Batterien mit Mehrweg-Verpackungen aus Kunststoff transportieren
„Die Anforderungen sind vielfältig, komplex und streng“
Lithium-Ionen-Batterien sind die bevorzugte Energiequelle für Elektroautos. Ihre Klassifizierung als Gefahrgut erfordert besondere Schutzanforderungen an die Transportverpackung. Christian Hemming, Technical Director EMEA bei Orbis Europe, erklärt, welche gesetzlichen Vorschriften zu beachten sind, welche Materialien sich für den Gefahrguttransport anbieten und wie sich Sicherheit und Nachhaltigkeit miteinander verbinden lassen.
neue verpackung: Herr Hemming, welche Rolle spielen Transportverpackungen aktuell in der Elektromobilität – insbesondere im Hinblick auf Lithium-Ionen-Batterien?
Christian Hemming: Die richtigen Transportverpackungen sind essenziell, um eine sichere und effiziente Logistik von Lithium-Ionen-Batterien sicherzustellen. Sie schützen die Batterien vor mechanischen Schäden, thermischen Einflüssen und verhindern Kurzschlüsse. Und das entlang aller Stationen, die die Batterie in ihrem Lebenszyklus durchläuft: vom Hersteller zu den Montagewerken bis hin zu den Recyclinganlagen. Jeder dieser Transportschritte stellt große Herausforderungen für Sicherheit und Handhabung auf Basis der gesetzlichen Vorgaben dar.
neue verpackung: Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen und internationalen Normen müssen Gefahrgutverpackungen für diese Batterien erfüllen?
Hemming: Die gesetzlichen Anforderungen sind sehr vielfältig, komplex und streng. Das Gefahrgutrecht ist grundsätzlich ein Transportrecht, gilt also für den Transport von A nach B. Für die Beförderung auf Straßen und Schienen sind die internationalen Vorschriften RID und ADR maßgeblich. Bei der Beförderung auf See ist das IMDG relevant und für den Luftverkehr sind ICAO-TI und IATA-DGR entscheidend.
Lithium-Ionen-Batterien sind darüber hinaus als Gefahrgut der Klasse 9 klassifiziert und werden je nach Art unter verschiedenen UN-Nummern transportiert, zum Beispiel UN 3480 für einzelne Batterien oder UN 3481, wenn sie in Geräten verbaut sind. Die Verpackungen müssen unterschiedliche Verpackungsvorschriften wie P903, für Lithium- Ionen- und Lithium-Metall-Batterien oder P908, für defekte Lithium-Ionen-Zellen und -Batterien, erfüllen. Bei beschädigten Zellen oder Prototypen kommt noch die Sondervorschrift 376 dazu.
Seit 2024 ist neben dem bekannten Lithium-Batterie-Kennzeichen auch der neue Gefahrzettel 9A Pflicht. Beides signalisiert, dass beim Transport besondere Vorsicht geboten ist, etwa um Kurzschlüsse oder thermisches Durchgehen zu vermeiden.
neue verpackung: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung der verschiedenen Gefahrgutvorschriften – insbesondere in internationalen Transportketten?
Hemming: Die größte Herausforderung liegt darin, Sicherheit, Effizienz und Rechtskonformität in Einklang zu bringen und das über Ländergrenzen, Verkehrsträger und Sprachen hinweg. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Verpackungsexperten, Logistikern, Behörden und Schulungseinrichtungen ist dabei unerlässlich.
Nehmen wir als Beispiel einen Gefahrguttransport von Polen nach Brasilien, also einen multimodalen Transport. Die Batterie wird zunächst per Lkw über die Straße befördert, also nach ADR-Regelwerk, dann geht sie per Schiff nach Südamerika unter IMDG-Code und in Brasilien gelten wiederum nationale Vorschriften für den Straßentransport. Die Verpackung muss dafür einiges leisten. Sie muss seefest und stapelbar sein, die richtige Kennzeichnung für alle Verkehrsträger haben und mit Papieren ausgestattet sein, die überall akzeptiert werden.
neue verpackung: Welche Technologien oder Materialien setzen sich aktuell bei Gefahrgutverpackungen für E-Fahrzeug-Batterien durch, beispielsweise hinsichtlich Brandschutz oder Thermomanagement?
Hemming: Für normale, funktionsfähige Batterien haben sich bisher Kunststoff oder Kartonage durchgesetzt. Für beschädigte oder ungeprüfte Batteriezellen verwenden Firmen in der Regel Edelstahlbehälter mit speziellen Dämmungen und Filtern, die einen hohen Brandschutz bieten. Oft kommen auch Granulate aus Glas zum Einsatz, die ab einer bestimmten Temperatur schmelzen, einen Kokon um den Brandherd bilden und ihn so ersticken.
neue verpackung: Wo liegen die Vorteile von Mehrweg-Transportbehältern aus Kunststoff gegenüber solchen aus Stahl, Kartonage oder auch Holz?
