Pilotprojekt für ein Mehrwegsystem

Kosmetik im Kreislauf: Wie ein Startup Mehrweg neu denkt

Auch Kaufland ist Partner beim Reo-Proejkt.

Die Kosmetikbranche erzeugt enorme Verpackungsmengen, doch genaue Abfallzahlen fehlen. Ein Pilotprojekt zeigt nun, wie ein digital gesteuerter Mehrwegkreislauf aussehen könnte. Verpackungen werden gesammelt, gereinigt und erneut eingesetzt – ein möglicher Weg aus dem Einwegmodell.

Obwohl Shampoo, Cremes und Lotionen täglich genutzt werden, bleibt unklar, wie viel Verpackungsabfall die Kosmetikindustrie tatsächlich verursacht. Offizielle Abfallstatistiken, etwa vom Umweltbundesamt, listen Mengen nach Materialien wie Kunststoff, Glas oder Papier – jedoch nicht nach Branchen. Die spezifischen Beiträge einzelner Industrien lassen sich daher kaum isolieren.

Dabei deckt die Branche ein breites Spektrum ab: filigrane Tuben, stark dekorierte Flakons, Kartonagen, Umverpackungen. Schätzungen zufolge bringt die Kosmetikindustrie weltweit rund 120 Mrd. Verpackungseinheiten pro Jahr in Umlauf. Wie viele davon verwertet, recycelt oder verbrannt werden, bleibt offen. Klar ist lediglich: Die Mehrwegquote liegt im extrem niedrigen Bereich.

Einige Unternehmen zeigen jedoch Alternativen. nkm Naturkosmetik etwa setzt auf Glasflaschen, die mehrfach befüllt werden können und bei denen die Rückgabe per Versand erfolgt. Die Kosten dafür übernimmt der Anbieter. Doch solche Initiativen sind selten und meist markenindividuell. Ein flächendeckender Ansatz fehlt bisher.

Reo will den Mehrweg für Kosmetik neu aufsetzen

Steffanie Rainer ist Gründerin von Reo.

Hier setzt Reo an, ein Heilbronner Startup, das eine digitale, herstellerübergreifende Mehrwegplattform entwickeln will. Gründerin Steffanie Rainer spricht von einer Lösung, die Marken, Handel und Verbraucher verbindet. Ziel ist ein zirkulärer Verpackungskreislauf, in dem Behälter möglichst lange im Umlauf bleiben, bevor sie recycelt oder entsorgt werden.

Herzstück der Idee ist eine digitale Infrastruktur, die Verpackungen eindeutig identifizierbar macht. Durch Codierungen sollen Automaten erkennen, um welche Verpackung es sich handelt, wie sie sortiert werden muss und welchen Verwertungsweg sie nehmen soll: zurück in den Kreislauf, zum Recycling oder zur Verwertung.

Damit entsteht ein System, das im Idealfall ähnlich funktioniert wie das etablierte Pfandsystem – einfach und komfortabel, fasst Rainer die Grundgedanken zusammen.

 

Herausforderungen: Reinigung, Material, Design und Wirtschaftlichkeit

Bevor ein solcher Kreislauf im großen Stil funktionieren kann, müssen zentrale Fragen beantwortet werden:

  • Reinigung: Wie gründlich lassen sich Flaschen und Tiegel reinigen, ohne den Energie- und Wasserverbrauch unnötig zu erhöhen?
  • Zirkulationsfähigkeit: Wie viele Umläufe übersteht eine Verpackung, bevor sie ersetzt werden muss?
  • Material und Design: Welche Kunststoffe oder Gläser eignen sich? Wie lassen sich Etiketten, Farben oder Formen gestalten, damit Verpackungen standardisierbar bleiben, ohne dass Marken ihr Erscheinungsbild aufgeben müssen?
  • Ökologische Bewertung: Ab welcher Umlaufzahl ist Mehrweg gegenüber Recycling ökologisch vorteilhaft?
  • Ökonomische Tragfähigkeit: Welche Kosten entstehen für Reinigung, Logistik und Sortierung – und wie lassen sie sich auf mehrere Hersteller verteilen?

Fest steht: Ein Mehrwegsystem im Kosmetikmarkt ist komplex. Denn im Gegensatz zu Getränken, wo Normflaschen und hohe Stückzahlen üblich sind, setzt die Kosmetikbranche stark auf Markenindividualität. Verpackungen sind wesentlicher Teil der Markenkommunikation und Differenzierung im Regal.

Praxisversuch in München

Seit Monatsbeginn wird dieser Ansatz in der Praxis getestet. Gemeinsam mit Kaufland und Vollcorner hat Reo ein zwölfmonatiges Pilotprojekt gestartet. Kundinnen und Kunden können rund 90 Verpackungen der Marken Lavera, Sante, Kneipp und Logona zurückgeben – und zwar am gewöhnlichen Pfandautomaten.

Für jede zurückgegebene Verpackung gibt es 29 Cent. Die Verpackungen müssen weder bei einem teilnehmenden Händler gekauft worden sein noch einen Zusatzaufkleber besitzen. Entscheidend ist allein, dass sie im System registriert sind.

Der Fokus des Projekts liegt auf der Datensammlung. Erfasst werden Rücklaufquoten, Zustand der Verpackungen, Fehlerquoten bei der Erkennung und logistische Abläufe. Diese Daten sollen zeigen, wie ein Mehrwegkreislauf organisiert sein müsste, um später auch für größere Mengen und weitere Marken tragfähig zu sein.

Zusammenarbeit als notwendige Grundlage

Reo begleitet den Pilotversuch mit Workshops für Markenhersteller. Ziel ist es, Anforderungen zu definieren, Erfahrungen zu teilen und Schritte zur Vereinheitlichung zu entwickeln. Denn ein Mehrwegsystem kann nur funktionieren, wenn eine kritische Masse an Unternehmen mitmacht.

Unterstützt wird das Projekt von Circular Republic, einer Initiative der Unternehmertum, die sich für Kreislaufwirtschaft einsetzt. Laut Projektmanagerin Canan Köllner, so in der „Süddeutschen Zeitung“ zitiert, sind drei Faktoren entscheidend:

  • Rücklaufquoten von 80 bis 90 %, um ausreichende Umlaufmengen sicherzustellen.
  • Gemeinsame Standards, damit Sortier- und Reinigungsanlagen effizient arbeiten können.
  • Skalierung, also die Ausweitung auf viele Marken und Handelsketten.

Das Münchner Modell ist ein Testlauf für eine Branche, die bisher kaum auf Mehrweg gesetzt hat. Es zeigt, wie ein digital gesteuerter Kreislauf aussehen könnte und welche Hürden dabei zu überwinden sind. Ob das Modell eine größere Umsetzung findet, hängt letztlich davon ab, ob die Branche bereit ist, Verpackungsdesigns und Logistik auf neue Anforderungen auszurichten. Reo liefert vielleicht dafür einen möglichen Bauplan.