Nachbericht zum Workshop Future Ready Packaging 2.0
Innovation trifft Verantwortung
Am 21. Mai 2025 lud STI in Lauterbach zu einem Workshop ein, der Perspektiven von Markenartiklern, Forschung und Verpackungsentwicklung zusammenbrachte. Im Zentrum stand der Austausch über nachhaltige Verpackungslösungen im Spannungsfeld von Regulatorik, Innovation und Wirtschaftlichkeit.
Jakob Rinninger, CEO der STI Group, eröffnete die Veranstaltung mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für unternehmerische Verantwortung. Dabei betonte er, dass Nachhaltigkeit kein „Powerpoint-Thema“ sein dürfe, sondern von der Führungsebene aus gelebt werden müsse und unterstrich dies mit Projekten und Investitionen im eigenen Unternehmen – unter anderem eine neue Produktionsmaschine im Wert von 10 Mio. Euro.
Rinninger warnte vor Überregulierung und einem „dogmatischen Zugang“ zur Nachhaltigkeitsdebatte. Stattdessen plädierte er für Transparenz und Vergleichbarkeit, etwa über einen CO₂-Preis. Besonders deutlich wurde er beim Thema Priorisierung: „Wir können nicht alle Themen gleichzeitig vorantreiben. Wir müssen schauen, wo wir den größten Hebel haben“.
Der CEO nahm dabei auch Bezug auf Scope-3-Emissionen und die Rolle der Papierindustrie in der gesamten Wertschöpfungskette. Im Sinne der Wirkung forderte er: „Weg vom Klein-Klein, hin zum unternehmerischen Mut.“
„Verpackungsdesign muss jetzt rechtskonform werden“
Peter Désilets, Geschäftsführer von Pacoon, schlug im Anschluss eine Brücke zwischen Kreativität und Gesetzestreue. Seine Agentur hat ein Tool entwickelt, das Verpackungen auf Konformität mit der neuen EU-Verordnung PPWR prüfen kann – ein „Survival-Tool“ für Unternehmen, wie er es nannte. Er hob hervor, dass in der Branche vor allem Transportverpackungen oft übersehen würden: „Da steckt mehr Arbeit drin als in der Sales-Verpackung.“
Pacoon verfolgt einen systematischen Ansatz: Analyse – Konzeption – Kommunikation. Neben Designfragen ging Désilets auf praktische Beispiele aus der Süßwarenindustrie ein und erläuterte, wie KI künftig dabei helfen könne, Spezifikationen zu analysieren, Verpackungen zu optimieren und regulatorische Anforderungen automatisiert zu prüfen. Besonders eindringlich wies er auf die Gefahr hin, Verpackungen falsch zu kategorisieren: „Gleiche Packung, zwei Szenarien, andere Anforderungen.“
Kooperation über Abteilungsgrenzen hinweg
Almut Feller, CR-Manager, und Michael Krätke, Deployment Manger, von Ferrero präsentierten die Sicht eines Markenartiklers. Verpackungen, so Krätke, seien „keine Dekoration“, sondern ein integraler Bestandteil des Produktschutzes und Markenauftritts. Die Herausforderung sei dabei, mit bestehenden Materialien wie Kunststoff verantwortungsvoll umzugehen und alternative Lösungen zu evaluieren.
Ferrero verfolgt hier ambitionierte Nachhaltigkeitsziele, wie die Reduktion von Virgin Plastic und die Erhöhung der Recyclingfähigkeit – hier liegt man aktuell bei rund 90 % recyclefähiger Verpackungen. Die eigene Zielsetzung würde allerdings stellenweise durch neue Regularien wie die PPWR erschwert, da eigentlich gut gemeinte Änderungen mitunter neue Probleme brächten: „Wenn ich beispielsweise das Material meiner Verpackung reduziere, bleibt der Farbauftrag gleich – und auf einmal falle ich unter die 80 Prozent Recyclingfähigkeit.“ Die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg – insbesondere mit Marketing, Einkauf und Produktion – sei entscheidend, um Ziele wie die PPWR-Vorgaben zu erfüllen.
