Für das Berliner Start-up war es ein großer Moment. Im September dieses Jahres ging Sykell mit seinem Nachhaltigkeitsreport und der Ökobilanz an die Öffentlichkeit. Eine Premiere für den Anbieter. Und von immenser Bedeutung. Sykell wurde 2021 gegründet wurde und hat sich auf die Entwicklung von Mehrwegverpackungslösungen spezialisiert. Das Unternehmen bietet mit seinem "Einfach Mehrweg"-System eine benutzerfreundliche Lösung für die Gastronomie und den Einzelhandel an. Mit dabei: ein umfassendes Full-Service-Angebot, das Reinigungslogistik, Clearing und Pfandabwicklung umfasst. Die Rückgabe der Behälter erfolgt über bestehende Leergutautomaten.
Nun kann das Unternehmen mit beeindruckenden Zahlen aufwarten, mit denen es weiter in die Vermarktung und in den Ausbau seines Mehrwegnetzes gehen wird. So wurden 2023 durch den Einsatz von "Einfach Mehrweg", dem Sykell-System, 1,2 Mio. Einwegverpackungen ersetzt. Auf diese Weise wurden 44.800 kg Abfall und 32.600 kg CO2-Emissionen eingespart sowie 658.000 l Wasser weniger verbraucht als beim Einsatz von Einwegverpackungen.
Es sind Zahlen, die beeindrucken. Die Resonanz im eigenen Haus, aber auch auf Seiten der Partner war sehr gut, heißt es. „Für viele Menschen in der Branche ist es ungemein interessant, so eine Ökobilanz zu studieren“, sagt Véronique Kesseler, Sustainability Managerin bei Sykell. Sie ist seit eineinhalb Jahren bei dem Unternehmen und hat den Nachhaltigkeitsbereich aufgebaut. „Es gibt nicht viele Studien zur Mehrwegbranche im Take-away-Bereich, zumindest keine von aktiven Mehrweg-Systemen. Wir aber können verifizierte Daten liefern.“
Mit diesen Daten und Zahlen können nun auch die Partner nach draußen gehen, allen voran Rewe. Die Supermarktkette ist einer der Investoren der ersten Stunde, zudem der größte Kunde, und setzt das „Einfach Mehrweg“-System flächendeckend in Deutschland ein. Indes: Wie viele Mehrwegbehälter aktuell im Einsatz sind, dazu will sich Rewe nicht äußern. Auch bei Sykell kann man dazu keine Zahlen nennen. Schließlich handle es sich um eine Pool-Lösung, an der auch andere Unternehmen, darunter Hit Markets, beteiligt seien. Aber künftig kann die Supermarkt-Gruppe ihren Kunden erzählen, dass die Mehrwegalternative im Schnitt 91 % Abfall gegenüber den Einmalverpackungen einspart.
Dabei war es keineswegs einfach, die benötigten Informationen für die Ökobilanz zu bekommen, erzählt Kesseler. Denn es gibt keine Vorbilder, an denen sich die Verantwortlichen bei Sykell hätten orientieren können. Stattdessen mussten sie ihre eigenen Erfahrungen machen. Auch die im Gesamtprozess beteiligten Firmen waren darauf nicht unbedingt vorbereitet. Sie sahen sich plötzlich damit konfrontiert, viele verschiedene Primärdaten zu liefern, so den Strombedarf für die Herstellung der Behälter, den Wasserverbrauch fürs Reinigen und vieles andere mehr. Alles in allem ein beträchtlicher Aufwand, der allerdings im kommenden Jahr geringer ausfallen dürfte. Nicht zuletzt deswegen, weil dann die Daten der Sykell-Software Circular ERP einfließen, dem Mehrweg-Management-System. Es wird bereits auch von den Unternehmen Zerooo und Dotch eingesetzt.
