Verträge sind erst fertig, wenn die Tinte trocken ist
Unternehmensverkauf aus juristischer Sicht
Der „Umweltschutz in umschlossenen und halbumschlossenen Meeren“ war Thema der Doktorarbeit von Jens-Christian Posselt. Heute sind Unternehmenstransaktionen wesentlicher Schwerpunkt des Juristen und Mediators, wodurch er regelmäßig ganz andere Themen zu umschiffen hat.
Verträge sind erst fertig, wenn die Tinte trocken ist“, so lautet ein Wahlspruch von Dr. Jens-Christian Posselt, an den er seine Mandanten des Öfteren erinnert. Als Handels- und Gesellschaftsrechtler wird er in der Regel dann in Verkaufsprozesse eingebunden, wenn die Parteien sich schon gefunden haben, ein Kaufpreis ausdiskutiert wurde und ein Einigungswille gegeben ist. Dabei kommt es sowohl vor, dass die Parteien sich bereits langjährig als Wettbewerber, aus einer Kunden-/Lieferantenbeziehung oder bei Management-Buy-outs durch ein Angestelltenverhältnis kennen, als auch, dass M&A-Berater Verkäufer und Käufer zusammengebracht haben. „Lediglich, dass die Parteien sich über eine Unternehmensbörse gefunden haben, das habe ich in der Praxis noch nicht erlebt“, so Posselt.
Wenn Unternehmen die Besitzer wechseln – Zahlen und Trends
Auf welchem Wege auch immer die Parteien zueinander finden, die Zahl der anstehenden Unternehmensübertragungen ist immens. Offizielle Auswertungen dazu liegen nicht vor. Das Bonner Institut für Mittelstandsforschung widmet sich dieser Frage jedoch seit 1995 und geht aktuell von rund 38.000 jährlichen Unternehmensübertragungen in Deutschland aus. Gerade einmal die Hälfte davon geht in die nächste Familiengeneration über, bei knapp 50 % ist es ein familienexterner Manager, ein Stratege oder ein Finanzinvestor. In all diesen Fällen – und auch bei den meisten familieninternen Übertragungen – wird ein im Gesellschaftsrecht erfahrener Jurist gebraucht, um die Übertragung von Anteilen (Share Deal) und Vermögenswerten (Asset Deal) sauber umzusetzen.
Zwischen LOI und Due Diligence – die Kunst der Vorbereitung
Die Arbeit des Anwalts wird dabei auch davon bestimmt, wie gut die geleistete Vorarbeit ist. Wie detailliert wurden Gespräche und Verhandlungen geführt, worüber hat man sich bereits geeinigt, wurde ein umfassender Datenraum erstellt oder wesentliche Unterlagen gar schon geprüft? Auch ein gegebenenfalls schon unterzeichneter Letter of Intent (LOI) gibt oft schon wichtige Vertragsparameter vor. Solch ein LOI sollte in der Regel nicht oder nur in beschränktem Maße, beispielsweise bezüglich Vertraulichkeit und/oder Exklusivität, rechtlich bindend sein.
Dennoch erlebt Jens-Christian Posselt häufig die hohe moralische Bindung dieses zwischen den Parteien bereits geschlossenen Vorvertrages, von dem Unternehmer sich schwertun, ohne triftigen Grund abzuweichen. Entsprechende Gründe können natürlich zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen im Marktumfeld und der Unternehmenssituation sein oder auch neue Erkenntnisse aus der Due Diligence (Detailprüfung der Unternehmensdaten).
Schon mal ein Knackpunkt – der Leasingwagen des Unternehmers
„In der Regel suchen die Mandanten oder ihre M&A-Berater jemanden, der die geschlossene Vereinbarung zu Papier bringt, sie aber auch auf die spezifischen Risiken der jeweiligen Unternehmenstransaktion hinweist und juristische Stolperfallen aus dem Weg räumt.“ Auf die Frage, was der häufigste Diskussionspunkt ist, erwidert Posselt lachend, dass es der neue Leasingwagen des Unternehmers sei, ergänzt die Antwort aber um zu übernehmende Garantien, um abzuwehrende Wettbewerbsverbote und Vertragsstrafen. Zur Lösung dieser Streitpunkte ist der Mediator oft mehr gefordert als der Gesellschaftsrechtler. Mit knapp 30 Jahren Erfahrung in Unternehmenstransaktionen ist der rechtliche Rahmen des Vertragswerks für Dr. Posselt meist schnell abgesteckt, während viele inhaltliche Feinheiten zwischen den Parteien noch austariert werden müssen.
