
Der DPP enthält alle relevanten Informationen zu Produkt und Verpackung. (Bild: Narravero)
Im Zuge der Ökodesign-Verordnung verpflichtet die EU ab 2027 schrittweise Unternehmen nahezu aller Branchen, die Waren und Produkte in der EU herstellen, in Betrieb nehmen oder verkaufen, zur Einführung des digitalen Produktpasses (DPP).
Im Prinzip ist so ein digitaler Produktpass nichts anderes als ein lebendiger Datensatz, der vielfältige Informationen zu einem Produkt vereint: wo es herkommt, wer es unter welchen Bedingungen hergestellt hat, woraus es besteht und welche Stationen es auf seinem Weg bis zum Verkauf zurückgelegt hat. Aber auch wie es funktioniert, sich pflegen, reparieren, recyceln und entsorgen lässt – also auch die Fortschreibung der Lebensgeschichte mit Änderungen, Ergänzungen, Upgrades und anderem mehr. Der DPP enthält auch Bürokratisches, etwa Zertifikate, lieferbegleitende Dokumente oder erforderliche Informationen für den grenzüberschreitenden Warenverkehr, Pflichtmitteilungen im Rahmen des Lieferkettengesetzes oder Infos zum ökologischen Fußabdruck. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
Ziel der EU ist es, für drei Stakeholder-Gruppen eine einzige Datendrehscheibe und damit maximale Transparenz und digitalisierte Vernetzung zu schaffen: für Unternehmen, für Behörden und für Endkunden. Dank Datenträgern wie NFC-Tag oder QR-Code, die direkt am Produkt und/oder an der Verpackung angebracht sind, ist der Lifecycle eines Produkts künftig lückenlos nachvollziehbar. Das ist ein wichtiger Schritt für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft – und bietet der Verpackungsindustrie ganz neue Möglichkeiten, Mehrwerte zu generieren. Außerdem wird der DPP als zentraler, digitaler Datensatz ein entscheidender Schlüssel für den Bürokratieabbau sein. Er wird zur Drehscheibe für alle erforderlichen Informationen aus verschiedenen Regularien und ermöglicht damit einen schnellen und effizienten Zugriff auf die jeweils relevanten Datenpunkte – natürlich unter allen modernen Gesichtspunkten wie selektiver Sichtbarkeit von Inhalten und Zugriffsschutz.
Mehr Fairness im europäischen Markt
Die Unternehmensberatung Deloitte geht in einer mittleren Berechnung davon aus, dass in Zukunft jährlich EU-weit fünf Billionen DPPs in allein fünf Kernbranchen ausgestellt werden. Diese Zahl lässt erahnen, welche Tragweite die Entscheidung der EU haben wird und welch großer Schritt für effiziente Digitalisierung zur Förderung der Kreislaufwirtschaft gegangen wird.
Noch ist nicht geklärt, welche gesetzlichen Informationsanforderungen ein DPP genau enthalten muss. Es gibt insgesamt 16 geplante Kategorien, deren konkrete Anwendung für jede Produktgruppe und Branche jeweils sachgerecht ausgearbeitet und als eigener Rechtsakt formuliert wird. Zusätzlich zu diesen Informationsanforderungen sind auch Leistungsanforderungen möglich, die beispielsweise in einzelnen Kategorien mit Mindestwerten eine Wettbewerbsfairness im europäischen Markt schaffen. Sicherlich werden auch umweltrelevante Daten unter den Informationsanforderungen, wie etwa der CO2-Fußabdruck oder Informationen über chemische Substanzen, dabei sein. Die genauen Datenvorgaben entstehen aber erst durch die Ausarbeitung im Ökodesign-Forum und den dann folgenden delegierten Rechtsakten.
Zur Person

Thomas L. Rödding ist in zahlreichen Gremien zum digitalen Produktpass bei nationalen und internationalen Normungsorganisationen, Konsortien, Gremien und bei der EU tätig. Der Digitalexperte und Unternehmer ist Gründer und CEO von Narravero. Das Unternehmen bietet als einer der marktführenden Service-Provider (Software-as-a-Service) schlüsselfertige Lösungen, die physische Produkte in interaktive Touchpoints verwandelt.
