Und dies in einer Phase, in der aller Fokus auf Transformation liegen müsste: Digitalisierung und Nachhaltigkeit führen zu Veränderungen mit teils disruptivem Charakter, wie Richard Clemens, Geschäftsführer der VDMA-Fachverbände Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen, in seiner Keynote darlegen wird. Mit welchen Strategien und Geschäftsmodellen kann der Verpackungsmaschinenbau seine Spitzenposition halten und welche Rahmenbedingungen sind hierfür auf nationaler sowie europäischer Ebene nötig?
Das sind die Fragestellungen, die Spitzenkräfte der Industrie und Experten am 11. und 12. Juni 2024 auf der Packaging Machinery Conference in München diskutieren. Um der Komplexität der Themen Herr zu werden, ist die Veranstaltung in vier Inhaltsblöcke unterteilt: Nachhaltigkeit/ESG, Digitalisierung/Automatisierung, Regularien und Globalisierung.
Über vitale Bürokratie-Tiere, gefährliche Schläfer und 4.0-Geschäftsmodelle
Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer von Plastics Europe, widmet sich in seinem Vortrag einem der in den vergangenen Monaten wohl am häufigsten und kontroversesten diskutierten Thema der Verpackungsbranche: die EU-Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle, die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) und die mit ihr einhergehenden Herausforderungen sowie Unklarheiten. Oder wie Bühler sie unlängst im Interview bezeichnete: „Ein beeindruckend vitales Bürokratie-Tier“. Dabei soll die PPWR nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, vielmehr steht die Notwendigkeit eines einheitlichen, starken Regelwerks für die EU, um die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben, im Fokus. Aber eben auch, wie diese sinnvoll aussehen könnte.
Und auch wenn an den letzten Details von gefeilt beziehungsweise gestritten wird: Die groben Rahmenbedingungen der PPWR sind bereits klar genug gezeichnet, sodass sich Unternehmen auf die kommenden Vorgaben einstellen und entsprechenden Verpackungslösungen entwickeln können.
Konkret wird Valeska Haux, Vice President Strategic Marketing & Sustainability bei Südpack, vorstellen, wie ihr Unternehmen die PPWR bei der Entwicklung flexibler Verpackungslösungen berücksichtigt.
Und wo wir gerade beim Thema Nachhaltigkeit sind: Haben Sie schon einmal versucht, den CO2-Abdruck einer Verpackungsmaschinen zu berechnen? Neben vielen Einflussfaktoren wie Produktion, Nutzung und Energiequellen gibt es gleich eine ganze Reihe an Methoden und Standards, die die Vergleichbarkeit erschweren. Auf der Packaging Machinery Conference suchen wir zusammen mit Tom Kärcher, Sustainability Manager - Engineering Solutions bei der Optima Packaging Group, nach praktischen, funktionierenden Ansätzen.
Ebenfalls fordernd – nicht nur, aber vor allem für KMU – ist die korrekte Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie sie die EU künftig durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verlangt. Denn von der Erhebung der hierfür benötigten Daten, deren Management und nicht zuletzt dem grundsätzlichen Verständnis der regulatorischen Anforderungen müssen Unternehmen dem Thema jede Menge Kapazitäten zuordnen. Carolyn Leung, Corporate Sustainability Manager der Uhlmann Group, gibt in ihren Vortrag "Die neue CSRD-Richtlinie – Strategien für den erfolgreichen Aufbau einer Nachhaltigkeitsberichtserstattung in mittelständischen Unternehmen" wichtige Impulse. Und steht natürlich auch für Fragen bereit.
Ein aktuell noch regelrechtes Schläfer-Thema hat Dr. Oliver Hanka im Gepäck: den Cyber Resilience Act, kurz CRA. Die neue EU-Verordnung setzt grundlegende Sicherheitsanforderungen, verlangt von Herstellern ein Risikomanagement-System, regelmäßige Sicherheitsupdates und Transparenz durch Konformitätserklärungen. Der CRA erfordert, dass Unternehmen ihre Produkte von Beginn an sicher gestalten. Was viele nicht wissen: Betroffen sind alle Geräte und Systeme, die mit anderen kommunizieren können. Das kann ein Staubsaugerroboter – oder eben auch eine Verpackungsmaschine sein. Und was ebenfalls viele noch nicht wissen: In Kraft tritt die CRA voraussichtlich noch im Jahr 2024. Hier herrscht also definitiv Handlungs- und Diskussionsbedarf.
