
Die Nachfrage nach hochwertigen Post-Consumer-Rezyklaten könnte in den nächsten Jahren deutlich steigen. (Bild: Funef6 – Stretz)
Experten sind sich einig: Der Bedarf an hochwertigen Post-Consumer-Rezyklaten dürfte in den nächsten Jahren deutlich steigen – nicht zuletzt aufgrund der EU-Verpackungsverordnung PPWR, die konkrete Mindestwerte für den Rezyklatgehalt von Verpackungen ab 2030 vorschreibt.
Voraussetzung für die Herstellung hochwertiger Rezyklate ist eine saubere Sortierung der Verpackungen aus dem Gelben Sack oder der Gelben Tonne in der Sortieranlage. Diese erfolgt in modernen Anlagen weitgehend vollautomatisch: Unter Anwendung verschiedener technischer Verfahren wird der Materialmix in mehreren Schritten in verschiedene Materialarten getrennt. Je sauberer die Sortierung, desto besser die Ausbeute und in der Folge die Qualität des Rezyklats. Insbesondere die Nahinfrarot-Spektroskopie (NIR) hat sich bei der Materialerkennung und Sortierung als effiziente Technologie bewährt. Doch bei Mehrschichtmaterialien, Materialien mit ähnlichen NIR-Spektren sowie beschichteten oder Verbundmaterialien stößt auch sie heute noch an ihre Grenzen.

Stefan Munz, Leiter Innovation & Nachhaltigkeit bei Eko-Punkt. (Bild: Funef6 – Lena Kirchner)
Digitale Wasserzeichen: der heilige Gral des Recyclings?
Große Hoffnung setzen manche Unternehmen und Recycler daher in sogenannte digitale Wasserzeichen, eine Technologie, die aktuell im Pilotprojekt Holy Grail 2.0 von mehr als 120 internationalen Unternehmen getestet wird. Digitale Wasserzeichen sind Barcodes, die für das menschliche Auge unsichtbar die gesamte Oberfläche einer Produktverpackung bedecken und Informationen zu Inhalt, Verpackungsmaterial und Herkunft enthalten. Hochauflösende Kameras in den Sortieranlagen sollen die Codes erfassen und die darin eingebetteten Informationen für die Materialtrennung nutzen. Das Ziel: ein effizienteres und genaueres Sortieren der Wertstoffe im Recyclingprozess.
Stefan Munz ist Leiter Innovation & Nachhaltigkeit bei Eko-Punkt, dem dualen System von Remondis. „Die Möglichkeiten, die digitale Wasserzeichen durch die Verfügbarmachung präziser Informationen zur Verpackung potenziell bieten, sind enorm“, sagt Munz. „Theoretisch wäre sogar eine sortenreine Rückführung denkbar, bei der jeder Hersteller sein eigenes recyceltes Material zurückerhält.“ In der Praxis sind der Sortierung jedoch Grenzen gesetzt: „In einer Sortieranlage kommen ja nicht die Verpackungen von zehn, zwanzig oder dreißig Herstellern an – vielmehr haben wir es mit Verpackungen von vielleicht dreißigtausend Herstellern zu tun. Die Sortieranlagen bieten schlichtweg nicht den Platz für eine derart feingliedrige Sortierung“, erklärt Munz.
Hinzu komme, dass die Aufbringung der Wasserzeichen auf die Verpackungen im Produktionsprozess spezielle und kostspielige Druckertechnologien erfordert. Ein radikaler Systemwechsel weg von der NIR-Technologie hin zu einer flächendeckenden Nutzung digitaler Wasserzeichen hält Munz daher nicht für wahrscheinlich. „Der heilige Gral, der alle Probleme des Recyclings löst, sind digitale Wasserzeichen sicherlich nicht“, so die Einschätzung des Experten. Dennoch ist Munz überzeugt, dass die Technologie in Zukunft eine Rolle spielen wird – allerdings eher in speziellen Anwendungen und als Ergänzung zur Nahinfrarot-Spektroskopie. „Denkbar ist der Einsatz beispielsweise bei nicht-sensitiven Verpackungen aus Polyethylen. Hier könnten digitale Wasserzeichen helfen, Verpackungen mit kritischem Inhalt zu kennzeichnen und auszusortieren. So wäre sichergestellt, dass keine giftigen Stoffe aus dem Inhalt der Verpackung in das Rezyklat und somit in die neue Verpackung gelangen.“

Blockchain: Das Ideal der lückenlosen Rückverfolgbarkeit
Codes auf der Verpackung spielen auch bei einer anderen Technologie eine Rolle: „Wenn man das Prinzip der Kennzeichnung von Verpackungen mit digitalen Markern weiterdenkt, landet man unweigerlich beim Thema Blockchain“, erklärt Munz. Der Unterschied: Während ein digitales Wasserzeichen auf eine gesamte Charge oder Serie von Verpackungen aufgebracht wird, die denselben Typ oder dasselbe Produkt repräsentieren, erhält bei der Blockchain-Technologie jede einzelne Verpackung einen individuellen, eineindeutigen Code.
