau eines größeren Messegeländes. Es war die erste, aber bei Weitem nicht letzte Expansion für die interpack.
Die 1970er: Krise – welche Krise?
Die 70er gingen als wirtschaftlich schwierige Jahre in die Geschichtsbücher ein – wovon sich die interpack nichts anmerken lies. Zu diesem Zeitpunkt zog die Messe bereits Besucher aller fünf Kontinente an und konnte für sich beanspruchen, messbaren Einfluss auf das Investitionsverhalten und den Investitionszeitpunkt zu haben. Das ungebremste Wachstum machte die Entscheidung unausweichlich, die interpack zu verlagern: 1973 residierte die Messe erstmals auf dem neu gebauten Nowea-Messegelände (kurz für Nordwestdeutsche Ausstellungsgesellschaft) in Düsseldorf-Stockum. Mit zwölf vollklimatisierten Hallen bot das Gelände nicht nur eine Ausstellungsfläche von 109.000 m2; es galt noch lange Zeit als das modernste in Europa.
Mit der schwächelnden Wirtschaft einher gingen auch gestiegene Rohstoffpreise, was zu einem Paradigmenwechsel in der Verpackungsbranche – und damit auch auf der interpack – führte. Ab jetzt hieß es „Optimierung statt Maximierung".
Die 1980er: Die Verbesserung liegt im Detail
Die Krise war vielleicht bewältigt, doch prägte der aus ihr hervorgegangene Hang zur Effizienz auch die Jahre danach: In den 1980er-Jahren waren es nicht mehr die revolutionären Mechaniken, die das Ausstellungsbild auf der Messe prägten, sondern vielmehr Optimierungen im Detail; das Schlagwort „Wirkungsgrad" war plötzlich in aller Munde. Möglich wurde dies auch durch den steigenden Grad an Automatisierung; durch den Einsatz speicherprogrammierbarer Steuerungen (kurz SPS) ließen sich neue Konzepte im Verpackungsbereich realisieren. Das entlastete nicht zuletzt auch das Personal in der Produktion.
Und auch ein weiteres Thema betrat die Bühne der interpack, das bis zum heutigen Tag die Branche bewegt: der Umweltschutz. Mit dem „7-Tage-Dialog" schaffte die Messe 1981 eine Plattform zum Austausch zwischen Verpackungsindustrie und ihren Kritikern, um im Dialog nach umweltfreundlichen Konzepten zu forschen. Das Feedback aus den Lagern war so positiv, dass auch auf der Folgeausgabe der Messe ein Diskussionsforum „Verpackung und Umwelt" ausgerichtet wurde. Außerdem fand die Verpackungsmesse im Jahr 1984 zum mittlerweile zehnten Mal statt, wofür sich die interpack selbst und ihre Aussteller mit einer weiteren Messehalle beschenkte, die das Gelände um zusätzlich 18.000 m2 erweiterte. Mit der letzten Ausgabe des Jahrzehnts konnte die interpack auch noch einmal einen Rekord für sich verbuchen: 1987 kamen mehr als 50 Prozent der Besucher aus dem Ausland – das schaffte keine andere Investitionsgütermesse.
Die 1990er: Umweltschutz weiter im Fokus
Die 90er-Jahre waren zwar wieder krisengebeutelt, trotzdem war es eine Zeit des Aufbruchs. Denn durch den Fall des Eisernen Vorhangs rückte die bisher starr in Ost und West geteilte Welt ein großes Stück zusammen – und traf sich in Düsseldorf. 1990 waren die ehemalige DDR, Ungarn sowie die Tschechoslowakei erstmals als Aussteller auf der Messe vertreten. Daneben war auch dieses Jahrzehnt wieder geprägt durch Umweltthemen: 1993 führt Deutschland die Rücknahme- und Verwertungspflicht für Verkaufsverpackungen ein und auch auf EU-Ebene zeichneten sich ähnliche Verordnungen ab. Die interpack bildete diese Entwicklung ab, indem sie mehrere Workshops zum Thema Verpackung und Umwelt sowie die Sonderausstellung „Verpacken wir die Zukunft" veranstaltete. Da das Publikum diese Formate gut annahm, fand auch auf der interpack 1996 das Symposium „Verpackung und Umwelt" statt. Eröffnet wurde dieses von einer gewissen Angela Merkel.
Daneben spielte aber auch das zweite Dauerthema, die Automatisierung, eine prägende Rolle auf dem Messegelände. Mittlerweile war der Verpackungsmaschinenbau der zweitgrößte Abnehmer von Robotersystemen, getoppt nur von der Automobilbranche.