Dabei schätzt Dr. Posselt durchaus einen erfahrenen Anwalt auf der Gegenseite, um zielgerichteter Lösungen zu finden oder auch arbeitsteilig an einem komplexeren Anteilskaufs- und Übertragungsvertrag arbeiten zu können. „Zwischen dem Anwalt der Gegenseite und meinem eigenen Auftrag sehe ich keinen Zielkonflikt. Beide Anwälte haben die Aufgabenstellung, eine gemeinsame Transaktion zur Unterschrift zu bringen.“
Jurist, Mediator, Lotse – die Rolle des Gesellschaftsrechtlers
Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es meist mehrerer Verhandlungsrunden und manchmal ergeben sich selbst im Notartermin noch Unstimmigkeiten, die auszudiskutieren sind. Dabei sieht der Gesellschaftsrechtler Zeitdruck als den schlechtesten Ratgeber. Aus seiner Sicht hat jede Partei bis zur Unterschrift das Recht, Änderungswünsche am Vertrag auf den Tisch zu bringen.
Jens-Christian Posselt rät dazu, sich bereits frühzeitig Gedanken zur Familiensituation, der eigenen Gesundheit und einem realistischen Zeitplan zu machen und rechtzeitig Sachverhalte im Unternehmen gründlich zu dokumentieren – gerne orientiert an einer marktüblichen Due Diligence-Checkliste. Das hilft einerseits, einen besseren Überblick für die Unternehmerfamilie selbst zu schaffen, andererseits aber auch einen Übergang gut vorzubereiten. Gut aufbereitete Unterlagen sind für Dr. Posselt eindeutig ein Kaufpreistreiber. Als weiteren wichtigen Erfolgsfaktor sieht er eine transparente Kommunikation – in positiven wie in kritischen Themen. „Auch bei einer Leiche im Keller gilt es, diese richtig zu kommunizieren, um den Deal nicht zu gefährden“, erläutert er.
Erfolgsfaktoren im Verkaufsprozess – Kommunikation ist Trumpf
Gerade bei größeren oder internationalen Transaktionen befürwortet der Jurist zudem die Einbindung eines M&A-Beraters, der einen Verkaufsprozess in der Regel professioneller und breiter ausgestalten kann, betriebswirtschaftliche Fragen schon geklärt, viele kritische Themen bereits adressiert und ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien aufgebaut hat. Die Kardinalpunkte, die der Gesellschaftsrechtler anschließend bei der Vertragsausgestaltung sieht, sind im Wesentlichen, seinen Auftraggebern alle Leistungen zeitnah und möglichst risikolos zufließen zu lassen, sie von Verbindlichkeiten und Belastungen freizustellen sowie Garantien und Nachhaftungen angemessen auszugestalten. Dabei ist häufig auch der Mediator gefordert, um der Unternehmerfamilie die Sichtweise der Gegenseite vor Augen zu führen, die Positionen beider Parteien klarer darzustellen, um Lösungen daraus zu entwickeln und den Vertrag unterschriftsreif auszugestalten.
Grenzüberschreitende Deals – Herausforderungen und Chancen
Gemeinsam mit Knox hat Dr. Jens-Christian Posselt auch schon Unternehmenstransaktionen im Verpackungsumfeld begleitet, teilweise mit bilingualen Asset and Share Purchase Agreements mit internationalen Vertragsparteien. „Bei Cross-Border-Transaktionen ist die Komplexität häufig höher“, so Posselt. „Angefangen von einer Sprachbarriere über eine andere Art zu kommunizieren oder ein anderes Verständnis vom Verhandlungsablauf bis hin zu fachlichen Hürden wie ausländischen Interessenten die Eigenheiten einer Kommanditgesellschaft oder das Wesen des Erbbaurechts zu erläutern.“ Aber auch auf interkultureller Ebene hat Posselt seine Erfahrungen gesammelt, seit er vor mehr als 20 Jahren eine Partnerschaft mit chinesischen Kollegen schloss. Mittlerweise ist er Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht und am Schiedsgericht in Shanghai wie auch in Qingdao zugelassen. Auch dabei ist sowohl der Jurist wie auch der Mediator gefragt. Wie bei jeder „guten“ Unternehmenstransaktion.