Hintergründe zur Übernahme von Schumacher Packaging durch Mondi
„Wir haben ein gutes Blatt“
Interview mit Paulus Goëss, COO Corrugated Solutions bei Mondi, über die Übernahme von Schumacher Packaging, Wachstumsziele in Europa und den Anspruch, zum strategischen Innovationspartner zu werden.
neue verpackung: Herr Goëss, Mondi hat Schumacher Packaging übernommen – einen der größten Anbieter von Wellpappenverpackungen in Westeuropa. Was sind Ihre strategischen Ziele hinter dieser Akquisition – für Europa, aber speziell auch für Deutschland?
Goëss: In den letzten Jahren haben wir massiv in unsere bestehenden Werke investiert – etwa in Polen und Tschechien – und konnten so unser Marktvolumen erhöhen. Aufbauend auf dieser Strategie haben wir nun auch auf Wachstum durch eine Akquisition gesetzt. Der Erwerb der westeuropäischen Werke von Schumacher Packaging war dabei ein strategisch geplanter Schritt, mit dem wir unsere Präsenz in Deutschland und Westeuropa entscheidend stärken konnten. Besonders mit den leistungsstarken Werken in Greven und Ebersdorf ergänzt Schumacher unsere bereits vorhandene Präsenz im Bereich der Wellpappen- und der flexiblen Verpackungen in Deutschland noch einmal deutlich. Hier kommen nun noch Werke in England und den Niederladen dazu. Wenn man unser gesamtes Portfolio betrachtet – von Primär- bis Sekundärverpackungen –, verfügen wir nun über ein nahezu einzigartiges Angebot für unsere Kunden. Und zwar was die Produktvielfalt angeht, aber auch unsere Marktabdeckung: Vom Bosporus bis zum Ärmelkanal – und darüber hinaus.
neue verpackung: Was ergänzt Schumacher nun konkret, das Mondi bislang nicht hatte?
Goëss: Es sind fünf Bereiche, die besonders wichtig sind: Erstens die gerade erwähnte geografische Erweiterung, zweitens das erweiterte Produktportfolio – insbesondere durch Vollpappe bzw. Karton, das gut zu uns passt. Drittens die Drucktechnologie: Schumacher ist führend im Digitaldruck. Damit werden wir nun für Kunden attraktiv, die wir bislang nicht hatten. Viertens auf Kundenebene: Die Überschneidungen im Kundenstamm sind minimal das war selbst für uns überraschend, als wir unsere Datenbanken abgeglichen haben. Einige unserer Mondi-Werke haben ganz einfach eine historisch eher lokale Kundenbasis, während dies bei Schumacher weniger stark ausgeprägt ist. Und fünftens: die Möglichkeit, Kunden künftig Lösungen im Bereich Wellpappe, Vollpappe und der flexiblen Verpackungen aus einer Hand anzubieten.
neue verpackung: Die kulturelle Integration ist bei der Übernahme eines etablierten Unternehmens wie Schumacher ja eine eigene, oft unterschätzte Herausforderung. Wie gehen Sie das an?
Goëss: Die kulturelle Integration ist tatsächlich ein zentraler Punkt. Die Mentalität ist grundsätzlich ähnlich – „Passion for Performance“ ist bei beiden Unternehmen spürbar. Aber natürlich war Schumacher bisher ein eigentümergeführtes Unternehmen. Wir bringen jetzt unsere Struktur und damit auch mehr Prozesse ein – das braucht viel Klarheit und noch mehr Fingerspitzengefühl. Hier kommt uns zugute, dass dies nicht die erste Transaktion für Mondi ist und wir darum viel Erfahrung mit Integrationen mitbringen. So haben wir beispielsweise zu Beginn der Übernahme Mitarbeiterbefragungen durchgeführt und wiederholen diese auch im laufenden Prozess. Auf diese Art haben wir ein gutes Bild davon, wo bereits alles passt. Aber auch einen Indikator, wo noch einmal gezielt nachgesteuert werden muss.
Mir ist an der Stelle wichtig zu betonen: Integration heißt nicht, dass es unser Ziel ist, die Vergangenheit von Schumacher zu leugnen – im Gegenteil: Der Stolz und die Geschichte der Standorte bleiben erhalten. Ein Beispiel ist unser Werk in Ansbach, das wir bereits vor rund 20 Jahren übernommen haben. Dort zeigt sich deutlich, wie sehr Mitarbeiter etwa die verbesserten Standards bei der Arbeitssicherheit schätzen, die mit der Übernahme kamen. Auch Dinge wie das Reporting mögen sich geändert haben. Aber das, was wirklich zählt und was die Mitarbeiter dort schon immer als gelebte Werte erfahren haben, blieb unangetastet. Das schafft Vertrauen in neue Besitzstrukturen.
neue verpackung: Lernen Sie als Mondi auch von Schumacher?
Goëss: Absolut. Und ich würde sagen, zwei Punkte stechen hier besonders heraus: Erstens der Innovationsgeist. Schumacher ist – nicht zuletzt dank Björn Schumacher – extrem digital fokussiert. Das hat mich sehr beeindruckt. Zweitens die Kundenorientierung im Portfoliovertrieb: Schumacher hat dem Kunden konsequent das Gesamtportfolio verschiedener Werke angeboten – das wollen wir bei Mondi stärker umsetzen und mehr über unser Netzwerk an unsere Kunden gehen.
neue verpackung: Inwieweit stärkt die Übernahme Ihre Position in dynamischen Märkten wie FMCG oder E-Commerce? Und haben Sie bereits Ziele definiert, die in den kommenden Jahren gemeinsam erreicht werden sollen?