Mit Daten Nachhaltigkeit messbar machen
Jürgen Dornheim, Global Packaging R&D Director bei Procter & Gamble, machte deutlich, wie tief Nachhaltigkeit mittlerweile in Unternehmensentscheidungen verankert sei: Das Thema sei heute Business-relevant, regulatorisch unumgänglich – und zunehmend datengetrieben. Und für alle, für die der Umweltaspekt alleine kein Grund ist, sich für Nachhaltigkeit zu begeistern, hatte Dornheim noch eine ganz andere intrinsische Motivation: „Der Erfolg in Ihrer Nachhaltigkeit beeinflusst schlussendlich Ihr Gehalt.“
Aus all diese Gründen hat P&G bereits seit 2018 alle eingesetzten Verpackungen systematisch auf Recyclingfähigkeit, Sammelbarkeit und Wiederaufbereitung geprüft. Ein zentrales Ziel ist dabei die Reduktion von fossilem Plastik um 50 % bis 2030. Dornheim betonte, welche Bedeutung dabei belastbarer Datensysteme haben und zeigte am Beispiel Gillette, wie papierbasierte Verpackungen Plastik ersetzen konnten. Seine Botschaft an die Branche: „Nur wer seine Daten im Griff hat, kann Nachhaltigkeit messbar machen.“
Papier: Prozessverhalten in der Praxis testen
Lydia Tempel, Head of Buiness Unit Smart & Circular Solutions an der Papiertechnischen Stiftung (PTS), ergänzte den Tag um die forschungsnahe Perspektive auf recyclingfähige, faserbasierte Verpackungen. Sie verwies auf bestehende Tools wie den Mindeststandard zur Bemessung der Recyclingfähigkeit in Deutschland und erklärte, dass faserbasierte Verpackungen vor allem in der praktischen Anwendung getestet werden müssten: „Das Verhalten im Prozess lässt sich nicht einfach am Schreibtisch bestimmen.“
Tempel verwies auf offene Fragen in der PPWR – etwa die Definition von Recyclingfähigkeit im großtechnischen Maßstab – und plädierte für den engen Schulterschluss zwischen Industrie, Entsorgern und Prüfinstitutionen. Mit 4evergreen und europäischen Teststandards sei man auf gutem Weg, aber viele Details blieben noch unklar.
Maßgeschneiderte Lösungen statt One-size-fits-all
Dr. Stefan Köhler, Manager Innovation und Nachhaltigkeit bei STI, präsentierte im letzten Vortrag des Workshops konkrete Entwicklungen aus der STI-Produktentwicklung. In seinem Vortrag „Performance based – Future ready“ demonstrierte er, wie sich durch neue Maschinen und Verfahren Gewicht, CO₂-Ausstoß und Materialeinsatz senken lassen, ohne Einbußen bei Stabilität oder Verarbeitung.
Im Vordergrund stand eine neue Kartonverpackung, die 28 % leichter ist und zugleich eine 90 % höhere mechanische Stabilität aufweist als bisherige vergleichbare Lösungen. Auch funktionale Barrieren auf Wasserbasis und Spotbeschichtungen wurden vorgestellt, mit denen Kunststoff ersetzt und die Recyclingfähigkeit gesteigert werden kann. Köhler betonte jedoch: „Barriere ist nicht gleich Barriere – wir müssen immer anwendungsorientiert denken.“
Abschlussdiskussion und Fazit der Vortragenden
Für die Abschlussrunde kamen noch einmal alle Vortragenden des Tages zusammen auf die Bühne, um gemeinsam mit dem Publikum zu diskutieren. Hier betonte Michael Krätke von Ferrero noch einmal wie wichtig es sei, Briefings von Anfang an nachhaltig zu denken – nicht erst in der technischen Umsetzung. Und Lydia Tempel von der PTS mahnte zur realistischen Betrachtung der Recyclingfähigkeit: „Wir brauchen Praxisnähe statt Idealbilder.“
Das gemeinsame Fazit: Es gibt keine einfachen Lösungen. Aber entlang der Wertschöpfungskette es gibt eine Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – ökologisch, wirtschaftlich und kommunikativ. Die Branche ist bereit, der Weg anspruchsvoll. „Und den“, schloss Jakob Rinninger, „gehen wir besser gemeinsam.“