„Der Einsatz der Blockchain-Technologie würde es ermöglichen, jede einzelne Verpackung über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg von der Herstellung über die Kassensysteme des Handels bis hin zum Recycling nachzuverfolgen“, nennt Munz die Vorteile. Auch die Konformitätsdaten, die die PPWR in Zukunft verlangt, könnten in dem Code hinterlegt werden. Einen weiteren Pluspunkt der Blockchain sieht Munz im barrierefreien Zugang zum System. Denn im Gegensatz zu einem normalen Scanner-Code, der von zentralen Instanzen vergeben wird, kann jedes Unternehmen Blockchain-Codes überschneidungsfrei im internationalen Kontext selbst generieren. Die sogenannten Smart Contracts auf der Blockchain ermöglichen zudem die Erzeugung von automatischen Gutschriften für jeden Prozessschritt. So könnten auch Verbraucher für das Recycling belohnt werden. Dies könnte etwa durch Token oder andere digitale Anreize erfolgen, die in der Blockchain hinterlegt sind.
„Ein Blockchain-basiertes System in Verbindung mit seriell gekennzeichneten Verpackungen würde vom Innovationsgrad her deutlich über dem von digitalen Wasserzeichen liegen und hätte wirklich das Potenzial, das Recycling zu revolutionieren“, so Munz. Die Hürden für eine flächendeckende Einführung sind seiner Einschätzung nach allerdings nicht nur aufgrund der kostenintensiven Druckertechnologie derzeit noch sehr hoch: „Eine Skalierung dieser Technologie würde sehr viel Rechnerkapazität erfordern, die heute noch nicht in ausreichender Menge verfügbar ist. Zumindest in absehbarer Zeit dürfte daher ein Blockchain-basiertes Recycling in großem Stil nicht kommen“, prognostiziert er.
Über Eko-Punkt
Eko-Punkt ist das duale System von Remondis. Es hat sich als Kompetenzzentrum Verpackung neben der Verpackungslizenzierung auch auf die Verbesserung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen spezialisiert. Mit seinem Verpackungslabor und einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit bietet Eko-Punkt Beratungsleistungen für alle, die Verpackungen entwickeln und einsetzen.
Großes Potenzial: KI-gestützte Bilderkennung
Eine völlig andere Möglichkeit, um die Sortierung von Verpackungen zu verbessern, bieten KI-gestützte Bilderkennungsverfahren in Kombination mit hochauflösenden Kameras. Dabei werden Bilder des Abfallstroms auf dem Sortierband erfasst. Algorithmen mit Bilderkennung analysieren die Bilder in Echtzeit und identifizieren verschiedene Merkmale wie Materialart, Farbgebung, Form und Größe. Basierend auf den analysierten Merkmalen steuert die KI die Sortieranlage, um die Verpackungen präzise in bestimmten Materialfraktionen zu sortieren. Trainiert wird die KI anhand von Bildern, die in einer Datenbank hinterlegt sind. Solche Technologien sind heute schon im Einsatz – zum Beispiel bei der Sortieranlage von Remondis in Bochum.
Munz ist überzeugt: „Durch immer besseres Training und immer größere Datenbanken könnten diese Systeme in Zukunft noch viel effizienter werden und irgendwann auch konkrete Verpackungen bestimmter Hersteller eindeutig erkennen, die kompletten Informationen zu dieser spezifischen Verpackung aus einer Datenbank ziehen und die Verpackung dann entsprechend sortieren.“ Diese Form von KI könnte zusätzlich zur Nahinfrarot-Spektrografie zum Einsatz kommen, etwa beim Nachsortieren auf Werkstoffeigenschaften, die NIR-Scanner eher nicht erkennen. „Dadurch könnte man bei Kunststoffverpackungen beispielsweise zwischen Spritzgusstypen und Extrusionstypen unterscheiden, die ganz andere Schmelzverhalten und Verarbeitungseigenschaften haben, und diese entsprechend sortieren. Das wäre ein echter Quantensprung in der Qualität der Sortierung und des Recyclings“, sagt Munz.
PPWR: Innovationsschub dank neuer Vorgaben
Ob digitale Wasserzeichen, Blockchain oder KI: Auf absehbare Zeit, so die Einschätzung von Munz, werden diese Technologien die bewährte Nahinfrarot-Spektroskopie nicht ersetzen. Sie haben jedoch das Potenzial, diese zu ergänzen, indem sie zusätzliche Informationen über die Verpackung liefern, die der NIR-Scanner nicht erkennen kann. Damit könnten sie die Qualität der Sortierung und des Recyclings schon in den nächsten Jahren deutlich verbessern.
„Die PPWR könnte in dieser Hinsicht einen Innovationsschub auslösen“, prognostiziert Munz, „weil sie ab 2030 Mindest-Rezyklateinsatzquoten vorschreibt, für deren Erfüllung mehr hochwertige Rezyklate benötigt werden, als es derzeit am Markt gibt.“ Die beste Sortierleistung, so der Experte, kann allerdings immer noch der Verbraucher im Haushalt durch eine korrekte Abfalltrennung erbringen.
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