Sabine Eller neben einer Verpackung PAL973.

Sabine Eller ist stolz auf die PAL973. (Bild: BMW Group)

Eine große Herausforderung in der globalen Logistik besteht darin, ein optimales Verpackungssystem für den interkontinentalen Transport zu konzipieren. In Europa dominieren Euro-Paletten, während in China und Amerika Abmessungen verwendet werden, die auf dem Seecontainer basieren. Diese Vielfalt unterschiedlicher Dimensionen behindert oft den effizienten Transport und die Maximierung der Ladekapazitäten.

Die BMW Group hat früh erkannt, dass auch in der Verpackungslogistik enormes Potenzial für Effizienzsteigerung und Nachhaltigkeit steckt. Beim Überseeversand von Autoteilen zwischen Europa und den internationalen Produktionsstandorten von China bis Nordamerika setzt der bayerische Automobilhersteller innovative Lösungen um, die nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch den Geldbeutel.

Stauraum mit übereinander gestapelten Containern.
Drei übereinander, drei nebeneinander: So nutzen die Verpackungen den Stauraum der Container optimal aus und erhöhen gleichzeitig die Transportsicherheit. (Bild: Redaktion)

Warum stapelt BMW mit PAL973?

Im Mittelpunkt dieser Entwicklung steht die unscheinbare PAL973, eine Einwegbox aus Wellpappe auf einer Holzpalette, die von BMW in Zusammenarbeit mit Prozesspartnern entwickelt wurde: Projekt Oversea-Box. Auf den ersten Blick mag sie wie eine gewöhnliche Pappschachtel erscheinen, doch hinter diesem simplen Äußeren verbirgt sich ein ausgeklügeltes System zur Optimierung des Überseeversands.

Sabine Eller, Projektleiterin für Einwegverpackungen in der BMW Group Logistik in Garching bei München, zeigt sich selbstbewusst: „Wenn wir über Verpackungslogistik bei der BMW Group sprechen, kommen wir im Überseeversand an unserer PAL973 nicht mehr vorbei.“ Die Begeisterung in ihrer Stimme ist nicht zu überhören, wenn sie von den Vorteilen dieser Innovation spricht.

Die PAL973 ist das Ergebnis einer einfachen, aber cleveren Idee: Warum nicht eine Box entwickeln, die auf die Maße eines 40-Fuß-High-Cube-Seecontainers abgestimmt ist? Das Resultat ist eine Verpackung, die dreimal übereinander und dreimal nebeneinander gestapelt werden kann. Diese scheinbar simple Anordnung führt zu einer maximalen Raumausnutzung innerhalb des Containers und bietet gleichzeitig optimale Stabilität für den sicheren Transport von sensiblen Komponenten für die Automobilproduktion.

Große Kartons auf Paletten.
Die Verpackungs­lösungen aus Wellpappe sind vollständig recycelfähig. (Bild: BMW Group)

Bereits Seecontainer eingespart

Die PAL973 verkörpert den Geist der Nachhaltigkeit, der sich durch die gesamte Logistikkette von BMW zieht. Hergestellt aus Wellpappe mit einem hohen Anteil an Recyclingpapier, ist sie nicht nur leicht und stabil, sondern auch vollständig recycelbar. Nach ihrer Verwendung kann sie problemlos wieder in den Materialkreislauf eingespeist werden – ideal für die Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie.

„Wir haben bereits Seecontainer bei der Versendung unserer Bauteile eingespart“, freut sich Eller. Denn in Zeiten, in denen die Kosten für einen 40-Fuß-High-Cube-Container seit Ende 2023 um mehr als das Dreifache gestiegen sind, ist jeder eingesparte Container bares Geld wert. Die Gründe für diese Preissteigerungen sind vielfältig und reichen von Umleitungen aufgrund von Konflikten im Roten Meer bis hin zu allgemeinen Störungen in der globalen Lieferkette.

Frau steht neben Kartons.
Hergestellt aus Wellpappe, sind die Verpackungslösungen wieder vollständig recycelbar. (Bild: BMW Group)

Ergonomie am Arbeitsplatz

Mit der Einführung der PAL973 punktet BMW nicht allein in der Nachhaltigkeitsstatistik, sondern auch bei den Menschen, die täglich mit diesen Verpackungen arbeiten. So verfügt die PAL973 über eine Aushebeklappe, die es den Mitarbeitern ermöglicht, den Inhalt ergonomisch zu entnehmen, statt mühsam Teile aus der Box zu heben – eine kleine, aber bedeutende Verbesserung für den Arbeitsalltag.

100 Prozent Altpapier für Wellpappe

Die Entwicklung und Implementierung der PAL973 ist auch ein Beispiel für die globale Zusammenarbeit in der Automobilindustrie. In Mexiko kooperiert BMW eng mit der Firma Tri-Wall aus Puebla, einem langjährigen Packaging-Partner des Unternehmens. Diese Partnerschaft hat sich als besonders wertvoll für das aktuelle Pilotprojekt, Komponenten der PAL973 nach einem Sortierprozess noch einmal zu verwenden, erwiesen.

