Umweltfreundlichere Lösungen für die Verpackungsindustrie

Papierverpackungen: 10 Alternativen zu Frischfasern

Papiermaschine bei Laarkirchen Papier
Bis 2050 soll sich der weltweite Papierbedarf fast verdoppeln.

Die Herstellung von Papier ist energie- und wasserintensiv. Vor allem, wenn als Basis Fasern aus Frischholz zum Einsatz kommen. Seit vielen Jahren suchen daher Papier- wie Verpackungsindustrie nach Ersatzstoffen. Wir stellen die wichtigsten vor.

Deutschland ist der größte Papierproduzent Europas. 2024 stellt das Land rund 26 Mio. t des Materials her. 2021 waren es noch 21 t. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Italien (8,4 t) sowie Spanien (8,1 t). So die Zahlen von CEPI Key Statistics 2023, wobei nur Mitgliedsländer und die Bereiche „Paper & Board“ gewertet wurden. Weltweit rangiert Deutschland auf Platz 4.

So weit, so gut. Oder eben nicht. Denn die Papierherstellung ist traditionell ein energie- und wasserintensiver Prozess. Der hohe Energieverbrauch, hauptsächlich für das Erhitzen und Trocknen der Papiermasse, trägt signifikant zum CO2-Fußabdruck der Branche bei.

So werden für die Herstellung von 1 t weißes Papier durchschnittlich zwischen 2.6–2.8 MWh je t Papierbenötigt, so der Verband Die Papierindustrie e.V.. Selbst wenn ein Teil des Verbrauchs aus erneuerbaren Quellen stammt, eine beträchtliche Menge. Oder der Wasserbedarf. Für die Produktion von 1 t Frischfaserpapier werden etwa 13.000 l Wasser veranschlagt. Hinzu kommen die Kosten und Folgen des Transports. Denn Deutschland importiert rund die Hälfe seines Zellstoffbedarfs, so der Branchenverband.

Kein Wunder, dass seit Jahren nach umweltgerechteren und weniger ressourcenintensiven Alternativen gesucht wird. Von der Papier- wie der Verpackungsindustrie. Die Bandbreite der Rohmaterialien, mit denen inzwischen gearbeitet wird, ist beträchtlich. Manche, darunter die Fasern der Silphie-Pflanze oder auch Hanf oder Gras und Stroh werden seit geraumer Zeit verarbeitet, sei es zu Papier, Kartonagen oder Faserguss. Andere wie „Moorgräser“ sind noch in einem frühen Entwicklungsstadium und können, nicht zuletzt aufgrund der Verfügbarkeit, noch nicht breit eingesetzt werden.

Hier die interessantesten Alternativen zur Holzfaser und ihre Vor- und Nachteile für die Papierherstellung.

