Vivian Loftin

Vivian Loftin wünscht sich mehr Engagement seitens der Unternehmen und Verbände, um junge Leute für die Branche zu begeistern. (Bild: Vivian Loftin)

Es war ein kompletter Zufall, dass ich in diese Branche reingeschnuppert habe. Ich habe eigentlich Kultur und Wirtschaft studiert, einen Studiengang, der eher offen ist mit Blick auf den künftigen Beruf. Was mir aber schon immer wichtig war, dass ich mit Menschen arbeiten kann und etwas Sinnvolles tun möchte. Es sollte etwas mit Impact sein, sei es im sozialen Bereich oder für die Umwelt.

Während meinem Masterstudium bin ich durch Zufall auf ein Projekt von Futury aufmerksam geworden. Futury ist eine Gründungs- und Innovationsplattform, die junge Talente und erfahrene Unternehmen miteinander vernetzt, um gemeinsam neue Lösungen und fertige Geschäftsmodelle für eine nachhaltigere Zukunft zu entwickeln. Das Thema damals lautete „Waste – Be Circular“. Es klang verlockend, drei Monate lang etwas anderes zu sehen, etwas Praktisches zu machen. Damals konnte ich nicht ahnen, dass es meine Zukunft werden würde. Es waren tolle Wochen. Wir bekamen regelrechte Crashkurse in Sachen Verpackung, haben mit führenden Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette zusammengearbeitet, waren auf der Messe Fachpack und hatten damit begonnen, Recyda zu entwickeln. Nach sechs Wochen war meinem Team und mir klar: Das ist unser Ding, daran arbeiten wir weiter.

Was Recyda ist? Eine innovative Software für nachhaltiges Verpackungsmanagement. Mit ihr lassen sich beispielsweise digital Verpackungsportfolios multinationaler Unternehmen verwalten, länderspezifisch Recyclingfähigkeit von Verpackungen eruieren, leichter internationale Nachhaltigkeitsanforderungen einhalten und anderes mehr. 2020 gingen wir zu dritt mit unserem Unternehmen an den Start. Seitdem wachsen wir und haben inzwischen auch bekannte Unternehmen und Marken als Kunden.

Aber es war nicht nur Recyda, das mich gefesselt hat. Es ist die gesamte Branche. Sie steckt in einem großen Umschwung. Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind die zentralen Herausforderungen. Es muss viel passieren, aber es gibt auch reichlich Potenzial für Veränderungen. Daran mitzuwirken, das reizt mich. Ich nehme die Branche als sehr menschengetrieben wahr. Es gibt so viele, die sich für Nachhaltigkeitsthemen interessieren, Verantwortung übernehmen wollen und nach neuen Lösungen suchen. Nicht wenige von ihnen bringen sich mit viel Herzblut ein. Innovation ist dabei ein wichtiger Faktor. Die Bereitschaft, mit Start-ups wie uns zusammenarbeiten ist, ist groß. Da wird auch investiert.

Vor diesem Hintergrund hoffe ich, dass auch die neue europäische Verpackungsverordnung PPWR die Transformation der Branche beschleunigt und dafür sorgt, dass die ambitionierten Ziele nicht nur ambitionierte Ziele bleiben, sondern auch tatsächlich zu Taten führen. Gefühlt warten aktuell viele Akteure ab, weil noch zu viel Unsicherheit herrscht. Das ist schade. Aber sobald Klarheit vorhanden ist, dann passiert auch schnell was. Ich würde nicht alles, was in der PPWR steht, mit einer Eins mit Stern bewerten wollen und finde auch, dass teils intensiver mit der Industrie hätte zusammengearbeitet werden müssen. Aber ohne Regularien werden wir die Recyclingziele nicht erreichen.

 

Bei Recyda sind wir mittlerweile über 30 Mitarbeitende. Viele von ihnen kommen gar nicht aus der Verpackungsbranche, sind wie ich Quereinsteiger. Man merkt beim Recruiting, dass die Menschen nach einer sinnvollen Tätigkeit suchen und das Gefühl brauchen, etwas bewirken zu können. Wir haben daher ein intensives Onboarding-Programm aufgesetzt, mit Crashkursen, diversen Schulungen, damit Neulingen das Eintauchen in die neue Welt der Verpackung möglichst leichtfällt. Verpackung ist etwas, das jeder kennt, das einen das ganze Leben begleitet. Sie ist anfassbar und sie verändert sich. Das finde ich cool. Und das versuche ich auch zu vermitteln. Ich bekomme auch unglaublich viel Feedback aus meinem persönlichen Umfeld. Das Interesse ist groß und es werden viele Fragen gestellt. Selbst mein Patenkind passt inzwischen auf, dass die Mama den Hausmüll korrekt entsorgt. Das ist richtig süß.

Bedenklich finde ich, dass die Zahl der Studierenden, die sich für die Verpackungsbranche interessieren, rückläufig ist. Denn es braucht auch Leute mit Expertenwissen. Natürlich wachen wenige Menschen auf und haben als Traumjob Verpackungsingenieur vor Augen. Aber es ist eine Branche mit viel Zukunft und Potenzial. Woran es dann liegt? Ich wusste früher auch nicht, dass es entsprechende Studiengänge überhaupt gibt. Es fehlt meiner Meinung nach an Sichtbarkeit. Vielleicht sollten die Firmen mehr investieren und gezielt auch an Schulen gehen und über Verpackung sprechen oder Workshops geben? Zudem hat die Branche trotz der Nachhaltigkeitsthematik ein Imageproblem. Da sind vor allem die Interessensverbände gefordert. Doch da passiert zu wenig. Mir fällt spontan die Kampagne "Mülltrennung wirkt" ein. Ich bin froh, dass solche Kampagnen ins Leben gerufen wurden, allerdings ist die Sichtbarkeit weiterhin zu gering. Ich begegne der Kampagne eher in der Branche, als Privatperson bin ich ihr selten begegnet. Wenn ich jemanden für die Branche gewinnen möchte? Es gibt ganz coole Bücher, beispielsweise "The Rubbish Book" von James Piper. Und es gibt mittlerweile auch eine ganze Reihe interessanter Podcasts, die niederschwellig neugierig auf die Thematik machen.

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