Sykell hat seine Ökobilanz extern nach ISO 14040/14044 verifizieren lassen (Bureau Veritas-Institut)." Sie vergleicht die Umweltwirkung von Einfach Mehrweg bei 50 Wiederverwendungen mit 50 Einwegverpackungen aus Papier und Plastik. Nach 50 Nutzungen reduziert das Mehrwegsystem den Abfall bereits um 91 % und den Wasserverbrauch um 74 %. Bereits nach drei Nutzungen sind Umweltvorteile in Bezug auf Abfall und Wasserverbrauch festzustellen. In Bezug auf Treibhausemissionen vermeidet das System nach 50 Nutzungen 57 % der CO2-Emissionen im Vergleich zu Kunststoffverpackungen und 25 % im Vergleich zu Verpackungen aus Papier.
Beim Thema Mehrweg gäbe es in der Öffentlichkeit immer noch einige Mythen, erzählt Véronique Kesseler. So seien nicht wenige der Meinung, dass der Wasserverbrauch höher sei als bei Einwegverpackungen, da Sykell die Boxen bei jedem Durchgang reinigen müsse. Aber die Ersparnis könne man nun belegen, wobei der Wasserverbrauch gegenüber einer Einwegverpackung nach jeder Nutzung geringer ausfalle.
Allerdings sind die 50 Wiederverwendungen, die das Start-up als Berechnungsgrundlage nimmt, keine belegte Zahl. Noch ist Sykell nicht in der Lage, entsprechende Umläufe nachweisen zu können. Auch, weil keineswegs jeder Behälter innerhalb kurzer Zeit wieder zurückgegeben wird. Mancher Konsument, manche Konsumentin dürfte ihn behalten, selbst reinigen und als eine Art Tupperware-Alternative einsetzen, so die Vermutung bei Sykell. Wie viele Boxen inzwischen insgesamt im Markt unterwegs sind, dazu möchte sich das Unternehmen nicht äußern. Nur, dass es im vergangenen Jahr 1,2 Mio. Durchläufe waren.
Je nach Größe des Behälters muss unterschiedlich hohes Pfand bezahlt werden. Beim großen Behälter mit einem Fassungsvolumen von 1,2 l sind es 2,50 Euro. Ein Betrag, der gerechtfertigt sein mag, aber manchen potenziellen Nutzer und manche potenzielle Nutzerin zögern lassen könnte. Auf jeden Fall glauben die Investoren an die Zukunft des Start-ups, allen voran Rewe, die an Sykell beteiligt ist. Mit im Investorenboot sitzen auch die Venture Capital-Plattform Collateral Good Ventures sowie der Umweltdienstleister Interzero.
Immenses Potenzial
Dass Einfach Mehrweg ein wegweisender Ansatz in Richtung Abfallvermeidung und Ressourcenschonung ist, das wurde auch diese Tage nochmals bestätigt. Sykell ist mit dem System einer der Gewinner des Deutschen Nachhaltigkeitspreises für Produkte 2025. Und gedeiht nach eigenen Angaben. So gäbe es Gespräche mit weiteren Interessenten, heißt es. Gleichzeitig gibt es Optimierungsmöglichkeiten. So bei den Boxen selbst. Aktuell bestehen Behälter wie Deckel aus PP. Das Monomaterial kann zwar recycelt, doch darf das Rezyklat nicht für Produkte eingesetzt werden, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen. Also auch nicht für neue Mehrwegboxen. „Wir hätten keine Kontrolle darüber, wie unsere Container Verwendung finden und könnten daher nicht garantieren, dass das PP-Rezyklat für die Wiederverwendung in neuen Sykell-Containern nicht verunreinigt ist. Es gibt auch, anders als bei den PET-Flaschen, kein funktionierendes System im Sinne eines geschlossenen Kreislaufes“, erklärt Kesseler. „Aber ich bin mir sicher, dass in den kommenden Monaten oder Jahren vor allem im Rahmen der PPWR einiges passieren wird, das uns entgegenkommen wird.“
Das Potenzial zur Abfallvermeidung jedenfalls ist immens. 2023 wurden allein in Deutschland 14,8 Mrd. Takeaway-Verpackungen in den Markt gebracht. Das sind 7,7 % mehr als noch im Jahr davor. Lediglich 1,6 % waren Mehrwegverpackungen.