
Die Vorbereitung für den Vortrag nahm Ralf Schubert zum Anlass einmal zu prüfen, wo in seinem Unternehmen aktuell bereits überall KI zum Einsatz kommt. (Bild: Packaging Machinery Conference)
Ralf Schubert, Geschäftsführender Gesellschafter des Verpackungsmaschinenbauers Gerhard Schubert, eröffnete seinen Vortrag mit einem augenzwinkernden Disclaimer: „Es freut mich außerordentlich, dass hier heute etwas über KI erzählen darf. Ich bin aber kein KI-Experte – aber ich schreibe jedes Jahr noch zwei bis drei Programme, teilweise für die Firma, teilweise privat. Einfach aus Interesse.“ Was folgte, war dennoch ein tiefgreifender und detailreicher Einblick in die Praxis, Philosophie und Strategie rund um den Einsatz von KI im Maschinenbau – insbesondere bei Schubert selbst.
Und bereits früh in seiner Präsentation machte Schubert unmissverständlichen klar: „KI wird alles verändern.“ Die Technologie sei, wie er bildlich erklärte, „aus der Lampe“ – wie ein allmächtiger Dschinn, der nun nicht mehr zurückzuholen sei.
Neu sei dabei nicht nur die Technologie, sondern auch die Geschwindigkeit ihres Siegeszuges: „Die Industrielle Revolution hat 100 Jahre gedauert, beim Internet waren es noch 20 Jahre – und bei KI wird das noch einmal deutlich schneller passieren.“
Einen solchen verbalen Donnerschlag braucht es scheinbar – laut einer Umfrage aus dem Jahr 2023 setzen damals gerade einmal 12 % der deutschen Unternehmen KI ein, im Maschinenbau ein paar wenige Prozent mehr.

Von der Theorie zur Praxis: Was ist eigentlich KI?
Der Vortrag begann mit einer grundlegenden Einführung in das Wesen Künstlicher Intelligenz. Schubert stellte den Unterschied zwischen klassischer Programmierung und KI-basierten Ansätzen klar: Während bei der Programmierung aus Algorithmus und Eingabe eine Ausgabe generiert wird, setzt KI auf Daten und Ergebnisse, aus denen dann Regeln abgeleitet werden, um künftig neue Eingaben zu verarbeiten.
Besonders anschaulich war seine Darstellung neuronaler Netze, die er vom biologischen Neuron über das Perzeptron bis hin zum heutigen Deep Learning erklärte. Den historischen Bogen spannte er von Turing und den berühmten, nach ihm benannten Turing-Test über das Computerprogramm Eliza, Deep Blue bis hin zu Alpha Go und GPT-4. Letzteres beschrieb er als „einen stochastischen Papagei mit bemerkenswerten Fähigkeiten, aber auch gefährlichen Halluzinationen.“
Konkrete Anwendungsbeispiele bei Schubert

Im Zentrum des Vortrags standen jedoch die praktischen Anwendungen bei Schubert: Beim Cobot-System Tog.519 beispielsweise kommen neuronale Netze zum Einsatz, um mithilfe gewöhnlicher Kameras statt teurer Lichtfeldsysteme Produkte zu erkennen und zu greifen. „Das hat uns rund 10.000 Euro pro System eingespart“, erklärte Schubert. Im Trainingsprozess werden 30.000 synthetisch erzeugte Bilder genutzt, um die Netzwerke auf Position und Orientierung von Produkten zu trainieren.
Ein weiterer Bereich ist die Bewegungsplanung von Robotern. In Dresden entwickelt das Team „Schubert Motion“ KI-basierte Bahnplanung, mit der laut Ralf Schubert eine Leistungssteigerung von 20 %, weniger mechanische Belastung und geringerer Energieverbrauch erreicht wurden – und das ohne klassische Programmierung.
Außerdem beschrieb Schubert die Erkennung von Überlastungen oder Vakuumfehlern bei Pick-&-Place-Robotern. Diese Aufgaben seien für klassische Sensorik oft zu träge oder unzuverlässig – Kabel würden bei 120 Takten pro Minute schlicht versagen. Die KI jedoch könne über Abweichungen im Luftstrom präzise detektieren, ob beispielsweise ein Produkt verloren gegangen ist.
Und last but not least stellte Schubert firmeneigene KI-gestützte System Schuugle vor. Dieses ermöglicht es Mitarbeitenden, auf Dokumente, Bilder, Tickets oder Stücklisten zuzugreifen – ohne manuelles Durchsuchen. Eine Chat-GPT-ähnliche Oberfläche erleichtert dabei die semantische Informationsabfrage.
Spannungsfeld Mensch und Maschine
n der anschließenden Diskussionsrunde sprach Schubert offen über seine Skepsis gegenüber einer vollständig datengetriebenen Prozessoptimierung: „Wenn eine Maschine wirklich vollständig überwachen möchte, brauche ich 1.000 Sensoren. Das schafft dann zum einen wieder eine selbst fehleranfällige Komplexität – und ist auch schlicht zu teuer.“ Stattdessen betonte er die Rolle des Menschen, diese sei „immer noch gefordert.“
Trotz seiner Begeisterung für KI bleibt Schubert Pragmatiker: „KI ist ein Werkzeug, kein Ersatz“, betonte er und stellte klar, dass man neugierige und lernbereite Mitarbeitende brauche, um das Potenzial auszuschöpfen. Als Beispiel nannte er einen Servicemitarbeiter, der mithilfe von Chat GPT Excel-Makros geschrieben hatte – ohne Rückgriff auf die IT-Abteilung.
Blick in die Zukunft: Zwischen Bescheidenheit und Vision
Auf die Frage, wie sich die Welt in ein bis zwei Jahren verändern werde, antwortete Schubert vorsichtig: „Da wird sich definitiv viel tun – aber es ist schwer vorherzusehen, was.“ Klar hingegen ist für ihn: die Geschwindigkeit des Fortschritts ist hoch, dürfe aber nicht unkontrolliert sein; die Einführung einer eigenen KI-Strategie sei für Unternehmen unerlässlich. Und um wirksam zu sein, dürfe diese nicht delegiert werden, sondern müsse von der obersten Geschäftsleitungsebene kommen – ähnlich wie beim Thema Nachhaltigkeit.
Ebenso sei die Auseinandersetzung mit regulatorischen Rahmenbedingungen wie dem AI Act wichtig, den Schubert als „typisch europäisch“ kritisierte: „Wir denken immer erst über die Risiken nach, bevor wir die Chancen sehen.“
Fazit: KI ist angekommen – auch im Mittelstand
Ralf Schuberts Vortrag war ein spannender Einblick, wie ein mittelständisches Unternehmen KI nicht nur einsetzt, sondern aus einer inneren Überzeugung heraus vorantreibt. Und zeigte, dass man weder Forschungseinrichtung noch Digitalkonzern sein muss, um KI in den Verpackungsmaschinenbau zu integrieren. Nachahmer erwünscht!