Goëss: Beide Unternehmen waren bereits im E-Commerce stark. Dort haben wir nun ein flächendeckendes, attraktives Angebot und eine eigene Vertriebsstruktur aufgebaut. Für FMCG-Kunden können wir nun zusätzlich zu bestehenden Wellpappe- und flexiblen Verpackungslösungen ein attraktives Portfolio an Karton- und Vollpappenlösungen anbieten. Dazu kommt noch die ausgeprägte Innovationskultur in unseren Werken in Polen, der Türkei, aber auch Zentraleuropa. Allein dieses Jahr konnten wir zehn World Star Packaging Awards für unsere Kundenlösungen gewinnen. Es geht nun also darum, diese Erfahrungen aus den einzelnen Werken ins gesamte Netzwerk zu überragen.
Unsere Herangehensweise ist dabei immer materialagnostisch – wir hören dem Kunden zu und beraten individuell. Hinzu kommt unsere Expertise im Bereich Heavy Duty, etwa für Automotive, Chemie, Gefahrgut oder Sportartikel. Auch hier wollen wir mit digitalem Druck und neuer Vertriebspower weiterwachsen.
neue verpackung: Gibt es auch konkrete Wachstumsziele in Sachen Umsatz?
Goëss: Zahlen nenne ich an dieser Stelle keine. Aber klar ist: Mondi hat einen Wachstumsanspruch – sowohl im Wellpappenrohpapiere als auch in der Wellpappe. Der Vertrieb für Wellpappe soll künftig auch Vollpappe mitdenken und unser umfangreiches Portfolio präsentieren. Dazu kommt dann natürlich noch das neue Digitaldruckangebot, das wir noch weiter nach vorne denken werden. Wir haben also ein gutes Blatt – jetzt geht es darum, dieses besser auszuspielen als der Wettbewerb.
neue verpackung: Stichwort „nach vorne denken“: Wie wird sich die Übernahme auf das Innovationsmanagement bei Mondi auswirken? Gibt es beispielsweise Pläne, an zentraler Stelle gemeinsame F&E-Zentren zu gründen, beispielsweise für den Bereich Digitaldruck?
Goëss: Ich will das ganz deutlich sagen: Wir werden beispielsweise das Thema Digitaldruck keinesfalls aus den ehemaligen Schumacher-Werken nehmen; das wäre fahrlässig. Denn die Digitalkompetenz und die Erfahrung sitzen in den Werken und nicht in der Verwaltung.
Unsere Philosophie ist: Innovation muss nah am Kunden stattfinden. Ich möchte weg von der Logik „Werk A macht Innovation B“. Stattdessen überlegen wir: Welcher Endmarkt braucht welche Innovation? Welche Technologien, welche Materialien sind gefragt? Dafür haben wir über 100 Kollegen, die sich mit der Entwicklung neuer Produkte beschäftigen.
Wichtig ist dabei der standortübergreifende Austausch – in Vertrieb, Produktion, Automation, Innovation, sodass dann jeder Standort von der gesammelten Kompetenz des gesamten Netzwerks profitieren und diese in die jeweils passende Kundenlösung einfließen kann. Ein Best-Practice aus Polen kann auch in ein Projekt in Bayern einfließen. Wir fördern das bewusst, beispielsweise etwa mit abteilungsübergreifenden Workshops.
neue verpackung: Wie sieht das konkret aus – etwa im Rahmen Ihrer Thinkbox-Initiative?
Goëss: Unsere Thinkbox ist mehr als ein physischer Raum – sie ist ein echtes Erlebnis. Dort entwickeln wir in Co-Creation mit dem Kunden maßgeschneiderte Lösungen. Von der Briefing-Phase über Muster bis zur Umsetzung. Es gibt bereits Thinkboxen in Budweis, Ansbach und Tire (Türkei) sowie die FlexStudios für flexible Verpackungen in Steinfeld.
Wir nehmen dieses Angebot an unsere Kunden sehr ernst, investieren viel Zeit – teilweise Wochen – in Vorbereitung und gezielte Workshops. Der Erfolg rechtfertigt diesen Aufwand, und so wollen wir diese Herangehensweise auch auf unsere neuen Standorte ausweiten.
neue verpackung: Welche langfristigen Impulse erwarten Sie durch die Übernahme für den europäischen Verpackungsmarkt?
Goëss: Wir sehen eine Konsolidierung in der Branche. Der Druck wächst – deshalb braucht es Netzwerke, die auf einzelne Endmärkte ausgerichtet sind. Unsere E-Commerce-Vertriebsstruktur zeigt das deutlich. Auch unsere Integration entlang der Wertschöpfungskette bringt Vorteile: Materialkompetenz, Rückverfolgbarkeit, Datenqualität – all das spielt eine große Rolle, gerade mit Blick auf kommende Regulierungen. Der Markt braucht Partner, die nachhaltig, effizient und datengetrieben agieren.
neue verpackung: Beim Stichwort Regulierungen denken jetzt viele wahrscheinlich sofort an die PPWR. Hier herrscht nach wie vor ein hoher Wissensbedarf in der verpackenden Industrie. Werden Verpackungsanbieter darum künftig auch verstärkt Wissens- und Datenlieferanten für ihre Kunden sein?
Goëss: Ganz klar, ja. Die Anforderungen sind komplexer geworden. Markenartikler bauen Know-how ab – gleichzeitig steigt der Bedarf an verlässlicher Beratung, um die eigenen Produkte nicht nur verkaufsfördernd, sondern auch regelkonform verpacken zu können. Wir sehen das als Chance: Mit unserer Integration entlang der Wertschöpfungskette, unserem Materialwissen und unserer Datenbasis können wir glaubwürdig und nachvollziehbar beraten. Das schafft Vertrauen – und das ist aus meiner Sicht der Schlüssel für die Zukunft der Kundenbeziehung.