Auf dem Erfolg mit der PAL973 mag man sich bei BMW nicht ausruhen. Das Unternehmen hat bereits die nächsten Schritte in Richtung Nachhaltigkeit im Fokus: ein vielversprechendes Projekt zur Erforschung von Materialersatz mit 100 % Altpapier für Wellpappenringe. Diese Initiativen sollen nicht nur die Effizienz weiter steigern, sondern auch einen deutlichen Impact auf die Umweltbilanz des Unternehmens haben.

Trotz aller Erfolge bleiben Herausforderungen bestehen. Die Verfügbarkeit hochwertiger recycelter Materialien in ausreichender Menge und die Sicherstellung ihrer Verarbeitungsqualität sind nach wie vor kritische Punkte. BMW investiert kontinuierlich in Forschung und Entwicklung, um innovative Lösungen zu fördern.

Zitat

Auf dem Erfolg mit der PAL973 mag man sich bei BMW nicht ausruhen.

Auf dem Weg zur perfekten Lieferkette

Ein weiterer Fokus liegt auch auf der Integration technologischer Entwicklungen in die Logistikkette. Aktuelles Beispiel ist das „Supply Chain Next“-Projekt, das das BMW-Werk in Mexiko gestartet hat. Raul Gamboa, Leiter für Produktionskontrolle, Produktionssystem und Logistik im BMW-Werk in San Luis Potosí, erläuterte im Rahmen der „Responsibility Days 2024“ am mexikanischen Produktionsstandort, was hinter dem ausgeklügelten System steckt: „Wir setzen künstliche Intelligenz zur Optimierung der Lieferkette und Echtzeit-Dashboards zur 360 Grad-Überwachung aller Logistikprozesse ein.“

Diese Dashboards ermöglichen es den Logistikexperten, schnell auf Veränderungen zu reagieren. Verspätet sich eine Lieferung? Kein Problem, das System schlägt automatisch Alternativen vor. Droht ein Engpass bei einem bestimmten Bauteil? Die KI hat bereits drei mögliche Lösungsszenarien erarbeitet; wobei der eingesetzte Algorithmus ständig dazu lernt und mit jeder Antwort präziser.

Mann präsentiert Box mit Autoteilen.
Neben der Nachhaltigkeit ist die Transportsicherheit natürlich weiterhin maßgeblich. (Bild: BMW Group)

Digitales Verpackungshandbuch für Lieferanten

Zurück zu Sabine Eller: Ihr ist es wichtig zu betonen, „dass BMW die Packaging-Innovationen nicht als exklusives Gut versteht, sondern als Beitrag zur Weiterentwicklung der gesamten Branche“.

Diese Offenheit zeigt sich auch in der Zusammenarbeit mit verschiedenen Packmittellieferanten. Nach der Pilotphase schreiben die unternehmensinternen Richtlinien der BMW Group vor, mehrere Lieferanten einzubeziehen, um Versorgungssicherheit und Wettbewerb zu gewährleisten.

Um die Qualität der Verpackungen dauerhaft sicherzustellen, setzt BMW auf moderne Kommunikationsmittel. Das digitale Verpackungshandbuch, angereichert mit Bildern und Erklärfilmen, unterstützt die Lieferanten bei der korrekten Umsetzung der Vorgaben des OEM. Dieses interaktive Format ermöglicht eine hohe Flexibilität bei sich ändernden Anforderungen und hat sich als wertvolles Werkzeug für die Unternehmenskommunikation erwiesen.

Mehr Out-of-the-Box denken

Die Geschichte der PAL973 und der nachhaltigen Verpackungslösungen bei BMW zeigt, wie Innovation und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können. Was auf den ersten Blick wie eine simple Pappschachtel erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als durchdachtes System zur Optimierung der globalen Logistikkette. Die Entwicklung solcher Lösungen ist mehr als nur ein Beitrag zum Umweltschutz. Sie ist eine Notwendigkeit in einer Welt, in der Ressourceneffizienz und Kostenoptimierung zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Echte Nachhaltigkeit ist nur durch ganzheitliches Denken zu erreichen – von der Materialauswahl über die Produktionslogistik bis hin zum Recycling. Die PAL973 mag nur ein kleiner Baustein im großen Gefüge der Automobilproduktion sein, doch sie symbolisiert einen wichtigen Paradigmenwechsel: Weg von der Wegwerfmentalität, hin zu einem Kreislaufdenken, das Ressourcen schont und gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile bietet. In einer Zeit, in der die Automobilindustrie vor gewaltigen Herausforderungen steht – sei es durch den Übergang zur Elektromobilität oder durch geopolitische Spannungen – zeigt das Beispiel der PAL973, dass auch in scheinbar nebensächlichen Bereichen wie der Verpackungslogistik hohes Innovationspotenzial schlummert. Die Reise zu mehr Nachhaltigkeit in der Automobilindustrie ist noch lange nicht abgeschlossen. Es bleibt spannend zu beobachten, welche weiteren Innovationen die Branche hervorbringen wird – vielleicht wieder aus einer Ecke, in der man sie am wenigsten erwartet hätte.

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