Einkaufswagen mit verschiedenen Produkten.

Nicht zuletzt der Verbraucher wünscht sich mehr nachhaltige Verpackungen im Einkaufswagen. (Bild: Open AI/Dalle 3)

Der Standbodenbeutel aus Monomaterial von Mondi.
Erst seit Kurzem auf dem Markt: der Standbodenbeutel aus Monomaterial von Mondi. (Bild: Mondi)

Verpackungen sind der sicht- und greifbare Ausdruck des Produkts – und zunehmend ein Kriterium bei der Kaufentscheidung. Das belegen die Ergebnisse einer Studie des Branchenverbands Pro Carton aus diesem Jahr. Demnach haben 57 % der mehr als 5.000 Befragten aus fünf europäischen Ländern angegeben, dass für sie ein nachhaltiger Lebensstil wichtiger geworden ist. Die Wahl der „richtigen“ Verpackung spielt dabei eine wichtige Rolle. Jeder zweite Befragte erklärte, dass er sich am Point of Sale durchaus Gedanken mache, inwieweit die eigene Kaufentscheidung Auswirkungen auf die Umwelt hat. Immerhin 40 % sagten, sie hätten in den vergangenen zwölf Monaten Marken oder Produkte gewechselt, weil sie Bedenken wegen der Verpackung hatten. Die Gründe dafür waren „nicht wiederverwertbare Verpackungen“ (54 %), gefolgt von „unnötigen zusätzlichen Verpackungen“ (37 %) und „Kunststoffverpackungen“ (31 %). Wobei letztgenannter Grund eher etwas mit dem generellen Image des Materials denn mit seiner grundsätzlichen Funktionalität und Wiederverwertbarkeit hat.

Laut Daten des Umweltbundesamts entfällt derzeit der größte Anteil der Lebensmittelverpackungen in Deutschland auf Kunststoff (etwa 65 %), gefolgt von Papier und Karton (rund 25 %). Biokunststoffe und alternative Materialien spielen bislang nur eine untergeordnete Rolle (unter 5 %), werden aber zunehmend für Spezialanwendungen getestet.

Handelsketten denken um

Und wer ist gefordert, für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen? 57 % der Studienteilnehmer führten die Hersteller an, 21 % die Verbraucher, 14 % die Regierung und lediglich 8 % den Handel. Dennoch stehen die Handelsunternehmen massiv unter Druck. Für den Lebensmittel Einzelhandel ist das Thema Verpackung ein direktes Bindeglied zwischen Markenimage und Umweltschutzversprechen. Handelsketten wie Aldi, Lidl oder Kaufland haben ambitionierte Ziele formuliert: Etwa 100 % recyclingfähige Verpackungen bei Eigenmarken bis 2025 oder eine Reduktion von Kunststoff um 20 % bis 30 % im gleichen Zeitraum. Große Handelsunternehmen wie die Schwarz-Gruppe (Kaufland, Lidl) experimentieren seit Jahren mit anderen Materialien, darunter Silphie, wenn es um Verpackungen unter anderem für Lebensmittel geht.

Die Kritik seitens der der Verbraucher richtet sich vor allem gegen den Einsatz von Kunststoff. Befeuert wird die Diskussion auch durch Studienergebnisse wie von DS Smith. Für die Befragung „Material Change Index”, die von dem Hersteller nachhaltiger, faserbasierter Verpackungslösungen in Auftrag gegeben worden war, wurden 1.500 Lebensmittel aus dem Supermarkt untersucht. Fazit: Bei vielen Lebensmitteln und Getränken, die überwiegend in Kunststoff verpackt sind, kann diese entfernt oder durch Alternativen ersetzt werden kann. In Deutschland summiert sich dieser Kunststoffberg laut DS Smith auf 38,6 Mrd. vermeidbare Teile pro Jahr. Fleisch und Fisch (84 %), Molkereiprodukte (83 %) und alkoholfreie Getränke (80 %) führen die Liste der Kategorien mit dem größten Anteil von Kunststoffverpackungen an.

Vilsa Nix-Pack
Weniger ist mehr: Vilsa Mineralbrunnen klebt die Sixpacks zusammen und verzichtet auf die Schrumpffolie. (Bild: Vilsa Mineralbrunnen)

Packmittelhersteller suchen nach Lösungen

In der Verpackungsindustrie ist Nachhaltigkeit längst kein Nischenthema mehr, sondern eine zentrale Innovationsagenda. Laut dem „Sustainability Trends Report“ des European Packaging Institutes Consortium (Epic) von 2024 investieren über 75 % der Verpackungshersteller gezielt in nachhaltige Materialentwicklungen, neue Fertigungsverfahren oder digitale Rückverfolgungssysteme. Dabei ist die Herausforderung komplex: Verpackungen sollen zum einen Schutz und Haltbarkeit gewährleisten. Davon abgesehen müssen sie maschinengängig sein, gesetzliche Vorgaben erfüllen – und gleichzeitig recyclingfähig, ressourcenschonend und möglichst CO₂-arm produziert werden.