Die Verpackung als interaktiver Touchpoint
Das von der EU-Kommission unterstützte Konsortium Cirpass-2 entwickelt derzeit DPP-Prototypen für Batterien, Textilien und Elektrogeräte. So wird frühzeitig evaluiert, welche Praxiserkenntnisse in die offizielle Normierung und die weiteren Rechtsakte einfließen sollten. Den bereits gesetzlich verankerten Start machen Batterien; sie müssen ab 2027 als erste Produktkategorie mit einem digitalen Produktpass (Batteriepass) versehen sein. Er wird voraussichtlich Informationen zum CO2-Abdruck, zur Herkunft der Materialien oder zur Recyclingfähigkeit enthalten müssen. Gerade jüngst Mitte Januar erschien die DIN DKE SPEC 99100. Eine DIN SPEC ist ein Konsortialstandard, der als frühe Form der Niederschrift ein gemeinsames Verständnis der Marktteilnehmer unterstützt. Die eigentliche Normung folgt oft später. Im Fall Batterien schafft sie aber ein gutes Beispiel dafür, wie die spätere Norm konkret aussehen könnte. Sie ist kostenlos online unter www.din.de/de/wdc-beuth:din21:385692321 abrufbar und hilft als gedankliche Anleitung, auch für andere Branchen vorzudenken, wie Datenpunkte aussehen könnten, die in den digitalen Produktpass eingehen.
Bis 2030 sollen alle ergänzenden Rechtsakte für die betroffenen Branchen und Produktgruppen umgesetzt sein. Die Umsetzungsreihenfolge wird sich nach dem Arbeitsplan der Ökodesign-Verordnung richten. Dieser Arbeitsplan soll im Laufe des ersten Halbjahrs 2025 veröffentlicht werden und für die kommenden drei Jahre gelten. Auch hier gibt es Forschungsberichte der EU zur empfohlenen Reihenfolge, um relevanteste Branchen als erstes mit konkreten Vorgaben zu berücksichtigen.
Technologien für die DPP-Implementierung
Die Anforderungen unterscheiden sich je nach Geschäftsmodell. Generell müssen Unternehmen drei Prozesse abbilden, um die DPPs erfolgreich zu implementieren:
- Die redaktionelle Vorbereitung und Syndikation aller Daten und aller Inhalte für eine Produktpass-Vorlage (DPP-Vorlage).
- Die Bereitstellung eines Produktionssystems, das einzelne Pässe (DPP-
Instanzen) ausstellt, die entsprechenden Datenträger herstellt und die DPPs beim zentralen EU-Register für DPPs registriert. - Das professionelle Hosting und die Aktualisierung. Dazu zählt auch das Vorhalten von Sicherheitskopien bei einem Drittanbieter. Die Ökodesign-Verordnung sieht dafür zertifizierte Service-Provider vor, die Fulfillment- und/oder Back-up-Leistungen bieten.
Datendrehscheibe DPP
Besonders spannend ist eine offizielle Klarstellung vom November 2024, nach der ein DPP neben seinen verpflichtenden Informationen auch freiwillige Daten enthalten darf. Diese Offenheit und Universalität als Datendrehscheibe eröffnet viele Chancen in der B2B-Vernetzung und der B2C-Kommunikation – denn auf diese Weise kann die Verpackung zum neuen interaktiven Touchpoint werden, der den Kunden zum Beispiel Informationen über Servicepunkte zu Retouren- oder Pfandsystemen liefert.
Die Verpackungsindustrie ist aus drei Gründen gut beraten, sich schnell auf den DPP vorzubereiten: Erstens werden ihre Kunden aus den zuerst betroffenen Branchen das entsprechende Know-how bei ihren Verpackungspartnern anfragen, und zweitens ist die Reduk-tion von Verpackungsmüll ein strategisches Ziel der EU und genießt hohe Priorität. Das legt nahe, dass die Verpackungsindustrie eher früher als später handeln muss. Drittens sind die Verpackungsmaterialien, -produkte und -maschinen selbst von der Ökodesign-Verordnung erfasst.
