Schon zu einem frühen Zeitpunkt begann Stäubli mit der Entwicklung von Roboterlösungen für den Lebensmittelbereich.

Schon zu einem frühen Zeitpunkt begann Stäubli mit der Entwicklung von Roboterlösungen für den Lebensmittelbereich. (Bild: Stäubli)

Da Roboter im Grunde in jeder Industrie zum Einsatz kommen, vielleicht zu Beginn einmal ganz grundsätzlich: Wodurch unterscheidet sich eigentlich ein Roboter für Verpackungsapplikationen von einem Roboter, der beispielsweise im Automotivebereich zum Einsatz kommt? „In der Verpackungsindustrie kommt es vor allem auf Schnelligkeit an. Ein Roboter muss sich mit Tempo von A nach B bewegen können, Teile möglichst schnell positionieren und einen hohen Durchsatz erzielen. Das zählt mehr als eine besonders hohe Prozess- oder Bahngenauigkeit, die zum Beispiel im Automotivebereich extrem wichtig ist. Außerdem muss ein Roboter in der Verpackungsindustrie in der Lage sein, sich an die Bewegung eines Fließbands anpassen zu können. Dafür ist eine sensorische Wahrnehmungskraft erforderlich, die durch Bildbearbeitungssysteme und entsprechende Software – zum Beispiel das neue Kuka Pick Control – realisiert wird", erklärt Benjamin Baumann, Portfolio Manager Handling & Machinery bei Kuka. Das Einsatzgebiet für die Robotertechnik reicht dabei vom Verpacken des Einzelproduktes, über das anschließende Zusammenführen zu größeren Einheiten bis hin zum Palettieren. Für diesen letzten Schritt hat Kuka beispielsweise Lösungen mit Traglasten bis 1.300 kg.

Für Cobots erwarten Experten einen rasant steigenden Marktanteil.
Für Cobots erwarten Experten einen rasant steigenden Marktanteil. (Bild: Andrey Popov – Adobe Stock)

Wachstumsmarkt: überall

Wenn auch Roboterlösungen weiterhin ein Stück weit nach Hightech klingen, wie man sie hauptsächlich in industriellen Hochlohn-Ländern wie Deutschland erwartet, so kommen sie mittlerweile auch mehr und mehr in den sogenannten Emerging Markets zum Einsatz. Und das aus einem simplen Grund: „Es wird für Hersteller immer schwieriger, überhaupt noch Personal für die Produktion zu finden. Und dies ist kein exklusives Problem der Industrieländer. Selbst Schwellenländer wie Indien haben derzeit Probleme, Stellen in diesem Bereich zu besetzen. Das kann dann im Extremfall dazu führen, dass das Werk stillsteht", beschreibt Jorge Izquierdo, Vice President Market Development bei PMMI, dem Veranstalter der Pack Expo International, die Lage der dort produzierenden Unternehmen.

Roboter dienen also, anders als häufig vermutet, nicht der Abschaffung des Personals, sondern füllen vielmehr bestehende Lücken und entlasten die Arbeiter vor Ort. So erledigen Roboter hauptsächlich repetitative Aufgaben, die für den Menschen eintönig und auf Dauer belastend sind. Durch die Abgabe solcher monotonen und körperlich beanspruchender Tätigkeit können sich die menschlichen Mitarbeiter in der Folge anspruchsvolleren Aufgaben widmen.

Für Roboter im Verpackungsbereich gelten besondere Anforderungen. So müssen sie sich beispielsweise der Geschwindigkeit eines Fließbands anpassen können.
Für Roboter im Verpackungsbereich gelten besondere Anforderungen. So müssen sie sich beispielsweise der Geschwindigkeit eines Fließbands anpassen können. (Bild: Kuka)