Zuckerrohr
Bagasse bezeichnet die faserigen Pflanzenreste, die nach dem Auspressen der Zuckerrohrstängel zur Zuckergewinnung übrigbleiben. Diese Fasern bestehen hauptsächlich aus Cellulose und haben einen Zelluloseanteil von 40 bis 60 %. Vorteile bei der Verarbeitung zu PapierDie Nutzung von Bagasse folgt dem "Waste-to-Value"-Prinzip, da ein Abfallprodukt sinnvoll weiterverwertet wird. Aus 100 t Zuckerrohr entstehen etwa 34 t Bagasse, was eine ertragreiche Ausbeute darstellt. Zuckerrohr ist ein schnell nachwachsender Rohstoff, wodurch Bagasse als umweltfreundliche Alternative zu holzbasierten Papierprodukten gilt. Aus Bagasse hergestellte Produkte gelten als wasser- und fettresistent, temperaturbeständig (kälte- und hitzebeständig), mikrowellengeeignet, stabil und bruchsicher. Unter geeigneten Bedingungen ist Bagasse biologisch abbaubar.NachteileUm die gewünschten Eigenschaften wie Wasser- und Fettresistenz zu erreichen, müssen Bagasse-Produkte oft beschichtet werden. Aufgrund der Beschichtungen sind viele Bagasse-Produkte nicht für die Heimkompostierung geeignet und benötigen spezielle industrielle Kompostieranlagen. Um eine neutrale weiße Farbe zu erzielen, werden die Fasern meist gebleicht. Die Umweltauswirkungen dieses Prozesses sind noch nicht umfassend erforscht. Da Zuckerrohr hauptsächlich in tropischen Regionen angebaut wird, können lange Transportwege die Ökobilanz beeinträchtigen.
Bambusröhren
Bambusfasern sind natürliche Textilfasern, die aus dem Zellstoff von Bambuspflanzen gewonnen werden. Verarbeitet werden die vor allem die Stämme. Vorteile bei der Verarbeitung zu PapierBambuspflanzen wachsen extrem schnell und benötigen nur minimale Mengen an Wasser und Pestiziden. Dies macht Bambus zu einer sehr nachhaltigen und umweltfreundlichen Rohstoffquelle für die Papierindustrie. Papier aus Bambusfasern weist Zugfestigkeitswerte auf, die zwischen denen von Hart- und Weichholz-Zellstoffen liegen. Zudem bietet es deutlich höhere Berst- und Reißwerte. Dies ermöglicht die Herstellung von stabilem und belastbarem Papier. Die Bambusfaser ist sehr flexibel, was sich in einer glatten und angenehmen Oberflächenstruktur des Papiers widerspiegelt. Besonders bei der Herstellung von Tissue-Papieren kann diese Eigenschaft vorteilhaft genutzt werden.Nachteile Die Umwandlung von Bambus in Papierfasern erfordert einen komplexen chemischen Aufschlussprozess. Dabei kommen oft umweltbelastende Chemikalien zum Einsatz. Dies kann die Ökobilanz negativ beeinflussen. Bambusfasern weisen im Vergleich zu Holzfasern einen höheren Gehalt an Verunreinigungen wie Asche, Kieselsäure und Extraktstoffen auf. Dies erfordert angepasste Verarbeitungsprozesse und kann die Papierqualität beeinträchtigen. Unbehandelter Bambus ist aufgrund seines hohen Gehalts an Zucker, Fett und Eiweiß anfällig für Schädlinge und Fäulnis. Dies erfordert zusätzliche Schutzmaßnahmen bei der Lagerung und Verarbeitung.
Chinaschilf
Chinaschilf ist ein schnellwachsendes, ausdauerndes Gras, das ursprünglich aus Ostasien stammt. Vorteile bei der Verarbeitung zu PapierChinaschilf kann jährlich mehr als 20 t Trockenmasse pro Hektar produzieren, was deutlich mehr ist als bei vielen anderen Pflanzen.Als nachwachsender Rohstoff bietet Chinaschilf eine umweltfreundliche Alternative zu holzbasierten Papierprodukten. Die Pflanze benötigt wenig Dünger, Bewässerung und Pflege, was den Anbau wirtschaftlich attraktiv macht. Ein einmal angelegtes Chinaschilf-Feld kann 20 bis 25 Jahre lang genutzt werden, was die Nachhaltigkeit weiter erhöht. Bei der Verarbeitung und Nutzung wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie die Pflanze während ihres Wachstums aufgenommen hat.Nachteile In Europa gibt es bisher hauptsächlich Versuchsflächen, was bedeutet, dass die Technologie zur Papierherstellung aus Chinaschilf noch nicht vollständig ausgereift ist. Es könnte notwendig sein, die Fasern vor der Verarbeitung zu behandeln, um bestimmten technischen Anforderungen zu genügen. Die Entwicklung kostengünstiger Aufschluss- und Verarbeitungsverfahren ist noch erforderlich, um eine wirtschaftliche Produktion zu ermöglichen. Obwohl es als unwahrscheinlich gilt, besteht ein geringes Risiko, dass sich die Pflanze unkontrolliert ausbreiten könnte. Die Ernte erfolgt in der Regel nur einmal jährlich im Winter, was die kontinuierliche Versorgung mit Rohstoffen erschweren könnte.