Oft die größten Hürden, die es zu überwinden gilt, wenn es um neue Materialien geht: Skalierbarkeit und Preis. Denn Verpackungsmarkt ist sehr preissensibel. An Beispielen für interessante Ansätze mangelt es nicht, sowohl von den etablierten Herstellern wie Metsä Board oder auch Alpla wie von Newcomern. Impulse gibt es zudem seitens der Forschung. Wer sich über umweltfreundliche Materialien informieren will: Die Frankfurter Agentur Milk Food & Design hat mit „Future Packaging Material“ dazu ein hübsch aufgemachtes Booklet in der dritten Auflage auf den Markt gebracht. Über die Website der Agentur kommt man auch zu einem Online-Glossar.

Materialreduktion durch smarteres Design

Der erste und einfachste Hebel für nachhaltigere Verpackungen ist die Reduktion des eingesetzten Materials. Durch sogenannte „Lightweighting“-Konzepte lassen sich bei Folien, Flaschen oder Bechern signifikante Einsparungen erzielen – ohne Kompromisse bei der Schutzfunktion. So hat Diageo vor einigen Monaten eine besonders leichteste Glasflasche für die Marke Johnnie Walker präsentiert. Bei einem Volumen von 70 cl wiegt die Flasche ohne Verschluss nur mehr 180 g. Eine von British Glass zitierte Studie zeigt, dass jedes eingesparte Gramm Glas zu einer Reduktion von über einem halben Gramm CO₂-Emissionen bei der Herstellung führt. Ein Extrembeispiel. Aber überall in der Industrie wird nach Wegen und Methoden geforscht, möglichst viel Material einzusparen.

Generell kann eine PET-Flasche mit bis zu 30 % weniger Material hergestellt werden als noch vor zehn Jahren, ohne an Stabilität zu verlieren. Auch der Einsatz von sogenannten „Sleeve-Free Designs“ bei Getränken oder Etiketten mit reduziertem Kleberauftrag hilft, das Recycling zu erleichtern. In die Kategorie „Materialreduktion“ fällt auch die Lösung von Vilsa-Mineralbrunnen. Das Unternehmen verzichtet bei seinen Einwegflaschen aus rPET, die als Sixpacks angeboten werden, auf die sonst übliche Schrumpffolie. Sie werden nun durch punktuelle, sehr starke Klebepunkte zusammengehalten. Eine Lösung die von der KHS-Group entwickelt wurde.

Paboco mit Papierflasche und faserbasiertem Verschluss
Sie ist ultraleicht und laut Hersteller auch stabil: die biobasierte Papierflasche von Paboco. (Bild: Paboco)

Kunststoffverpackungen: Monomaterial statt Verbund

Kunststoffe bleiben aus funktionalen Gründen in vielen Lebensmittelanwendungen unverzichtbar. Ihr Vorteil liegt in der hohen Schutzfunktion bei vergleichsweise geringem Materialeinsatz. Die Herausforderung besteht in der Gestaltung recyclingfähiger Lösungen. Schwarze Kunststoffe oder Multilayer-Folien sind schwer zu erfassen oder zu sortieren. Fortschritte bei der Detektionstechnologie, beispielsweise über digitale Wasserzeichen, sowie die Einführung von Mindest-Rezyklatquoten treiben jedoch die Verbesserung der Recyclingtauglichkeit voran.

Ein zentraler Fortschritt liegt im Umstieg von mehrschichtigen, schwer trennbaren Verbundverpackungen auf sortenreine Monomaterialien. Verpackungen aus reinem Polypropylen (PP) oder Polyethylen (PE) lassen sich im bestehenden Recyclingsystem besser erfassen, sortieren und verwerten. Fortschritte bei Barriereschichten ermöglichen es inzwischen, Monomaterialien auch für Produkte mit hohen Schutzanforderungen – etwa fetthaltige oder feuchtigkeitsempfindliche Lebensmittel – einzusetzen. Zahlreiche Hersteller kennzeichnen ihre Verpackungen mittlerweile mit dem Label „Design for Recycling“, um Verbrauchern Orientierung zu bieten. Nestlé beispielsweise hat sich bei seinen Suppen- und Soßentüten von der Verbundfolie aus verschiedenen Materialien zugunsten einer Monomaterial-Lösung verabschiedet.

Biokunststoffe: Zwischen Hoffnung und Realität

Biobasierte Kunststoffe wie Bio-PE oder PLA versprechen eine Reduktion fossiler Ressourcen. Doch ihre Umweltbilanz hängt stark vom Anwendungskontext ab. Biologisch abbaubare Kunststoffe werden in industriellen Kompostieranlagen oft nicht abgebaut, da die Verweildauer zu kurz ist. Zudem können sie das Kunststoffrecycling stören, wenn sie fälschlich in den Gelben Sack gelangen. Biobasierte, aber recyclingfähige Materialien wie Bio-PET oder Bio-PE gelten hingegen als tragfähige Alternative, wenn sie in bestehende Recyclingströme integriert werden.