Die Cobots kommen

Die Zeichen stehen auf Wachstum, und zwar ganz gewaltig: Machen kollaborative Roboter, kurz Cobots, aktuell noch rund drei Prozent des weltweiten Roboterumsatzes aus, so soll ihr Anteil bis zum Jahr 2025 auf 34 Prozent ansteigen – das entspräche einem Gegenwert von 25 Milliarden US-Dollar. „Dieses Wachstum wird zweifellos davon abhängen, ob Cobots in mehr Anwendungen eingesetzt werden können. Ihre kompakte Größe und ihre Fähigkeit, sicher neben Menschen zu arbeiten, machen sie ideal für kleine und mittelständische Unternehmen, die global konkurrenzfähig sein müssen", erklärt Enrico Krog Iversen, CEO des dänischen Greiferherstellers On-Robot. Und auch nach Einschätzung von Johannes Jansen, Geschäftsführer des Automatisierungsspezialisten Project Group, haben Cobots eine rosige Zukunft: „Es gibt einen klaren Trend hin zu ‚Mehr Automatisierung und Flexibilität nutzen!‘ Roboter decken beide Aspekte ab und halten daher immer mehr Einzug in Lösungen für die Verpackungsbranche. Der Boom bei Cobots, die ja mit Menschen Hand in Hand arbeiten, wird sich unserer Einschätzung nach eher noch verstärken, da sie im Vergleich zu Robotern in puncto Sicherheit mehr Flexibilität bieten können."

Der Vorteil smarter Cobots ist, dass Betreiber sie nach Bedarf bei unterschiedlichen Sortier- und Verpackungsaufgaben entlang der gesamten Lieferkette einsetzen können. Mobile Lösungen, wie sie beispielsweise Sawyer von Rethink Robotics anbietet, lassen sich ohne Aufwand jederzeit dorthin schieben, wo sie gerade benötigt werden. Per Train by Demonstration lernen sie dann vor Ort die neuen, benötigten Bewegungsabläufe durch das bloße Führen des Roboterarms und sind sofort einsatzbereit. Vor allem Kunden aus der Konsumgüterindustrie und ihre Dienstleister, die starken saisonalen Nachfrageschwankungen unterliegen (Weihnachtsgeschäfts etc.) können hier flexibel auf Auftragsspitzen reagieren. Das gilt auch für Logistikunternehmen wie DHL, wo ebenfalls bereits Cobots zum Einsatz kommen.

Systeme wie der Sigpack LDF lassen sich im 24/7-Betrieb, inklusive Formatwechsel und Reinigung, mit nur einem Bediener steuern.
Systeme wie der Sigpack LDF lassen sich im 24/7-Betrieb, inklusive Formatwechsel und Reinigung, mit nur einem Bediener steuern. (Bild: Bosch Packaging Technology)

Mehr Automatisierung, reduzierte Komplexität

Für Klaus Ullherr, Produkt Manager von Bosch Packaging Technology, sind Roboter „eigentlich zu schade, um einfach Dinge von A nach B zu tragen." Er beschäftigt sich stattdessen mit Lösungen für Spezialanwendungen in der Pharmaindustrie, was ganz besondere Anforderungen mit sich bringt. Denn solche Systeme müssen eine Resistenz gegen aggressive Reinigungsmittel wie H2O2 aufweisen und die empfindlichen Pharmaprodukte schonend ausrichten; vor allem bei Glasvails ein wichtiger Aspekt.

Neben der erhöhten Hygiene und dem Vorteil, dass für Applikationen wie der Sigpack LDF, der für den 24/7-Betrieb ausgerichtet ist, einschließlich Formatwechsel und Reinigung stets nur ein Bediener notwendig ist, sind Roboter außerdem laut Ullherr ein wichtiger Baustein für die in der Pharmabranche angestrebte 100-prozentige In-Prozess-Kontrolle. Denn anders als Menschen, arbeiten Roboter in stets reproduzierbarer Qualität.

Wie eine solche Lösung konkret aussehen kann, zeigte Bosch auf dem Unternehmensstand der diesjährigen Achema: Gemeinsam mit Glaxo Smith Kline (GSK) entstand eine aseptische Abfülllinie für Biopharmazeutika in Vails und Spritzen. Die Vorteile durch den Einsatz eines Roboters: Manuelle Eingriffe sind auf ein Minimum reduziert, da das Handling automatisch vonstatten geht und auch das Environmental Monitoring (Keimzahlüberwachung) innerhalb der Zelle ohne Eingriffe von außen abläuft. Was im ersten Moment vielleicht überrascht: Durch diese Automatisierung reduzierte sich die Komplexität der nötigen Ausrüstung, und Handschuheingriffe im Isolator entfallen.