Schokoladenverpackung aus Graspapier
Grasfasern als Ersatz für Frischholzfasern oder recyceltem Papier sind seit etlichen Jahren auf dem Markt. Sie werden zur Papierherstellung, aber auch für Karton oder Papierguss verwendet. Vorteile bei der Verarbeitung zu PapierGras wächst innerhalb weniger Tage nach, während Bäume Jahre oder Jahrzehnte benötigen. Die Verwendung von Grasfasern reduziert den Holzbedarf um bis zu 50 %. Gras ist in großen Mengen verfügbar und muss nicht extra angebaut werden. Der Herstellungsprozess von Graspapier ist deutlich umweltschonender Es werden weniger oder keine Chemikalien bei der Verarbeitung benötigt. Der Energiebedarf ist geringer, da kein Lignin entfernt werden muss. Niedrigere Transportkosten durch lokale Verfügbarkeit des Rohstoffs. All das sorgt für eine besser CO2-Bilanz.NachteileEingeschränkte Anwendbarkeit. Es benötigt immer noch einen Anteil an Holzfasern. In der Regel sind das zwischen 30 bis 50 %. Für bestimmte Anwendungen ist es noch nicht vollständig geeignet. Die Haltbarkeit und Festigkeit sind geringer als bei reinem Holzfaserpapier. Farbgebung und Druckqualität weisen Unterschiede auf. Die Umstellung auf Graspapier erfordert Anpassungen in der Industrie. Die Produktionskapazität ist noch nicht ausreichend, um einen größeren Papierbedarf zu decken. Preislich ist Graspapier nur bedingt wettbewerbsfähig.
Hanfpflanze
Hanffasern sind natürliche Fasern, die aus dem Bast des Stängels der Hanfpflanze gewonnen werden. Vorteile bei der Verarbeitung zu PapierHanf hat einen dreimal höheren Faseranteil als Holz, was zu einem deutlich höheren Papierertrag pro Hektar Anbaufläche führt. Er benötigt weniger Wasser, Pestizide und Herbizide beim Anbau im Vergleich zu anderen Faserpflanzen wie Baumwolle. Die Papierherstellung aus Hanf erfordert weniger umweltschädliche Chemikalien, insbesondere beim Bleichprozess. Hanfpflanzen wachsen innerhalb von etwa vier Monaten, während Bäume für die Papierproduktion Jahre benötigen. Hanfpapier ist langlebiger als Papier aus Holzfasern.NachteileDie Herstellung von Hanfpapier kann teurer sein als die konventionelle Papierproduktion aus Holz. Die Verarbeitung von Hanffasern zu Papier erfordert spezielle Techniken und Ausrüstung, was die Produktion komplexer machen kann. In vielen Ländern unterliegt der Hanfanbau aufgrund der Assoziation mit Marihuana strengen Regulierungen, was die Verfügbarkeit des Rohstoffs einschränken kann. Die Verbindung von Hanf mit Cannabis kann zu einem negativen Image führen, was die Akzeptanz von Hanfprodukten beeinträchtigen kann.
Hopfen
Hopfen ist eine vielseitige Pflanze, die traditionell vor allem für das Bierbrauen bekannt ist, aber auch andere interessante Anwendungsmöglichkeiten bietet.Vorteile bei der Verarbeitung zu PapierHopfen könnte als Einjahrespflanze eine umweltfreundlichere Alternative zu Holz in der Papierproduktion darstellen. Die Stengel und Reben des Hopfens fallen als Nebenprodukt bei der Ernte an und könnten so einer sinnvollen Verwertung zugeführt werden. Hopfenfasern eignen sich nicht nur für Papier, sondern auch für andere Anwendungen wie Dämmmaterial oder die Herstellung von Formteilen. In Hopfenanbaugebieten könnte die Nutzung der Fasern zusätzliche wirtschaftliche Möglichkeiten schaffen.NachteileDie vorhandenen Aufleitdrähte in den Hopfenreben erschweren die Verarbeitung und erfordern spezielle Aufbereitungstechniken. Im Vergleich zu Holzfasern könnten Hopfenfasern möglicherweise andere Eigenschaften aufweisen, die die Papierqualität beeinflussen. Da Hopfen nur einmal jährlich geerntet wird, könnte die kontinuierliche Versorgung mit Rohstoffen eine Herausforderung darstellen. Die Umstellung auf Hopfenfasern würde Anpassungen in bestehenden Papierproduktionsprozessen erfordern.
Moorgras