Der DPP könnte daher zum Gamechanger werden und entscheidend dazu beitragen, dass Ressourcenverbrauch und Abfallaufkommen signifikant sinken und kreislauforientierte Geschäftsmodelle gefördert werden. Ein zentraler Aspekt des DPP ist die detaillierte Dokumentation der Materialzusammensetzung. Diese weist klar aus, welche Kunststoffe oder Fasern verwendet werden. Auch Informationen zu Additiven und Beschichtungen, die die Recyclingfähigkeit von Verpackungen beeinflussen, können im Produktpass festgehalten werden. Mithilfe dieser Angaben lassen sich Verpackungen besser sortieren und effektiver wiederverwerten.
So können sich Unternehmen vorbereiten
Es gibt zwei Varianten, wie sich Unternehmen der Verpackungsindustrie auf die neue Technologie vorbereiten können: Unternehmen, die den DPP als reine Pflicht betrachten, werden vermutlich ein Team aus IT, Einkauf und Rechtsabteilung bilden. Wer den DPP als direkte Kundenschnittstelle begreift, wird Profis aus Verpackungstechnologie, Marketing, Kommunikation und Vertrieb ins Team holen und kreativ in den Dialog mit seinen Kunden gehen. In beiden Fällen sollten auch Sustainability- und Corporate-Social-Responsibility-Verantwortliche mit an Bord kommen. Vermutlich ist es hilfreich, Kompetenz von außen hinzuzuziehen. Bei der Beraterauswahl ist es nicht ganz einfach, die Spreu vom Weizen zu trennen, da derzeit monatlich eine Flut neuer Angebote auf den Markt drängt. Leider beschränken sich viele Beratungsangebote aktuell nur auf die Repetition der ohnehin öffentlichen Dokumente. Konkrete Lösungsarchitekturen und Prozessmodelle für die Umsetzung und die Einführung hingegen sind noch sehr rar.
Fakt ist: Verpackungen müssen künftig so gestaltet sein, dass sie im Sinne der Kreislaufwirtschaft einfacher recycelt oder wiederverwendet werden können – der DPP dokumentiert diese Eigenschaften. Das bietet nicht nur Vorteile für die Umwelt, sondern begünstigt auch all die Unternehmen, die sich frühzeitig mit der neuen digitalen Lebensakte DPP auseinandersetzen und die Technik anwenden. Damit machen sie die Verpackung zum Informationsmedium – und ihre mehrweg- und rückgabeorientierten Verpackungen zum eigenständigen Produkt. Das Weiterdenken, wie Primär-, Sekundär- und potenziell auch Tertiärverpackungen ein Schlüssel für die Umsetzung des digitalen Produktpasses werden, macht es sehr sinnvoll, sich früh mit klarer Orientierung und Lösungen zu beschäftigen.
Packaging Machinery Conference 2025 – jetzt anmelden

Nach der erfolgreichen Erstausgabe der Packaging Machinery Conference am 11. und 12. Juni 2024 stand schnell fest, dass unsere Veranstaltung für den Verpackungsmaschinenbau in die zweite Runde geht. Und zwar am 04. und 05. Juni 2025 in München.
Auch in diesem Jahr haben wir mit unserem Fachbeirat, bestehend aus Richard Clemens, Geschäftsführer Fachverband Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen des VDMA, Verpackungsexpertin Valeska Haux, Jana Götz, Strategic Business Development Manager bei SEW-Eurodrive, Prof. Dr.-Ing. Matthias Niemeyer, CEO der Uhlmann Group, sowie Christian Traumann, CEO und Sprecher der Geschäftsführung der Multivac Group, spannende Themen und Speaker gefunden, die auf aktuelle Herausforderungen des Verpackungsmaschinenbaus eingehen.
Das Programm mit den Themenblöcken Nachhaltigkeit, Automatisierung/Digitalisierung, Regularien sowie Globalisierung finden Sie auf der unten verlinkten Event-Seite.
Infos zur Veranstaltung, inklusive Rückblick und Anmeldung für 2025 gibt es hier.