Mittendrin statt nur dabei

Auch, aber nicht nur im Pharmabereich, ist der Trend ungebrochen, Roboter nicht mehr an die Linie anzubauen, sondern sie direkt in die jeweilige Verpackungsmaschine zu integrieren. Denn nicht nur erfordert der häufige Wechsel zwischen Verpackungsformaten ein flexibles Handling, sondern hat der Anwender auch den Vorteil, seinen Verpackungsprozess sozusagen schlüsselfertig beim Maschinenbauer seiner Wahl zu ordern statt sich selbst um die Integration kümmern zu müssen. Den damit verbundenen Aufwand sollten Betreiber nicht unterschätzen – und nicht nur, wenn es um physische Aspekte wie die Platzfrage geht, weiß Kuka-Portfolio-Manager Baumann: „Die größte Herausforderung ist die Integration der Roboter-Software in die Maschinensteuerung. Motion-Control-Steuerungen der etablierten Anbieter haben sich hier als Standard durchgesetzt. Verpackungsmaschinenhersteller und -kunden möchten ihre Lösungen meist innerhalb dieser bestehenden Programmierumgebung und mit einem einheitlichen Bedienkonzept realisieren. Zu diesem Zweck haben wir MX-Automation als Interface entwickelt. Die Programmierung und Bedienung des Roboters erfolgt dabei in der Sprache der Verpackungsmaschinen-Steuerung, es wird kein tiefgehendes Know-how über Roboterprogrammierung benötigt."

Roboter für kritische Prozesse

Ob nun Bosch Packaging Technology oder Bausch + Ströbel: Wenn Verpackungsmaschinenbauer ein System für den Hygienebereich mit einem Roboter entwickeln, ist dieser auffallend oft von Stäubli. Dieser Erfolg beruht nicht zuletzt auf den Erfahrungen, die das Unternehmen schon früh zu sammeln begann. Als in der Automation der Lebensmittelbereich noch ein Nischendasein fristete, fokussierte sich Stäubli bereits auf diesen sensibles Einsatzbereich: „Ohne unsere HE-Roboter wäre die Automation bestimmter Food-Applikationen am offenen Produkt unter höchsten Hygieneanforderungen bis dato unmöglich. Hier sind intensive Reinigungs- und Sterilisationsprozesse vorgeschrieben, die kein anderer Roboter dauerhaft überleben kann. Mit den HE-Maschinen konnten wir im Lebensmittelsektor völlig neues Terrain erschließen und Prozesse erheblich produktiver gestalten", erinnert sich Gerald Vogt, General Division Manager Stäubli Robotics.

Maßgeblich für die Entwicklung von Robotern im Hygienebereich sind die Richtlinien der EHEDG (European Hygienic Engineering and Design Group), die zu umfangreichen konstruktiven Änderungen führen, beginnend bei der Materialauswahl, über das Vermeiden von Toträumen bis hin zur Widerstandsfähigkeit gegenüber Reinigungsprozessen. Denn im Einsatz erreichen die Systeme häufig Temperaturen zwischen 60 und 70 °C. Kühlen sie dann bei Stillstand ab, kann sich aufgrund der herrschenden Luftfeuchtigkeit Kondenswasser bilden. Dies kann bei fehlenden Vorkehrungen nicht nur die Elektronik der Roboter beschädigen, sondern führt auch schnell zur Ansiedlung von Bakterien.

Auspacken, Anschließen, Automatisieren

Für alle, die noch unentschieden sind, ob Roboter die für sie geeignete Lösung sind, hat Igus eine Art Starterpaket im Angebot: Mit einem Kilogramm Maximallast ist der Robolink DCI zwar eher für kleine Anwendungen geeignet, aber aufgrund der installierten Steuerungssoftware Commonplace Robotics vom Anwender sofort in Betrieb zu nehmen. Die Steuerung des Vier- oder Fünf-Achs-Roboters befindet sich im Fuß des Greifarms, wodurch der Roboterarm nur eine geringe Stellfläche und keine permanente Verbindung zu PC oder Schaltschrank benötigt. Bewegungsabläufe lassen sich einfach und schnell anlernen, komplexe Abläufe kann das Personal vorab in einer 3-D-Umgebung innerhalb der Software simulieren. So lassen sich zum vergleichsweise kleinen Preis (der Robolink DCI ist ab circa 5.000 Euro erhältlich) erste Erfahrungen mit der Technologie sammeln.

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