Nachbericht 28. Verpackungsdialog
Kosmetikbranche beweist Pioniergeist
Starke Marken, mutige Entscheidungen und ikonisches Design: Beim Verpackungsdialog diskutierten führende Kosmetikunternehmen, wie sie Tradition bewahren, Zielgruppen verjüngen und Konsumentenbedürfnisse auch in Krisenjahren treffsicher bedienen.
„Schöne Zeiten – Starke Marken“: Unter diesem Motto widmete sich der 28. Deutsche Verpackungsdialog in Heidelberg erstmals der deutschen Spitzen- und Naturkosmetik, deren Produkte international als „G-Beauty“ bzw. Kosmetik „made in Germany“ Erfolge feiern. Gewollt doppeldeutig waren die „schönen Zeiten“ zu verstehen, die der Veranstaltung dieses Jahr als Leitidee dienten.
Um Verbrauchern selbst in wirtschaftlich wie politisch angespannten Epochen Zuflucht zu bieten, müssen Unternehmen Hürden nehmen, Trends adressieren und ihre Marke bisweilen neu ausrichten. Unter diesen Gesichtspunkten diskutierten Museumsleiter Hans-Georg Böcher und Vertreter charismatischer Kosmetikmarken am 12. November in Heidelberg den Status quo einer mutigen und zugleich traditionsbewussten Branche. Neben Veit Weiland (Douglas) standen Stephan Kemen (Mäurer & Wirtz), Nicolas Lindner (Börlind) und Astrid Teckentrup (Procter & Gamble) hinter dem Rednerpult.
Die Experten setzten die lange Reihe an Referenten fort, die im Deutschen Verpackungsmuseum seit fast drei Jahrzehnten zentrale Kapitel der deutschen Wirtschafts- und Markengeschichte nachzeichnen. Böcher dankte zu Beginn jenen Förderern, die das Museum über diesen langen Zeitraum unterstützt haben. Von Sponsoren wie Schubert, Mondi, Optima, Bosch Rexroth und weiteren hänge die Zukunft einer Einrichtung ab, die mit dem Verpackungsdialog eine weithin bekannte Kult-Veranstaltung ins Leben gerufen habe.
Kein Grund zum Pessimismus
Wie Douglas in diesen Zeiten besteht, erläuterte Veit Weiland anhand der Unternehmensgeschichte. Was 1821 als Idee des Seifensieders John Sharp Douglas begann, umfasst heute Premium-Produkte, Beratung und ein Omnichannel-Verkaufsnetz. Diese Mischung aus hochwertigen, teils exklusiven Produkten und Zusatzleistungen habe Douglas erfolgreich gemacht.
Nach dem erneuten Börsengang im März 2024 konzentriert sich Douglas auf den Ausbau des Geschäfts. „Mit Pessimismus kommt man nicht weit“, so Weiland, der Douglas als „Haus der Marken“ charakterisierte. Das Unternehmen verkaufe nicht bloß Marken, sondern mache manche erst groß. Marktführerschaft bedeute Sichtbarkeit für aufstrebende Brands und mehr Auswahl für Verbraucher. Gerade in der Covid-Pandemie habe sich gezeigt, wie wichtig kleine Freuden seien – am „Lipstick-Effekt“ sei etwas dran.
Gelungene Verjüngung
„Als Ikone von Oma geerbt. Als Ikone von Tiktok gefeiert“ – so Stephan Kemen über „4711“. 230 Jahre im Handel, 205 davon mit derselben Flaschengestaltung: Dies zeige Mut, die eigene DNA zu erhalten. Der Erfinder Wilhelm Muelhens deklarierte seine Kreation kurzerhand zum Duftwasser um und entwarf 1820 mit Peter Heinrich Molanus die markenspezifische Flasche.
Um ein in die Jahre gekommenes Image abzulegen, entwickelte Mäurer & Wirtz neue Produktlinien wie „4711 Remix“, „Acqua Colonia“ und die „Collection Absolue“. Während Remix eine jüngere Zielgruppe anspricht, treibt die Collection Absolue seit 2009 die Premiumisierung voran. Renommierte Parfumeure zeichnen für die hochpreisigen Parfums verantwortlich; zahlreiche Auszeichnungen bestätigen den Erfolg.
„4711 ist mehr als ein Duft, sondern eine Marke von internationalem Rang.“ Entsprechend plane Mäurer & Wirtz wieder mehr Retail: Für 2026 ist ein Store in New York City vorgesehen. Am 12. November wurde „4711 Echt Kölnisch Wasser“ zudem als „Verpackung des Jahres“ für sein über Jahrhunderte konsistentes Design ausgezeichnet.
Aus dem Schwarzwald nach Los Angeles
Nicht weniger resolut handelten die Persönlichkeiten, die „Annemarie Börlind“ zu internationalem Renommee verhalfen. Seit 66 Jahren prägt die Familie Lindner aus Calw das Unternehmen, heute in dritter Generation. Nicolas und Alicia Lindner übernahmen 2020 die Führung – mitten in der Pandemie. „Vom einen auf den anderen Tag mussten wir führen, ohne Fallnetz.“
Bereits die Großeltern hatten viele Hürden zu überwinden: In der DDR drohte 1958 die Zwangsversteigerung, im Westen folgte ein schwieriger Neuanfang. Vom Zusammenbruch der Reformhäuser als exklusivem Vertriebskanal bis zum Spagat zwischen Regionalität und Internationalisierung sei es „oft ein langer und steiniger Weg“ gewesen.
Die Haltung „Wenn andere sich in Sicherheit begeben, springen wir“ habe das Unternehmen resilient gemacht. Heute ist Börlind Nummer eins im deutschen Reformhausmarkt und ein Wegbereiter für regional hergestellte, international gefragte Naturkosmetik, die Alicia Lindner seit einigen Jahren von Los Angeles aus im US-amerikanischen Markt verankert.
Den Verbraucher verstehen
Vom Familienunternehmen ging es zurück zu einem Weltkonzern: Procter & Gamble entwickelt Produkte von Marken wie „Always“, „Pampers“ oder „Gillette“, die Milliarden Menschen den Alltag erleichtern – mit laufend verbesserten Artikeln. „Wir versuchen, den Lebensalltag der Verbraucher zu verstehen“, erklärte Astrid Teckentrup.
In Schwalbach befindet sich das German Innovation Center (GIC), das größte F&E-Zentrum von P&G außerhalb der USA. „In Deutschland ist Qualität zuhause“, so Teckentrup. Menschen unterschiedlicher Nationen und Hintergründe arbeiteten hier zusammen – essenziell für hochwertige Produkte. „Vielfalt gehört für uns zum Geschäft.“
„Deutschland bietet ein optimales Ökosystem aus Forschung, Industrie und Gesellschaft“ und sei maßgeblich für das Unternehmen, das in Generationen plane. Innovationen entstünden in Kooperation – wie bereits beim Zusammenschluss von William Procter und James Gamble. „Nur so kann Zukunft entstehen.“