Die 2000er: Agilität immer wichtiger
Nachdem der Y2K-Bug doch nicht alle Computer abstürzen lies und die Welt in die Steinzeit zurückversetzte, ging auch die Geschichte der interpack weiter. Das neue Schlagwort des Jahrtausends hieß „Flexibilität", denn in einer Welt mit immer kürzeren Produktzyklen hatte der die Nase vorne, dessen Umrüstzeiten möglichst kurz ausfielen. Diesem Trend, hin zu immer kleineren Serien, kamen auch die erzielten Fortschritte im Digitaldruck entgegen. Der Wunsch nach Losgröße 1 nahm auch im Verpackungsbereich Konturen an. So wurde die Verpackung immer mehr zum Marketing-Tool. Und die allgemeine Entwicklung zu einem immer höheren Maß an Automatisierung spiegelte die interpack nicht mehr erst auf dem Messegelände wider: 2002 konnten sich Besucher erstmals online registrieren.
2005 wuchs die Messe dann auch noch einmal ganz klassisch physisch und stellt mit Halle 8a einen weiteren Ausstellungsbereich zur Verfügung. Der neuen Halle folgte dann, drei Jahre später, der Zwilling 8b. Im Jahr 2005 gab es gleich zwei neue Sonderschauen: Der „Innovationparc Bioplastics in Packaging" widmete sich dem Interesse bezüglich nachhaltiger Verpackungslösungen und informierte über den aktuellen Entwicklungsstand von Biokunststoffen. Und mit „Innovationparc RFID: Supply Chain Solutions" standen berührungslose Lösungen für Track & Trace im Mittelpunkt.
Die Gegenwart: Digitalisierung und Kampf gegen Lebensmittelverluste
In den letzten Jahren war die Verpackungsbranche – wie auch jede andere Branche – beherrscht von einem Thema: Digitalisierung. Immer mehr Prozesse, angefangen von der ersten Skizze einer Verpackungslinie bis hin zum individuellen Verpackungsetikett, wandern ab ins Virtuelle, wodurch sich teils völlig neue Geschäfts- und damit Erlösmodelle entwickeln.
Aber ganz klar bleiben auch die Themen Umweltschutz und die damit verbundene Nachhaltigkeit auch weiterhin thematische Tragsäulen der Messe. Mit der im Jahr 2011 von der Messe Düsseldorf und der FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) gegründeten Initiative „Save Food", zu deren Mitgliedern auch die neue verpackung zählt, setzte die interpack ein Zeichen für den Kampf gegen Lebensmittelverluste, einem zentralen Thema im Kampf gegen den Welthunger.
Zur interpack 2014 feierte die „components for processing and packaging" Premiere – eine eigene Veranstaltung für die Zulieferindustrie der Anbieter von Verpackungstechnologie und Prozesstechnik. Nach der Erstveranstaltung in der Stadthalle im Congress Center Süd wanderte sie 2017 in eine temporäre Halle im Herzen des Messegeländes, wo sie auch zur kommenden interpack wieder ausgerichtet wird.
Die Messe verharrt 2018, also 60 Jahre nach der Premiere der ersten interpack, nicht im Stillstand. So konnte das neue Konzept der interpack alliance zuletzt die Präsenz in den Wachstumsmärkten noch einmal verstärken. Mit der interpack 2020 wagt der Veranstalter eine konzeptionelle Neuaufstellung in Düsseldorf: Die Messe clustert künftig die Aussteller noch besser nach Branchen wie Süß- und Backwaren oder Pharmazeutika und Kosmetika – wodurch sich die Laufwege für die Besucher künftig reduzieren sollen. Mehr dazu lesen Sie im Interview mit Thomas Dohse, dem neuen Deputy Director interpack.
neue verpackung: Herr Dohse, einige Aussteller bezeichneten die interpack 2017 als die erfolgreichste interpack aller Zeiten. Nun blicken natürlich alle auf Sie als „den Neuen“: Wie können Sie die Unternehmen 2020 wieder so schwärmen lassen?
Thomas Dohse: Naja, „der Neue“ bin ich ja nur in der Position des Deputy Directors. An Bord des Teams der interpack bin ich schon seit 2005, hauptsächlich im Vertrieb, in der Ausstellerbetreuung und der Hallenaufplanung. Unsere Aussteller können sich auch in Zukunft darauf verlassen, dass wir eine erstklassige Organisationsqualität bieten und gezielt die relevanten Besucherzielgruppen überall auf der Welt ansprechen. Darauf verwenden wir viel Energie und Ressourcen und schaffen so die Voraussetzungen für eine gelungene Messe. Außerdem konzentrieren wir uns auf innovative Sonderthemen, die Impulse für die Branche setzen. So beispielsweise das Thema Save Food, das nun schon über mehrere Messen Innovationen der Branche zeigt, die helfen können, Lebensmittelverluste oder -verschwendung zu vermindern. Wenn zur Messe dann auch noch die Vorzeichen der Branchenkonjunktur positiv sind, steht einem Top-Event nichts mehr im Weg.
neue verpackung: In den 60 Jahren seit ihrer Premiere hat sich die interpack immer wieder ein wenig neu erfunden und mit verschiedenen Konzepten gespielt. Auch die interpack 2020 steht in dieser Tradition und öffnet mit einem neuen Hallenkonzept. Können Sie uns ein wenig über den Prozess erzählen, der zu dieser Entwicklung führte?
