Methoden zur Ermittlung des Marktwertes

Wieviel ist mein Unternehmen wert?

Grafik: Ein Mann steht und um ihn herum Grafik von Fabrik und einem Geldsack.
Es gibt viele Methoden, sich dem Marktwert eines Unternehmens zu nähern. Wann sollte welche zur Anwendung kommen?

Jens Freyler von Knox erläutert fundierte Bewertungsverfahren jenseits einfacher Umsatz-Multiples – und zeigt, worauf es bei der Ermittlung eines marktorientierten Unternehmenswertes wirklich ankommt.

Kürzlich fragte mich ein Verpackungsunternehmer: „Unsere neue Tochtergesellschaft macht über zwei Millionen Euro Umsatz pro Jahr und für ein Start-up rechnet man doch drei bis sieben Mal Umsatz, da müssten wir bei einem Unternehmensverkauf doch zehn Millionen Euro erzielen – oder ist das zu naiv gedacht?“ „Ja“, wäre die kurze Antwort gewesen. Besagte neue Tochtergesellschaft ist ein Spin-off aus der bisherigen Gruppe, near-site vor die Tore eines namhaften Industrieunternehmens platziert, das auch der einzige Kunde ist. Und „nein“, niemand zahlt dafür einfach so den fünffachen Jahresumsatz.

Die Bewertung eines Verpackungsunternehmens ist kein Hexenwerk, doch oftmals wird zu leicht mit irgendwelchen Multiplikatoren („Multiples“) um sich geworfen, ohne zu hinterfragen, ob diese Multiples im jeweiligen Fall gerechtfertigt sind und vor allem auch, was man denn eigentlich multipliziert – und welches Bewertungsverfahren in der gegebenen Situation angemessen ist.

Zudem gibt es für eine Unternehmensbewertung unterschiedliche Anlässe, die von einem rein interessehalber gesuchten Orientierungswert über die Berechnung von Erbschafts- beziehungsweise Schenkungssteuer, das Ausscheiden eines Gesellschafters bis hin zum Unternehmensverkauf reichen können. Und für verschiedene Unternehmen und verschiedene Situationen gibt es eben auch verschiedene Bewertungsverfahren.

Reelle Marktwerte und fragwürdige Ergebnisse

In manchen älteren Gesellschaftsverträgen mag das sogenannte „Stuttgarter Verfahren“ noch verankert sein, das von 1974 bis 2008 häufig strapaziert wurde, aber fast ebenso häufig fragwürdige Ergebnisse lieferte. Mit dem Erbschaftssteuerreformgesetz 2008/2009 wurde das Stuttgarter Verfahren in der Steuerbetrachtung durch das „vereinfachte Ertragswertverfahren“ ersetzt, das – ohne hier auf mögliche Ausnahmeregelungen, Hinzurechnungen und Kürzungen einzugehen – sich dadurch ermittelt, dass das durchschnittliche Betriebsergebnis der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre mit 13,75 multipliziert wird. Das entsprechende Ergebnis ist der Unternehmenswert, der als Grundlage für die Ermittlung von Erbschafts-, Schenkungs- oder Wegzugssteuer dient. Von reellen Marktwerten ist aber auch dieses Ergebnis oft meilenwert entfernt, was ein berechtigter Anstoß sein sollte, auch bei steuerlichen Anlässen für eine Bewertung eine fundierte marktorientierte Unternehmensbewertung zu veranlassen, um gegebenenfalls steuerliche Diskussionen valide führen zu können.

Dabei ist an einem Ertragswertverfahren nichts auszusetzen. Die gegenläufige Betrachtung – ein Substanzwertverfahren – kommt eigentlich nur bei der Zerschlagung eines Unternehmens, beispielsweise im Zuge einer Insolvenz, zum Einsatz, wodurch ein Unternehmen rein auf seine Sachwerte reduziert wird, andere wichtige Faktoren wie Marke, Marktstanding, Expertise der Mitarbeiter, Kundenbindung et cetera dagegen keine Berücksichtigung finden.

Eine ertragsorientierte Unternehmensbewertung ist im Regelfall also durchaus der richtige Ansatz. Doch auch in diese Richtung führen unterschiedliche Wege. Der anspruchsvolle Weg ist das Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF), bei dem die zukünftigen freien Cashflows des Unternehmens auf den heutigen Stichtag abgezinst werden. Dazu müssen allerdings einerseits die Cashflows der nächsten Jahre prognostiziert, anderseits für den Diskontierungssatz WACC (Weighted Average Cost of Capital) ein Faktor ermittelt werden, der das individuelle Unternehmensrisiko widerspiegelt. Dabei reden wir bei den Prognosen eher von fünf Jahren als von zwei bis drei, da sonst zu viel Gewicht des Unternehmenswertes der „ewigen Rente“ zufällt. Die Herausforderungen beziehungsweise die vermeintliche Scheingenauigkeit des DCF-Verfahrens sind also offensichtlich. Haben Sie für Ihr Unternehmen eine verlässliche Fünf-Jahres-Prognose? Und wie würde man den risikoadäquaten Zins für Ihr Unternehmen einschätzen?