Hemming: Wenn wir über den Transport von funktionstüchtigen Batterien sprechen, bietet Kunststoff sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile. Stahl ist sehr teuer und wesentlich schwerer als Kunststoff. Wellpappe oder Holz werden schnell feucht und begünstigen dadurch die Schimmelbildung. Dadurch ist das Gefahrgut nicht mehr optimal geschützt. Kunststoff dagegen hat mit Feuchtigkeit kein Problem und ist anders als Stahl korrosionsbeständig. Durch ihre lange Lebensdauer sind Mehrweg-Verpackungen aus Kunststoff außerdem kosteneffizienter. Dank ihrer Recyclingfähigkeit vermeiden Organisationen darüber hinaus Verpackungsmüll und schonen dadurch die Umwelt. Die Verpackungen von Orbis sind beispielsweise zu 100 Prozent recycelbar. Am Ende ihrer Lebensdauer kaufen wir die Transportboxen unserer Kunden zurück und verwenden sie für die Herstellung neuer Produkte.
neue verpackung: Das Gewicht ist einer der Vorteile von Kunststoffverpackungen. Viele Batteriehersteller schreiben aber die Verwendung von Stahlpaletten für den Transport vor. Woran liegt das und wie bewerten Sie diese Vorgaben?
Hemming: Hier ist es wichtig, differenziert hinzuschauen: Hersteller sind für die gesamte Prozesskette rund um die Autobatterie zuständig. Jede Batterie wiegt zwischen 500 kg und einer Tonne. Stahlpaletten haben eine höhere Tragfähigkeit und Stabilität, was in diesem Fall äußerst wichtig ist. Zudem sind sie robust und schützen das Gefahrgut besser bei Transport und Lagerung. Die Vorgabe, Stahlpaletten zu verwenden, ist also sicherheitsgetrieben und in vielen Fällen technisch sinnvoll. Oft wird aber nur eine Batterie je Palette transportiert, vor allem bei großen Traktionsbatterien. Das eingeschränkte Fassungsvermögen verursacht höhere Transportkosten. Für kleinere, geprüfte Batterien könnten zertifizierte Kunststoffpaletten mit Brandschutzadditiven eine nachhaltige Alternative sein. Hier ist eine Einzelfallprüfung notwendig.
neue verpackung: Lassen sich Sicherheitsanforderungen und Nachhaltigkeitsziele in Einklang bringen, etwa durch wiederverwendbare Gefahrgutverpackungen – oder schlägt hier Sicherheit Nachhaltigkeit?
Hemming: Sie lassen sich problemlos in Einklang bringen. Kunststoffverpackungen werden bei der Zulassungsprüfung einem besonderen Stresstest unterzogen. Das heißt, alle Boxen, die Gefahrgut befördern sollen, müssen einen Falltest bestehen. Kartonage oder Stahl werden bei Normaltemperatur geprüft, während Kunststoff vorher auf minus 20 Grad heruntergekühlt wird. Denn das Material wird schneller spröde. Besteht die Verpackung diesen Test, erfüllt sie die Vorgaben des Gesetzgebers an Sicherheit. Weniger robuste Materialien wie Wellpappe müssen außerdem schon nach einem Falltest ausgetauscht werden. Hier kommen dann erneut die bereits erwähnten Vorteile von Kunststoff zum Tragen. Sie sind mehrfach verwendbar, dadurch wirtschaftlicher und nachhaltiger. Es ist also nicht notwendig, zwischen Sicherheit und Nachhaltigkeit abzuwägen.
neue verpackung: Gibt es Best-practices oder bestimmte Verpackungskonzepte, die sich als Branchenstandard abzeichnen?
Hemming: Viele Unternehmen nutzen Kunststoffverpackungssysteme. Unter anderem, weil sie wiederverwendbar sind und sich gut in automatisierte Logistikprozesse integrieren lassen. Ein weiterer Aspekt ist der hohe Produktschutz, den sie bieten. Viele Verpackungshersteller nutzen Schaum-Trays, die die Batterien effektiv vor Stößen schützen. Bei Orbis setzen wir dafür auf Trays aus expandiertem Polypropylen, also EPP. Dadurch können die einzelnen Batteriezellen auch nicht verrutschen oder sich gegenseitig berühren. Außerdem verwenden einige Hersteller Polstermaterialien, die einen hohen Flammschutz bieten. Wichtig ist, ein Brennen der Batterien unbedingt zu vermeiden, denn in jeder einzelnen Batterie steckt enorm viel Power.
neue verpackung: Welche Rolle spielen Verpackungslösungen bei der Rückführung von beschädigten oder ausgedienten Batterien?