Moorgräser als alternativer Rohstoff. Im Sommer 2024 ging die Paludi-Allianz an den Start, initiiert durch die Umweltstiftung Michael Otto und die Michael Succow Stiftung. Sie verfolgt das Ziel, nachhaltige Wertschöpfungsketten für Biomasse aus wiedervernässten Mooren zu etablieren. Ein möglicher Einsatzzweck beziehungsweise mögliche Produkte sind Dämmstoffe oder auch Verpackungen. So wurde Ende 2024 unter dem Motto „Moor kann mehr“ das erste Pilot des Paludi-Versandkartons des Versandhändlers Otto im Praxiseinsatz von rund 100.000 Kunden und Kundinnen getestet. Sie besteht zu 10 % aus Paludi-Biomasse. Die von Leipa und Obi entwickelte Kartonverpackung erhielt 2025 den Deutschen Verpackungspreis. Vorteile des Materials: In Verbindung beispielsweise mit Recyclingfasern sind Moorgräser ein Rohstoff, der nicht extra angebaut werden muss. Nasse Moorflächen speichern viel CO2, mehr als eine entsprechende Waldfläche. Durch die Wiedervernässung der ehemals trocken gelegten Moorflächen sollen die Treibhausgasemissionen deutlich reduziert werden. Das Mähen hält die Vegetation kurz und offen, die Biodiversität wird gefördert. Nachteile: Das Projekt „Moorgras“ oder „Paludi“ (steht für „Sumpf“) befindet sich noch in einer frühen Entwicklungsphase.
Seegras
Seegras ist eine Wasserpflanze, die in Küstengebieten und Meeren bis zu einer Tiefe von etwa 15 m wächst. Vorteile bei der Verarbeitung zu PapierSeegras könnte als nachhaltige Alternative zu Holzfasern in der Papier- und Verpackungsherstellung dienen. Es hat das Potenzial, als Barrierebeschichtung zu fungieren und somit erdölbasierte Verpackungen zu ersetzen. Die Verwendung von Seegras als Rohstoff entspricht der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Produkten. Da Seegras schnell nachwächst, könnte es den Druck auf Waldressourcen verringern.NachteileSeegras muss nach der Ernte schnell verarbeitet werden, um hochwertige Fasern zu erhalten. Die Menge an verfügbarem Seegras könnte für eine großflächige industrielle Nutzung nicht ausreichen. Die Verwendung von Seegras in der Papierherstellung befindet sich noch in der Forschungsphase und erfordert weitere Untersuchungen und Tests.
Silphiepflanzen
Silphie-Fasern sind ein innovativer Rohstoff für die Papierherstellung, der aus der nordamerikanischen Silphie-Pflanze gewonnen wird. Vorteile bei der Verarbeitung zu PapierIm Gegensatz zu Holz, das viele Jahre zum Wachsen benötigt, wächst die Silphie-Pflanze innerhalb eines Jahres nach und liefert reichlich Fasern für die Papierproduktion. Die Silphie fördert die Biodiversität und ist insektenfreundlich. Sie benötigt weniger Herbizide und Pestizide im Anbau. Durch ihre tiefe Verwurzelung verhindert sie Bodenerosion. Gegenüber Zellstoff weisen Silphie-Fasern eine deutlich geringere Klimawirkung auf. Die Silphie kann sowohl für die Papierherstellung als auch zur Biogaserzeugung genutzt werden. Die Reststoffe können anschließend als Dünger verwendet werden, was einen nachhaltigen Wirtschaftskreislauf ermöglicht. Ähnlich wie herkömmliches Papier können auch Produkte aus Silphie-Fasern recycelt und zu neuem Papier verarbeitet werden.NachteileBisher funktioniert die Papierherstellung aus Silphie-Fasern nur, wenn noch ein gewisser Anteil Zellstoff aus Holzfasern beigemischt wird. Aktuell liegt der Silphie-Faseranteil bei mindestens 35 %, mit dem Ziel, einen Mindestanteil von 50 % zu erreichen. Silphie-Papier hat einen merklich dunkleren Farbton als Papier aus reinem Holzzellstoff, was seine Anwendungsmöglichkeiten derzeit noch einschränkt.
Strohballen
Stroh ist ein landwirtschaftliches Nebenprodukt, das hauptsächlich aus den trockenen Halmen von Getreide wie Weizen besteht. Vorteile bei der Verarbeitung zu Papier Die Nutzung von Stroh als Rohstoff für Papier kann den Druck auf Wälder reduzieren und zur Ressourcenschonung beitragen. Stroh ist ein landwirtschaftliches Nebenprodukt, das oft ungenutzt bleibt. Seine Verwendung in der Papierherstellung erhöht die Wertschöpfung in der Landwirtschaft. Im Vergleich zu Bäumen wächst Stroh jährlich nach, was eine schnellere und nachhaltigere Rohstoffgewinnung ermöglicht. Strohpapier kann für verschiedene Zwecke wie Schreib- oder Verpackungspapier verwendet werden.NachteileStrohfasern sind kürzer als Holzfasern, was die Festigkeit des Papiers beeinflussen kann. Dies kann die Verwendung für bestimmte hochwertige Papiersorten einschränken. Die Verfügbarkeit von Stroh ist saisonabhängig, was die kontinuierliche Produktion erschweren kann. Die Verarbeitung von Stroh zu Papier erfordert spezielle Technologien und Anpassungen bestehender Produktionsanlagen, was zunächst Investitionen notwendig macht. Strohfasern können mehr Chemikalien zum Bleichen benötigen als Holzfasern, was die Umweltfreundlichkeit des Prozesses beeinträchtigen kann.