Der vermeintlich leichte Weg in Richtung Ertragswert ist das Multiplikatorverfahren. Regelmäßig werden in unterschiedlichen Quellen (unter anderem Finance Magazin oder Dealsuite) branchen- und größenklassenabhängige Umsatz-, Ebitda- und Ebit-Multiples publiziert, die mehr oder weniger öffentlich zugänglich sind. Dort ist „Verpackung“ allerdings nicht als Branche zu finden und es wäre wohl auch nicht angemessen, alle Verpackungsunternehmen über einen Kamm zu scheren. Reden wir bei Ihrem Unternehmen über einen Maschinenbauer oder gar Sondermaschinenbauer? Reden wir über ein Produktions-, ein Handels- oder ein Dienstleistungsunternehmen in der Verpackungsbranche? Bedrucken Sie Faltschachteln oder befüllen Sie Aerosoldosen? Arbeiten Sie mit umweltkritischen Materialien oder mit ökologischen? Abhängig von diesen und zahllosen anderen Eigenheiten eines Unternehmens sollten sich natürlich auch die Multiples unterscheiden, denn im Prinzip unterstellt ein Multiple, dass sich eine heutige Unternehmenssituation entsprechend viele Jahre fortsetzt, was für einige Unternehmen leichter anzunehmen ist, bei anderen eine gewagtere Prognose sein mag.

Wie lässt sich die Zukunft bewerten?

Dabei – bleiben wir bei Ertragswertverfahren – macht es gerade bei anlagenintensiven Unternehmen einen erheblichen Unterschied, ob ich das Ebitda multipliziere oder das Ebit und so haben sich auch in verschiedenen anlageintensiveren Bereichen (wie Verpackungsdruck) eher Ebitda- als Ebit-Multiples durchgesetzt.

Damit nähern wir uns der Erkenntnis, mit welchem Multiple wir multiplizieren. Bleibt noch die entscheidende Frage, was wir multiplizieren. Dies bezieht sich einerseits auf den Zeitraum, andererseits auf den betrachteten Wert. Bezüglich des Zeitraums gibt es durchaus sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen beziehungsweise Verhandlungsspielräume. Angefangen von einer retrograden Betrachtung der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre, einer Einbeziehung des laufenden Geschäftsjahres, einer LTM-Betrachtung (Last Twelve Months), einer Hochrechnung des aktuellen Jahres oder auch einer Würdigung der Prognose der nächsten zwei bis drei Jahre.

Was den betrachteten Wert angeht, so sucht man in der Regel einen nachhaltigen adjustierten Ebit beziehungsweise Ebitda (in Einzelfällen Ebitdal), sprich einen Wert, der sich repräsentativ auf die Zukunft fortschreiben lässt und der adjustiert ist um Faktoren, die in einer Zukunftsbetrachtung nichts zu suchen haben beziehungsweise keine Relevanz hätten. Als solches sind einerseits Einmaleffekte zu sehen (beispielsweise Versicherungsentschädigungen, Erlöse aus Anlageabgängen, Umzugskosten, Beraterkosten im Zuge der Unternehmenstransaktion...), andererseits Kosten oder Erlöse, die sich verändern würden. Dies können unter anderem eigentümerbezogene Kosten sein, die wegfallen (wie ein besonders großzügiges Firmenfahrzeug oder Familiengehälter) oder auch erhöht berücksichtigt werden müssen wie eine Fremdmiete für das Betriebsobjekt, die höher ausfiele als die bisher verbuchte Eigenmiete. Es gilt also die bestehenden Zahlen so zu adjustieren, wie sie für die naheliegende Zukunft aussagekräftig sind, gegebenenfalls auch eine im Betriebsvermögen gehaltene Immobilie herauszurechnen und separat zu betrachten. Solche Anpassungen bieten natürlich Diskussionspotential in Verkaufsverhandlungen, solide aufbereitete Adjustierungen sind aber gut zu verargumentieren.

Nun nur noch das richtige adjustierte Ebit oder Ebitda multipliziert mit dem passenden Multiple und man hat den Unternehmenswert (Enterprise Value), der immer „debt and cash free“ zu verstehen ist, sprich ohne Berücksichtigung von Liquidität und Verbindlichkeiten. Diese müssen aber einbezogen werden (vorhandene freie Liquidität hinzugerechnet, zinstragende Verbindlichkeiten abgezogen), um vom Unternehmenswert zum Wert des Eigenkapitals (Equity Value) zu kommen, der dem Kaufpreis entspricht, der letztlich fließen würde.