Hemming: Beschädigte oder ausgediente Batterien gelten als besonders kritisches Gefahrgut. Sie können überhitzen oder durch Kurzschlüsse Feuer fangen, giftige Gase freisetzen oder explodieren, wenn sie falsch behandelt werden. Um sie zu transportieren, muss die Verpackung daher strenge gesetzliche Vorgaben erfüllen. Dazu zählen die ADR-Sondervorschrift 376 sowie die Verpackungsanweisungen P908 und P911. Diese schreiben unter anderem bestimmte Innenverpackungen oder Absorptionsmittel vor, die die Batterien und die Umwelt umfassend schützen.
neue verpackung: Wie eng arbeiten Sie mit OEMs, Logistikdienstleistern oder Recyclingunternehmen bei der Entwicklung von Gefahrgutlösungen zusammen?
Hemming: Wir arbeiten sehr eng und kooperativ mit allen Beteiligten zusammen. Mit OEMs entwickeln wir Verpackungen, die genau auf Batterieformate, Sicherheitsanforderungen und Prozesse abgestimmt sind. Logistikdienstleister binden wir ein, um sicherzustellen, dass die Verpackungen praxistauglich, also stapelbar, rückführbar und kompatibel mit Lkw, Containern sowie Fördertechnik sind. Und mit Recyclingunternehmen arbeiten wir zusammen, damit die Verpackungen auch für beschädigte oder kritische Batterien geeignet sind.
neue verpackung: Wie sieht der Produktlebenszyklus Ihrer Gefahrgutverpackungen aus – von der Herstellung bis zur Rücknahme? Bitte erläutern Sie uns diesen Kreislauf.
Hemming: Für die Produktion unseres Gefahrgutbehälters Ionpak verwenden wir zunächst den recycelten Kunststoff, den wir von unseren Kunden zurückgekauft haben, und mischen einen geringen Anteil an neuem Kunststoff, sogenanntes Virgin-Material, bei. Im Spritzgussverfahren stellen wir dann das Produkt her, das aus bis zu 81 Prozent Rezyklat besteht. Anschließend liefern wir den Ionpak an den Kunden aus, reparieren ihn bei Bedarf oder tauschen irreparabel beschädigte Behälter aus. Haben die Mehrweg-Transportboxen nach mehreren Jahren ausgedient, kaufen wir sie zum Materialpreis zurück und integrieren sie wieder in den Kreislauf.
neue verpackung: Erläutern Sie uns bitte ein Anwendungsbeispiel eines Kunststoff-Gefahrgutbehälters im Automotive-Bereich.
Hemming: Wir haben für einen Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien eine individuelle Lösung mit UN4H2-Zertifizierung entwickelt. Sie ist für eine Nutzlast von 400 kg netto und 520 kg brutto zugelassen. Das Besondere daran ist, dass die Verpackung speziell für automatisierte Roboter und Greifer optimiert ist. Der Kunde konnte die Lösung also nahtlos in seinen Produktionsprozess integrieren. Seitdem laufen Transport und Handhabung effizienter und sicherer ab.
neue verpackung: Welche Trends und Entwicklungen beobachten Sie im Gefahrguttransport?
Hemming: Ich gehe davon aus, dass wir einen Zuwachs an Technologien erleben werden, die Transporte digital überwachen und in Echtzeit nachverfolgen können. Eventuell wird es in Zukunft auch möglich sein, Verpackungen zu entwickeln, die Stöße oder Brände eigenständig melden können. Zudem fließen viele Ressourcen bereits in die Entwicklung von robusteren und leichteren Materialien ein und immer mehr Unternehmen integrieren Nachhaltigkeitsziele in ihre Logistikprozesse. Das ist ein positiver Trend.
Darüber hinaus wird sich die Gesetzgebung anpassen und gegebenenfalls verschärfen. Da es seitens der EU viel Regulation gibt, wie etwa die neue EU-Verpackungsverordnung, ist davon auszugehen, dass die Anforderungen an Verpackungen steigen werden und damit auch die Kosten für Unternehmen. Allerdings ist das europäische Recht bereits gut aufgestellt, was die geringen Unfallzahlen beweisen. Denn Batteriebrände passieren meist dann, wenn die Batterien herunterfallen oder das Auto beschädigt wird. Beim Transport von nicht eingebauten Batterien ereignet sich hingegen selten ein Unglück.
neue verpackung: Die Elektromobilitätsbranche und ihre Regularien sind noch vergleichsweise neu. Welche Veränderungen sind in naher Zukunft zu erwarten und wie müssen sich Unternehmen darauf vorbereiten?
Hemming: Das Gefahrgutrecht im Bereich E-Mobilität ist bereits sehr umfangreich und eindeutig. Der Gesetzgeber ist mittlerweile dazu übergegangen, Vorschriften zu überarbeiten und klarer zu verfassen, etwa im RID und ADR 2025. Es ist wichtig, dass wir unsere Gesetze kontinuierlich an reale Bedingungen anpassen und den Unternehmen entgegenkommen, solange die Sicherheit nicht darunter leidet.