Thomas Dohse: Die interpack ist in ihrer 60-jährigen Geschichte immer Spiegel und auch Motor der Branche gewesen. Insofern hat sie sich natürlich kontinuierlich verändert – so wie die Branche selbst eben auch. Außerdem ist sie stetig gewachsen. Für die interpack 2020 gibt es nun bauliche und auch konzeptionelle Änderungen. Direkt nach der letzten interpack haben wir die Hallen 1 und 2, die optisch noch aus den 70er-Jahren stammten, abgerissen und bauen an gleicher Stelle eine große neue Halle 1 und einen architektonisch sehr reizvollen neuen Eingang Süd. Der Neubau ist von der Fläche etwas größer als die beiden alten Hallen und beinhaltet außerdem einige Konferenzräume. Konzeptionell werden wir die interpack 2020 deutlich fokussierter aufstellen.
Die Hallenplanung orientiert sich dabei an den sogenannten „Innovativen 8“, also an unseren Kernbesucherzielgruppen Nahrungsmittel, Getränke, Süßwaren, Backwaren, Pharma, Kosmetik, Konsumgüter und Industriegüter. Der Süß- und Backwarenbereich wird im etablierten Bereich der Hallen 1 bis 4 bleiben und auch die Bereiche Nahrungsmittel, Getränke, Konsumgüter und Industriegüter werden zum größten Teil in ihrem angestammten Umfeld in den Hallen 5, 6 und 11 bis 14 platziert. Neu zusammengeführt haben wir die Aussteller aus der Pharma- und Kosmetikbranche in den Hallen 15 bis 17. Ebenfalls neu ist die Bündelung des Packmittelbereiches rund um den Eingang Nord. Neben den klassischen Packmitteln werden dort auch Packmittelproduktion, Etikettierung, Kennzeichnung, Verpackungsdruck und Veredelung gezeigt. Diese Konzeption entspricht den Wünschen der Fachbesucher, die die Aussteller nun noch gezielter ansteuern können. Der Messebesuch wird so noch effizienter.
neue verpackung: Können Sie uns schon etwas über thematische Schwerpunkte in 2020 verraten?
Thomas Dohse: Was die Trendthemen der Branche angeht, werden wir sicherlich mehr Industrie-4.0-Anwendungen sehen, aber auch weiter ressourcenoptimierte Verpackungstechnik oder auch alternative beziehungsweise materialreduzierte Packmittel. Diese Trends waren ja schon zur letzten Messe sehr prägend. Wir arbeiten aber auch an einigen Sonderthemen, denen wir auf der interpack ein Forum geben wollen. Aktuell spielt das Thema der Auswirkungen von Verpackung auf die Umwelt eine große Rolle, denn die kritische Öffentlichkeit diskutiert dies kontrovers. Es ist sicherlich spannend, einen Austausch der Experten auf der interpack zu organisieren und nach den Lösungsansätzen für die Zukunft zu fragen.
neue verpackung: Mit der interpack alliance wuchs das Konzept der Messe in den letzten Jahren nicht zuletzt auch in den Entwicklungsländern. Gibt es noch weiße Flecken auf der Weltkarte, die Sie sich aktuell erschließen möchten?
Thomas Dohse: Bernd Jablonowski hat als verantwortlicher Global Portfolio Director das Konzept der Dachmarke interpack alliance entwickelt, um alle Veranstaltungen der Messe Düsseldorf zum Thema Processing & Packaging zu bündeln. Das Ziel ist es, unseren Ausstellern Messen mit der bekannten Qualität der interpack auch in spannenden Zukunfts- und Wachstumsmärkten anzubieten. Wir haben schon eine Reihe von interessanten Veranstaltungen, zum Beispiel im Iran oder in Indien im Portfolio, aber wir beschäftigen uns aktuell auch mit weiteren Märkten, in denen die interpack alliance bisher noch nicht vertreten ist. Vielleicht können wir da im Laufe des Jahres etwas Neues verkünden.
Die Fragen stellte Philip Bittermann, Chefredakteur neue Verpackung