Und Handlungs- sowie Diksussionsbedarf gibt es nicht nur in Sachen CRA: Denn neben der neuen Regelung, die das Thema Cybersicherheit fokussiert, sehen sich die Unternehmen der Verpackungsindustrie aktuell auch mit PPWR und CSRD konfrontiert. Um nur zwei von immer mehr Regulierungen zu nennen, die Zeit im Tagesgeschäft und damit Kapazitäten von strategisch wichtigen Wachstumsthemen abziehen.
Denn auch wenn gemeinsame Regeln das Fundament einer jeden Gesellschaft sind: Mittlerweile herrscht an vielen Stellen (zumindest gefühlt) eine ungebremste Überregulierung. Welche Auswirkungen dieses Zuviel an Bürokratie auf die Industrie hat und wie ein Ausweg aussehen könnte, darüber spricht Sebastian Schneider, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFM Bonn.
Um die Herausforderungen bei der Umsetzung von Industrie 4.0 in funktionierende Geschäftsmodelle geht es im Vortrag von Sven Pultar, Smartfactory. Diese liegen oft in der Komplexität der notwendigen Technologien und der erforderlichen interdisziplinären Integration. Noch immer kämpfen viele Unternehmen mit der Digitalisierung ihrer bestehenden Prozesse und der Integration neuer, smarter Technologien in ihre Produktionslinien. Ein weiteres Hindernis ist die Skalierbarkeit der Lösungen, die sowohl technische als auch betriebswirtschaftliche Aspekte betrifft. Zudem erfordert die Implementierung von Industrie 4.0 ein Umdenken in der Unternehmenskultur, die Förderung von Fachkräften, die sowohl technisches Know-how als auch Verständnis für digitale Geschäftsmodelle mitbringen, und die Bereitschaft, in neue Geschäftsmodelle zu investieren, die über traditionelle Produktionsprozesse hinausgehen. Die erfolgreiche Umsetzung bedarf einer klaren Strategie, interdisziplinärer Teams und der Bereitschaft, bestehende Geschäftsmodelle zu hinterfragen und anzupassen.
Währenddessen wird bereits an der nächsten digitalen Revolution gearbeitet: Dem Industrial Metaverse. Hier soll nicht „nur“ ein digitaler Zwilling einer Maschine abgebildet werden – sondern die komplette Produktionsumgebung eines Unternehmens. Dies könnte das testen von Optimierungen von Produktionsprozessen ermöglichen, ohne in der realen Welt eine einzelne Schraube zu drehen, Training und Wartung unterstützen und dezentral über die ganze Welt verstreute Teams virtuell an einem Ort zusammenbringen.
Entsteht hier also gerade ein Gamechanger für den Verpackungsmaschinenbau, oder alles nur ein Hype? Dieser Frage geht Prof. Dr. Alexander Kutter, Professor für Immersive Technologien, Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe, nach: Industrial Metaverse - Chancen, Risiken und was soll das Ganze überhaupt?
Die Köpfe hinter den Themen: unser Fachbeirat
Dies waren nur drei Beispiele von Themen, die auf der Packaging Machinery Conference im Juni vorgestellt und diskutiert werden. Das vollständige Programm, das in Zusammenarbeit mit dem Fachbeirat, bestehend aus Valeska Haux, Vice Presindent Strategic Marketing & Sustainability der Südpack Group, Jana Götz, Strategic Business Development Manager bei SEW-Eurodrive, Richard Clemens, Geschäftsführer VDMA, Christian Traumann, CEO der Multivac Gruppe und Prof. Dr.-Ing. Matthias Niemeyer, CEO Uhlmann Pac-Systeme, entstand, finden Sie unter https://www.packaging-machinery-conference.de/.