Vielleicht klingt auch dieser Weg nicht nach einem leichten, aber da er sich mit der historischen beziehungsweise aktuellen Ertragskraft und aus reellen Transaktionen ermittelten Multiples auf tragfähigere Werte stützt als auf die Annahmen einer Mittelfristplanung und die Schätzung eines unternehmensrisikoadäquaten Zinses, ist er für alle Gesprächspartner greifbarer und nachvollziehbarer und hat sich daher als das dominante Bewertungsverfahren etabliert – zumal der Discounted-Cashflow keine wesentlich anderen Ergebnisse liefert, wenn das betrachtete Unternehmen kein überproportionales Wachstum vor sich sieht, das durch das zukunftsgerichtete DCF-Verfahren besser gewürdigt würde.

Der wahre Wert steht ganz am Ende

Bleiben noch die Umsatz-Multiples. Wie zuvor erwähnt, werden auch Umsatz-Multiples regelmäßig veröffentlicht. Diese mögen als statistische Werte zwar interessant sein, haben aber in der Verpackungsbranche üblicherweise keine repräsentative Aussagekraft für eine Unternehmensbewertung. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Reden wir über „echte“ Start-ups, so haben wir oftmals Unternehmen, die noch keinen positiven Ebit oder Ebitda erzielen und die man dadurch nur auf Basis eines Discounted-Cashflow-Verfahrens oder eines Umsatz-Multiples bewerten kann, wenn man dem jungen Unternehmen zugutehält, dass es erst einmal darum geht, Marktanteile (= Umsatz) zu gewinnen und eine stärkere Monetarisierung später erfolgen soll. Eine Spielart davon ist der ARR, der Annual Recurring Revenue, mit dem in den letzten Jahren insbesondere IT-/Software-Unternehmen bewertet werden, der aber im Grunde auf jegliche Art von Abo-Geschäftsmodell oder Wartungs- und Service-Business übertragen werden kann. Dabei multipliziert man die auf Basis von bestehenden Kundenverträgen generierten wiederkehrenden Umsätze mit einem Multiplikator, der abhängig von der Churn Rate (Kündigungs-/Abwanderungsrate von Kunden) zu beachtlichen Unternehmensbewertungen führen kann.

Über Knox

Knox ist eine Unternehmens- und Personalberatungs-Gesellschaft, deren Engagement der Verpackungs- und Druckindustrie gilt, sei es in der Produktion, im Handel oder im Dienstleistungsbereich. Das Team von Knox berät seit nahezu 20 Jahren in Deutschland, Europa und darüber hinaus Unternehmen in diesem Branchenumfeld bei strategischen Herausforderungen, insbesondere auch durch die umfängliche Betreuung und den erfolgreichen Abschluss von Unternehmenstransaktionen.

Kein Hexenwerk, aber der Zauber einer Unternehmensbewertung liegt am Ende einerseits darin, die richtigen Werte und das richtige Bewertungsverfahren zu ermitteln oder auch verschiedene Bewertungsverfahren zu kombinieren, da auch Ihr Unternehmen gegebenenfalls aus operativem Geschäft und Betriebsimmobilie oder aus Verkaufsumsätzen und aus revolvierenden Serviceerlösen besteht, und andererseits darin, den Unternehmenswert gut zu verhandeln. Denn am Ende ist – Bewertungsmethode hin oder her – der wahre Unternehmenswert derjenige, der am Ende von Verhandlungen gezahlt wird und nicht der, den man davor berechnet. Und dieser Wert kann für den ein oder anderen Interessenten aus dem Branchenumfeld erheblich von dem mathematisch ermittelten abweichen, wenn der strategische Wert Ihres Unternehmens für diesen weit höher ist, da er beispielsweise über Sie Kundengruppen erschließen könnte, in die er auch seine Produkte hineinverkauft, Einkaufseffekte bündeln könnte oder neue Standorte erschließt, die er sonst mühevoll selbst aufbauen müsste.

Kommen wir zurück zu unserem anfänglichen Verpackungsunternehmen. Über 2 Mio. Euro Umsatz, nur ein Kunde, und ein Bewertungstraum des Unternehmers von 10 Mio. Euro. Was ich am Anfang des Artikels verschwiegen habe: Das Unternehmen ist unglaublich effizient (und damit ertragsstark), was sicherlich auch auf seine konsequente Ausrichtung auf ein einziges Kernprodukt zurückzuführen ist, und zwei weitere namhafte Industrieunternehmen aus der Region sollen kurzfristig als zusätzliche Kunden ongeboarded werden, was den Jahresumsatz schon 2026 mehr als verdoppeln und das Risiko diversifizieren wird. Und damit ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Eine Bewertung von 10 Mio. Euro? In zwei bis drei Jahren wohl gar nicht unrealistisch. Aber nicht basierend auf einem Start-up-Umsatz-Multiple, sondern auf einem das Wachstum würdigenden Ertragswertverfahren.