Leergutautomat mit Einfach Mehrweg-Container
Im Einsatz unter anderem bei Rewe: die Sykell-Mehrweglösung, die über die Leergutautomaten entsorgt werden kann. (Bild: Sykell)

Faserbasiert: Papier und Karton

Papier- und Kartonverpackungen gelten gemeinhin als umweltfreundlich, da sie auf nachwachsenden Rohstoffen basieren und gut in das bestehende Altpapier-Recyclingsystem eingebunden sind. Allerdings verlieren sie bei fett- oder feuchtigkeitsreichen Lebensmitteln an Funktionalität. Um dennoch eine Schutzwirkung zu erzielen, kommen häufig Kunststoffbeschichtungen zum Einsatz, die jedoch das Recycling erschweren oder unmöglich machen. Neue Entwicklungen arbeiten mit wasserlöslichen oder biologisch abbaubaren Barrierelacken, die die Kreislauffähigkeit erhalten sollen. Die Beschichtung von Papier darf maximal 5 % des Gesamtgewichts ausmachen, damit das Papier als sortenrein und EU-konform für das Recycling gilt. Zusätzlich sollte die Beschichtung wasserlöslich, biologisch abbaubar und im Recyclingprozess unproblematisch sein, um die tatsächliche Rezyklierbarkeit zu gewährleisten.

Tests mit neuen Beschichtungen haben gezeigt, dass eine Auftragsschicht von 2,5 % und weniger ausreichend sein kann. Wenig überraschend, dass immer mehr Lebensmittelhersteller auf papierbasierte Verpackungen ausweichen. So hat Milka eine neue Papierverpackung für das Tafelportfolio getestet. Sie ist aus FSC-zertifiziertem Papier sowie einer minimalen Beschichtung. Damit lässt sich die Verpackung über die Papiertonne entsorgen und anschließend recyceln. Ein weiteres Beispiel: Masterfoods testet in Australien recycelbare Tomatensaucen-Einzelverpackungen aus Papier: mit 58 % weniger Plastik als die Originalverpackung.

Neue Alternative Faserguss

Faserguss als Verpackungsmaterial hat sich bewährt. Allerdings wurde das recycelbare Material lange Zeit überwiegend für Transport- und Umverpackungen genutzt. Im Lebensmittelbereich spielte es eine geringe Rolle, sieht man von den bekannten Eierkartons ab. Das ändert sich rasant. Firmen wie Papacks haben sich vorgenommen, Faserguss als okölogisch unbedenkliche Alternative zu Kunststoff aber auch Glas zu etablieren. Dank neuer Barrieretechnologien und Aufbereitung des Rohstoffes haben sich die Verarbeitungsmöglichkeiten massiv vergrößert. Ein interessantes Beispiel ist die Papierflasche von Paboco samt faserbasiertem Verschluss von Blue Ocean Closures. Die Flasche wiegt insgesamt weniger als 16 g, während die Barriere aus Hart-Polyethylen (HDPE) weniger als 2 g ausmacht.  Aber auch Papacks hat eine Flasche im Programm, die zu 100 % aus Faserguss und dank einer pflanzenbasierten Beschichtung vielfältig einsetzbar ist.

Mehrwegsysteme im stationären und digitalen Handel

Der systemische Wandel hin zur Kreislaufwirtschaft zeigt sich besonders deutlich in der Wiederverwendung von Verpackungen. Mehrwegbecher für Kaffee, wiederverwendbare Take-away-Behälter, Pfandsysteme für Joghurtgläser oder stabile Versandboxen für den Onlinehandel gewinnen an Akzeptanz. Die Bereitschaft du die Zahl der Nutzer und Systemanbieter wächst. So testet die Versandapotheke Doc Morris den Einsatz von Mehrwegverpackungen. Kooperationspartner ist Ravioli in Hamburg. Die Pricon GmbH, Großhändler für Augenoptik-Fachgeschäfte, wiederum setzt seit kurzem auf wiederverwendbare Versandverpackungen von Hey Circle, um Abfall und CO2-Emissionen zu reduzieren. Snackproduzent Seeberger geht mit Mehrwegbechern an den Point of Sale. Besonders erfolgversprechend sind Mehrweglösungen, die eine bestehende Rückgabe-Infrastruktur nutzen wie beispielsweise Sykell, deren Boxen und Becher aus PP einfach über Leergutautomaten zurückgegeben werden können. Funktionierende Pfand- oder Sammelsysteme in Verbindung mit einer erhöhten Sensibilität der Verbraucher und Verbraucherinnen gegenüber Verpackungsmüll verbessern die Recycling- und Abfallsituation erheblich. Auch, wenn es um Kunststoff geht. Das „Wegwerfprodukt“ wird vermehrt als wichtige Wertstoffquelle wahrgenommen.  

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